Kommentar zum verpatzten Saisonstart Die FCZ-Führung muss sich an der eigenen Nase nehmen

Von Fredy Bickel

2.8.2022

Der neue Trainer Franco Foda wartet noch auf seinen ersten Pflichtspielsieg mit dem FCZ.
Der neue Trainer Franco Foda wartet noch auf seinen ersten Pflichtspielsieg mit dem FCZ.
Keystone

Fünf Spiele und noch immer keinen Sieg für den Meister. Mit der Verpflichtung von Franco Foda hat sich der FC Zürich selbst eine Grube geschaufelt, meint blue Experte und Ex-FCZ-Sportchef Fredy Bickel in seinem Kommentar.

Von Fredy Bickel

Der FC Zürich hat eine sehr erfolgreiche Saison hinter sich. Die Mannschaft hat mit einer beeindruckenden Selbstverständlichkeit Runde für Runde ihr volles Leistungspotenzial ausgeschöpft und wurde schlussendlich hochverdient und frühzeitig Schweizer Meister.

Den grössten Anteil an diesem Titel hatte die Mannschaft und insbesondere Trainer André Breitenreiter. Weil genau dieser Breitenreiter die Qualitäten mitgebracht hat, die dem FC Zürich in den letzten Jahren so sehr fehlten: Sozialkompetenz, Demut, Empathie. Sein Abgang zurück in die Bundesliga war absehbar und schon klar, als die Führungsetage vom FC Zürich noch nichts von einem bevorstehenden Trainerwechsel wissen wollte.

Mehr Zeit für die Ausarbeitung des Trainerprofils hätte dem Verein und der Mannschaft helfen können, den Schwung der letzten Saison in diese Spielzeit mitzunehmen. Stattdessen scheiterte der FCZ schon in seiner ersten Champions-League-Qualifikationsrunde und steht nach drei gespielten Meisterschaftsrunden ohne Sieg und null geschossenen Toren da. Obwohl das Erfolgsteam mehrheitlich zusammengehalten werden konnte und gemäss Einschätzung von Präsident Ancillo Canepa gegenüber der letzten Saison an Qualität gewonnen hat.

Foda erwartet viel von seinen Spielern

Um es vorweg zu nehmen. Der FC Zürich hat auf diese Saison hin einen hervorragenden Trainer verpflichtet. Ich durfte Franco Foda als hochprofessionellen, intelligenten, seriösen Fussballlehrer kennenlernen. Als Gesprächspartner steht einem mit Foda ein respektvoller, interessierter Fussballdenker gegenüber. Aber auch einer, mit dem man durchaus auch über andere Dinge als nur über das runde Leder diskutieren kann. Wie Breitenreiter war auch Foda ein begnadeter Fussballer. Immer fokussiert und mit seiner Fussballintelligenz dem Gegner meist einen Schritt voraus. Er hat seinen Körper trainiert und daneben im Geiste Fussball studiert.

Gleiches erwartet Foda von seinen Spielern. Er will auf dem Platz eine unberechenbare Mannschaft sehen, die sich jeder Situation anpassen kann. Er ist ein absoluter Profi. Der Chef, die Spieler seine Mitarbeiter, denen er genaue Vorgaben gibt. Auch nach Jahren in Österreich ist er geprägt von der Deutschen Schule. Der Trainingsplatz ist das Arbeitsfeld, darauf hat es für nichts anderes Platz.

Franco Foda übernahm eine intakte Mannschaft von André Breitenreiter.
Franco Foda übernahm eine intakte Mannschaft von André Breitenreiter.
Keystone

Breitenreiter macht das Spiel für seine Mannschaft einfach. Jeder Spieler kennt und erhält immer die gleiche Aufgabe. Jeder kriegt auf dem Platz aber auch seinen Raum, wo er sein individuelles Können ausleben kann. Ceesay durfte als Beispiel letzte Saison die Platztiefe nutzen, hatte aber auf den Seiten nichts zu suchen. Marchesano dagegen konnte sich auf der ganzen Breite des Feldes hinter der vordersten Linie austoben, um seine Kreativität auszuleben. Breitenreiter setzt auf seine Sozialkompetenz und seine Empathie. Er baut darauf, dass er damit und seiner herausragenden Kommunikation dem Spieler hilft, dass er sich gut und stark fühlt, so Woche für Woche sein Leistungspotenzial abrufen kann.

Der FCZ unter Foda braucht noch etwas Zeit

Es liegt mir fern, zu beurteilen, wer nun der bessere Trainer, welche Führungsmethode die richtige ist. Es geht auch nicht darum. Trainer und Team müssen zusammenpassen. Und ein Trainer kann nur Erfolge vorweisen, wenn er hinter seiner Idee steht, diese konsequent umsetzt und dabei authentisch bleibt.

Jede Führungsmethode hat seine Vor- und Nachteile. Die Art von Breitenreiter bringt Gefahr, weil nicht alle Spieler mit solchen Freiheiten umgehen können und diese zum eigenen Schaden ausnutzen. Es ist auch so, dass solche Mannschaften meist irgendwo an ihre Grenzen stossen, weil sie für die Gegner einfacher zu berechnen sind. Stürzt man zudem in eine Resultatkrise, dauert der Weg meist länger, bis man wieder auf der Erfolgsspur zurück ist. Passt jedoch dieser Führungsstil zu einer Mannschaft und kommt diese in Fahrt, tankt sie so viel Selbstvertrauen, dass sie kaum mehr zu bremsen ist.

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Eine Mannschaft, die von Foda trainiert wird, ist schwierig auszurechnen. Wie haben es die österreichischen Bundesligisten gehasst, gegen Sturm Graz zu spielen. Bis kurz vor Spielbeginn wusste keiner, mit welcher Aufstellung Foda starten wird. Erst in den ersten Minuten der Partie wurde klar, welches System der Trainer nun gewählt hat. Ob drei oder fünf Verteidiger, ob nur eine Sturmspitze oder ein Drei-Mann-Sturm. So war Graz unter Foda grundsätzlich die einzige Mannschaft in Österreich, die hin und wieder dem seit Jahren übermächtigen RB Salzburg ein Bein stellen konnte.

Grenzen nach oben gibt es in gewissen Partien für solche Mannschaften nicht. Die Steirer wurden unter Foda auch Meister und Cupsieger und haben in der Meisterschaft immer wieder geglänzt, ohne ein überragendes Kader zu besitzen. Der Nachteil: Es braucht Zeit, bis eine Mannschaft so weit ist, dass mit jedem System, mit jeder Aufstellung die Automatismen stimmen. Es braucht auch disziplinierte Spieler, die auf dem Platz den Kopf einschalten und zugunsten der mannschaftlichen Geschlossenheit die eigene Kreativität zurückstellen.

Grosse Unterschiede zwischen Foda und Breitenreiter

Hätte der FC Zürich auf die Zeichen der Zeit gehört und sich frühzeitig für einen neuen Trainer umgeschaut, wären sie trotzdem das Risiko eingegangen, auf eine solch konträre Trainerbestellung einzugehen? Den Trainer für die fehlenden Resultate verantwortlich machen zu wollen, wäre völlig fehl am Platz. Er arbeitet gewissenhaft und so, wie er es für richtig hält. So wie er überzeugt ist, Erfolg haben zu können.

Die Führungsetage des FC Zürich muss sich an der eigenen Nase nehmen. Sie haben bewusst oder unbewusst einen Übungsleiter ausgesucht, der in Sachen Mannschaftsführung unterschiedlicher zum Meistertrainer der vergangenen Saison nicht sein könnte. Und damit den Spielern eine völlig veränderte Arbeitsgrundlage vorgelegt.

Bis Veränderungen greifen, braucht es Zeit. Konsequent ist, wenn man Foda diese Zeit gibt. Die Frage ist nur, hat das Präsidentenehepaar diese Geduld, die nach einer erfolgreichen Zeit noch schwieriger aufzubringen ist? Bleibt der Trainer ruhig und besonnen?

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Noch entscheidender ist, wie die Mannschaft mit der Situation umgeht. Trotz kämpferischer Auftritte stehen nach einem solchen Saisonstart auch die Spieler in der Kritik, obwohl sie ihren neuen Vorgesetzten nicht ausgesucht haben und insbesondere die herbeigeführten Umstellungen der Arbeitsweise für die Resultate verantwortlich sind. Bringen sie die Kraft auf, weitere negative Resultate und Kommentare wegzustecken und weiter an den Trainer und die Wende zu glauben?

Der FC Zürich hat seinem neuen Trainer und der Mannschaft eine Grube geschaufelt. Nun stehen sie vor der Herausforderung, dafür zu sorgen, dass sie nicht alle zusammen dort hineinfallen. Zeit dafür haben sie – noch!