Nach dem Halbfinal der ATP-Finals analysiert Roger Federer seine nicht erwartete Niederlage gegen Stefanos Tsitsipas, bei der er nur eine von zwölf Breakchancen nützen kann.
Es war ein enges Spiel. Haben Sie das Gefühl, die Breakchancen haben den Unterschied gemacht?
«Ja, das war sicher ein Teil. Ich hatte zweifelsohne meine Chancen. Ich weiss nicht genau, warum es so lief, wie es lief. Mit zwei verschlagenen Smashes in einem Game gebreakt zu werden, war hart. Das ist mir lange nicht mehr passiert; oder noch gar nie. Darauf kannst du dich nicht vorbereiten. Aber ich habe es akzeptiert und bin danach eigentlich gut ins Spiel gekommen. Ich hatte gute Phasen, aber die Phasen, in denen es nicht gut lief, waren ziemlich übel. Auf diesem Niveau kannst du dir das einfach nicht leisten, das war heute ziemlich enttäuschend.»
Sie schienen den Ball nicht so gut zu fühlen wie noch beim Sieg gegen Djokovic.
«Doch, eigentlich habe ich den Ball zu Beginn ganz okay getroffen, wenn man die beiden Smashes wegnimmt. Aber dass ich dann zu Beginn des zweiten Satzes gleich zu null gebreakt wurde und dabei keinen ersten Aufschlag ins Feld brachte; und dass ich dann, als ich die Chance hatte, 3:2 in Führung zu gehen das Ganze wieder weg geworfen habe, das war einfach nur frustrierend. Auf der anderen Seite muss ich auch sagen, dass er gut gespielt hat. Er verdient sicher das Lob, dass er mich dazu gebracht hat, nicht auf dem Niveau zu spielen, das ich erhofft hatte.»
Wie sehr hat dieses frühe Break mit den zwei Smashes den weiteren Verlauf des Spiels beeinflusst?
«Es ist natürlich immer ein Problem, wenn du früh ein dummes Break bekommst. Aber es ist, wie es ist. Es war ja dann trotzdem gut von der Grundlinie, ich hatte das Gefühl, Tsitsipas weh tun zu können. Die Gefahr ist, dass du denkst, du müsstest noch mehr machen mit dem Angriffsball, dabei ist der Smash ja genau der Ball, den du bekommen wolltest. Im Rückstand kannst du halt nicht so befreit aufspielen wie wenn du führst oder wenigstens ausgeglichen dran bist. Aber ich hatte ja dann trotzdem meine Chancen.»
Denken Sie, dass 2020 nun das Jahr sein könnte, in dem die Jungen den Durchbruch auch bei den Grand-Slam-Turnieren schaffen?
«Ja, das ist nichts Neues, das ist jedes Jahr die Frage und ich glaube, ich beantworte sie immer gleich. Vielleicht ist die Chance nun grösser geworden, obwohl es so aussieht, dass Rafa (Nadal), Novak (Djokovic) und ich alle gesund sind. Anderseits werden wir nicht jünger und die Jungen werden besser. Sie müssen jetzt diesen nächsten Schritt noch machen. Dominic (Thiem) ist in der absoluten Blüte seiner Karriere. Also ja, ich denke, sie könnten es schaffen.»
Was müssen Sie machen, damit Sie auch nächstes Jahr wieder hier sein werden?
«Ich muss weiter auf dem Level spielen wie in diesem Jahr, dann komme ich zu meinen Chancen. Ich denke, ich spielte konstantes und solides Tennis. Ich muss auf meinen Körper hören, die Zeichen erkennen und mit meinem Team die richtige Balance zwischen der Arbeit und was sonst noch los ist in meinem Leben finden. In den Matches ist vielleicht nicht mehr so einfach wie vor 10, 15 Jahren, tagaus tagein sehr gut zu spielen. Die Dinge sind, wie vielleicht heute, etwas komplizierter. Ich muss es vielleicht noch besser schaffen, diese Momente richtig anzugehen. Es gab andere Momente wie in Indian Wells oder Wimbledon, wo ich auch meine Möglichkeiten hatte. So etwas kann der ganzen Saison eine Wende geben. Aber ich bin glücklich wie ich diese Saison gespielt habe und freue mich extrem auf die nächste.»
Wie fällt grundsätzlich Ihre Bilanz dieses Jahres aus? Was waren die Höhepunkte und was der Tiefpunkt?
«Ein Meilenstein war sicher der 100. Titel in Dubai, das war etwas sehr Spezielles für mich. Auch der zehnte Titel in Basel war emotional, wie auch der zehnte in Halle. Der Indian Wells-Miami-Swing war lässig, da habe ich sehr gutes Tennis gespielt. Wimbledon ist irgendwie das Highlight und die Enttäuschung des Jahres. Es war alles so nahe beisammen. Auch der Match gegen Rafa im Halbfinal war unglaublich. Hopman Cup und Laver Cup waren sehr speziell. Ich habe gerne zum dritten Mal mit Belinda (Bencic) zusammen gespielt und der Laver Cup zuhause in Genf war mir sehr wichtig. Ich hoffe, die Leute hatten Freude an diesem Event. Alle vier, die hier im Halbfinal stehen, waren auch da in unserer Mannschaft. Es gab also viele Highlights, es war ein schönes Jahr.»