«Es war an der Zeit, darüber zu reden» Darum hat sich FCSG-Captain Görtler im Sommer mit Trainer Zeidler angelegt

Von Syl Battistuzzi

20.12.2023

St.Gallens Trainer Peter Zeidler (links) mit Lukas Görtler.
St.Gallens Trainer Peter Zeidler (links) mit Lukas Görtler.
KEYSTONE

FCSG-Profi Lukas Görtler ist nach seiner Verletzung nicht nur wieder auf dem Feld präsent, sondern auch in den Medien. Der Deutsche sprach mit dem «St. Galler Tagblatt» unter anderem über Peter Zeidler oder seine Rolle als Captain.

Von Syl Battistuzzi

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • FCSG-Captain Lukas Görtler nimmt im Interview beim «St.Galler Tagblatt» Stellung zu verschiedenen Themen.
  • So erläutert der 29-jährige Deutsche den Zwist mit FCZ-Trainer Bo Henriksen, warum er vor der Saison intensive Diskussionen mit seinem Coach Peter Zeidler führte und ob er für immer in Grün-Weiss auflaufen wird.

Der Sommer von Lukas Görtler war turbulent. Der Deutsche verletzte sich Ende August im Meisterschaftsspiel gegen den FC Zürich am linken Fuss und musste eine Zwangspause einlegen.

Bereits vor dem Saisonstart stand der Mittelfeldspieler, der im Sommer 2019 in die Ostschweiz wechselte und dort zum Captain aufstieg, im Mittelpunkt. So soll gemäss einem Bericht vom «St. Galler Tagblatt» dicke Luft zwischen ihm und Trainer Peter Zeidler herrschen, grosse Meinungsverschiedenheiten wurden bei den Landsmännern ausgemacht. Den Tumult über das angeblich gestörte Verhältnis hatte dann zur Folge, dass sich Görtler lange nicht mehr medial äussern wollte. 

Inzwischen ist der 29-Jährige wieder fit – und hat auch sein silenzio stampa aufgehoben, wie auch jüngst FCZ-Trainer Bo Henriksen erfahren musste. Der Däne meinte in einem Interview vor dem Direktduell gegen St.Gallen: «Wir wollen ihnen die Party zerstören und dort gewinnen. Wir wissen, dass sie nicht gerne gegen uns spielen und das System etwa 15 Mal wechseln während der Partie, weil sie uns nicht kontrollieren können.»

Görtler schoss nach dem 1:0-Sieg im Interview mit blue Sport zurück und betonte, die Aussagen von Henriksen habe er dem Team als Motivationsschub vorgelegt. Vor den Ferien – Görtler geht nach Kenia – gab er dem «St. Galler Tagblatt» (zahlungspflichtig) noch ein längeres Interview.

«Diskussion lief aus dem Ruder»

Er sei Henriksen nicht böse, so Görtler. «Aber ich stehe auf der anderen Seite und fand es etwas überheblich, weil ich denke, dass er in einigen Punkten nicht recht hatte. Auch wegen des Interviews habe ich gehofft, dass wir das Spiel gewinnen. Nur, es könnte mir auch einmal passieren, dass ich etwas raushaue, das nicht überall gut ankommt», gab er zu bedenken.

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In seiner Reha-Phase hätten ihn die Physios bremsen müssen: «Ich war ständig im Kraftraum. Alles, was ich körperlich machen konnte, habe ich gemacht.» Mit seinem Niveau nach der Rückkehr ist er zufrieden. «Vielleicht fehlte noch etwas das Selbstvertrauen, läuferisch passte es», findet er. In seiner Abwesenheit habe er dennoch Teil des Teams bleiben und seine Aufgabe als Captain wahrnehmen wollen. Er habe viele Gespräche geführt und Emotionen abgefangen: «Ich spreche öfter mit Akteuren, die nicht spielen oder neu dazugekommen sind. Nach guten Partien melde ich mich oft bei Teamkollegen. Oder vor den Spielen bei jenen, die es sich anders vorgestellt haben – um ihnen Mut zu machen. Dann bin ich voll im Element als Teamplayer», erläutert Görtler.

Sein Schweigen in der Öffentlichkeit sei eine Reaktion gewesen, weil medial einiges aus dem Ruder gelaufen sei, auch seiner Person gegenüber. «Ich merkte, wie ich stark in den Fokus geriet. Ich war und bin einer, der intern offensiv und direkt kommuniziert. Aber es ging nie um mich allein, und als Captain muss ich auch die Meinungen vieler vertreten. Wir haben Punkte angebracht, die das Gesamtkonstrukt besser machen, und aufzeigen, in welchen Bereichen wir uns vielleicht entwickeln können.»

Es sei ein Spagat gewesen, zwischen intern kritisch sein mit der Mannschaft im Rücken und in der Aussendarstellung nicht so zu wirken wie einer, der alles schlecht mache und dem es nur um sich gehe, so Görtler, der die Nachwuchsabteilung des 1. FC Nürnberg durchlief.

«Jeder Punkt, der diskutiert wurde, war konstruktiv. Da ging es nie um Zwischenmenschliches. Es ging immer nur darum, möglichst klar und ehrlich Dinge aufzuzeigen, die besser werden können und über die der Grossteil auch so denkt. Das sehe ich als eine meiner Aufgaben. Man macht es nicht gerne. Aber ich tat es mit Überzeugung. Wenn wir Fortschritte erzielen wollen, muss auch einmal etwas angesprochen werden, das nicht so gut läuft», hält Görtler fest.

Wieder gleich machen

Er bereue die öffentlich gewordenen Diskussionen nicht. So sage er intern auch, wenn es gut laufe. «Gegen aussen hatte man vielleicht das Gefühl: ‹Jetzt läuft es einmal nicht, und nun attackiert er intern.› Aber es war ja ein schleichender Prozess. Und es war an der Zeit, darüber zu reden. Ich werde mich da auch nicht ändern. Ich finde, es ist wichtig, dass es Leute gibt, die sich trauen, etwas anzusprechen.»

Der Klub sei mit dem ganzen Thema «offen» umgegangen. «Es gab nicht einen Moment, in dem wir nicht sagen durften, was wir dachten oder wollten. Wir durften mit mir als Sprachrohr die Kritik immer äussern. Wie Kritik dann schliesslich ankommt oder was daraus gemacht wird, liegt in den Händen des Empfängers».

Keiner, der mit seiner Meinung hinter dem Berg hält: Lukas Görtler.
Keiner, der mit seiner Meinung hinter dem Berg hält: Lukas Görtler.
Keystone

Jede Entwicklung sei ein laufender Prozess, sagt Görtler. «Wir wollen besser werden und alle müssen dazu beitragen, dass es noch besser wird.» Die Diskussionen mit Zeidler und ihm haben sowohl bei ihm als auch bei Zeidler etwas ausgelöst: «Seit ich in St. Gallen bin, war immer alles positiv. Nun diskutierten wir erstmals über unangenehme Themen.» Es stehe ausser Frage, dass der Prozess notwendig war. «Vielleicht hat er auch geholfen, dass die Hemmschwelle nun etwas tiefer ist, die eigene Meinung zu äussern», mutmasst Görtler. 

Für immmer FCSG?

Nach den Dissonanzen konnten sich viele Aussenstehende keine Zukunft von Görtler und Zeidler vorstellen, vielmehr wurde über einen raschen Abgang spekuliert. «Ich habe nie behauptet, andere Vereine nicht anzuhören. Genauso war es im vergangenen Sommer. Ich weiss, dass der FC St.Gallen ein besonderer Klub ist und St.Gallen ein spezieller Ort. Ausserdem weiss ich ganz genau, was ich hier habe. Aber im Sommer hätte es auch die Möglichkeit gegeben, den Verein zu wechseln», berichtet Görtler. Am Ende sei es immer eine Abwägung von Gefühlen und Interessen. «Für mich persönlich stehen an erster Stelle aber keine finanziellen Aspekte, sondern das Gefühl, dass ich aus dem Blickwinkel beider Seiten am richtigen Ort bin.»

Görtler hebt die Wichtigkeit der Wertschätzung hervor. «Der Klub weiss, er hat da einen Captain, der macht vielleicht nicht 36 gute Spiele, gibt sich aber unheimlich Mühe für den gesamten Verein auf und neben dem Platz. (...) Für einen Klub ist es wichtig, einen Akteur zu haben, der gut Fussball spielen kann und auch versucht, die Werte des Vereins intern und extern zu vertreten».

Er betont: «Ich wollte nie etwas ins Wanken bringen. Vielmehr strebe ich Verbesserungen an. Intern habe ich grosse Wertschätzung dafür erfahren, weil ich den Mut hatte, eine Meinung zu vertreten. Wir wollten die Diskussionen intern behalten. Aber schliesslich, nach all den Diskussionen, kam bei mir schon die Frage auf, ob noch alles passt und ich in St. Gallen am richtigen Platz bin.»

Darum sei es entscheidend gewesen, solche Gedanken beiseitezuschieben und «dran glauben, dass man Wirkung erzielt. Dran glauben, dass es etwas dauert, bis sich etwas verändert.» Sonst müsse man sich damit arrangieren, aber er fühle sich eigentlich in der Mannschaft sehr wohl.

Darum könne er sich natürlich auch vorstellen, für immer zu bleiben. Doch ein Versprechen sei das nicht: «Ich habe eine Karriere. Es gibt Sachen, die mich reizen und Sachen, die mich weniger reizen. Am Ende muss es einfach für alle passen. Ich habe Bock, nach der Winterpause in St.Gallen wieder loszulegen. Ich habe keine Absichten oder Pläne, zu wechseln», resümiert Görtler, der mit St.Gallen hinter YB auf Platz 2 überwintert.