Aufregung im Tennis-Zirkus Djokovic pfeift auf Social Distancing und erntet Kritik der Weltnummer 51

SB10

12.6.2020

Novak Djokovic begrüsst Sascha Zverev bei seiner Ankunft in Belgrad.
Novak Djokovic begrüsst Sascha Zverev bei seiner Ankunft in Belgrad.
Bild: Getty

Die «Adria-Tour» ist der erste grössere Tennisevent, wo wieder mehrere Topspieler antreten. Dabei wird das Social Distancing nicht wirklich zu Herzen genommen. Eine Profispielerin kritisiert ihn zudem für seine widersprüchliche Haltung.

Eigentlich ist das Tennisturnier in Serbien, Kroatien, Montenegro und Bosnien-Herzegowina, welches vom 12. Juni bis am 5. Juli stattfindet, eine gute Sache: Die Einnahmen sollen für karitative Zwecke verwendet werden.

Doch die ersten offiziellen Bilder der «Adria-Tour» lassen einen schalen Beigeschmack aufkommen. Für Initiator Novak Djokovic, der mit dem Österreicher Dominic Thiem (ATP 3), dem Bulgaren Grigor Dimitrov (ATP 19) oder dem Deutschen Alexander Zverev (ATP 7) eine illustre Runde zusammenbekommen hat, scheinen Vorsichtsmassnahmen wegen der Corona-Krise nicht an vorderster Stelle zu stehen.

Bereits bei der Ankunft am Belgrader Flughafen herzen sich die Tennisstars innig. Danach wird eine Runde Fussball gespielt – und beim Torjubel auch nicht auf Umarmungen verzichtet. Dies dürfte nicht nur bei den Fussballfunktionären, welche derzeit die vielen Sicherheitsprotokolle umsetzen müssen, für Kopfschütteln sorgen.

Intime Nähe beim Kick zwischen den Tennisstars.
Intime Nähe beim Kick zwischen den Tennisstars.
Bild: Instagram

Lieber Party, statt sich um Probleme zu kümmern?

Die Bilder und Videos gerieten auch Dirk Hordorff in den falschen Hals. Der Vizepräsident des deutschen Tennisbunds schrieb in einem (später gelöschten) Tweet: «Party und Fussball in Belgrad, aber der Präsident des Spielerrats findet keine Zeit, um an einem Zoom-Meeting mit 400 Spielern der ATP- und Challenger-Tour teilzunehmen. Und dies, nachdem er sich gegen die US Open ausgesprochen hat.» 

Doch, ob der Weltranglistenerste tatsächlich die Sitzung geschwänzt hat, ist offiziell nicht belegt. Einige Twitter-User verweisen auf eine andere Quelle, nach der Djokovic teilgenommen habe. Zudem ist Hordorff auch nicht unbedingt der beliebteste Mann im Tenniszirkus. Der deutsche Tennisfunktionär kritisierte jüngst Roger Federer für seine Idee, das Männer- und Frauentennis in Zukunft zu vereinen, scharf.

Viel störender dürfte für die Allgemeinheit die ambivalente Haltung des Serben sein. So deutete «Nole» kürzlich in den serbischen Medien an, dass er auf die US Open verzichten wolle, um sich auf die für Ende September geplanten French Open in Paris vorzubereiten: «Die meisten Spieler, mit denen ich gesprochen habe, haben sich ziemlich negativ dazu geäussert, ob sie nach New York reisen wollen», sagt er in einem Interview mit dem serbischen Sender RTS und ergänzt: «Momentan sieht es so aus, als würde ich die Saison Anfang September auf Sand fortsetzen.»



Die US Open sollen unter strengen Hygieneregeln stattfinden. Während dort die Organisatoren also Konzepte ausarbeiten, wie sie Spieler testen und in den Hotels isolieren sowie zur Anlage bringen, sind bei der «Adria-Tour» die Hygiene-Vorschriften offensichtlich kein Thema. Natürlich ist der US-Tennisverband USTA auch aus finanziellen Gründen daran interessiert, die zweiwöchige Veranstaltung durchzuziehen. Trotzdem sind die ungleichen Spiesse der Öffentlichkeit schwierig zu erklären. 

Collins kritisiert Djokovic: «Wir müssen wieder arbeiten»

Auch innerhalb des Tenniszirkus sorgte er zuvor für Unmut. Djokovic erklärte kürzlich, dass es quasi unmöglich sei, nur mit einer Begleitperson zu den US Open zu reisen. 

Die US-Amerikanerin Danielle Collins findet Djokovics Haltung – auch im Zusammenhang mit der Schaffung eines Spielerfonds für Spieler ausserhalb der Top 250 – heuchlerisch. «Seit Februar hat niemand Geld verdienen können, jetzt hat man die unglaubliche Möglichkeit, die US Open auszutragen. Dies unter den Bedingungen, das Turnier so sicher wie möglich zu gestalten und die Gesundheit der Spieler an vorderste Stelle zu stellen», so die Nummer 51 der Welt.

«Und dann kommt der beste Spieler der Welt und sagt, dass es schwierig ist, weil er nicht seine gesamte Entourage mitbringen könne. Es ist alles recht einfach, wenn jemand 150 Millionen US-Dollar verdient hat und sagen kann, was andere mit ihrem Geld machen sollten (...) Diejenigen von uns (die Mehrheit der Spieler), die nicht mit einer ganzen Entourage reisen können – wir müssen wieder arbeiten. Und es wäre nett, wenn der beste Spieler der Welt diese Möglichkeit unterstützt und sie nicht für die Spieler und Fans verdirbt», erläutert Collins.

Die definitive Entscheidung, ob die US Open dieses Jahr stattfinden können, soll in den kommenden Tagen fallen. Die weltweite Tennistour steht seit Mitte März still. Noch bis mindestens Ende Juli sollen wegen der Corona-Pandemie keine ATP- und WTA-Turniere stattfinden.


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