Nachdem sich Heinz Günthardts Hoffnungen auf starke Federer-Auftritte in New York in Luft auflösen, schätzt der Tennis-Experte im Gespräch mit «blue Sport» die Chancen auf ein neuerliches Comeback auf der ATP-Tour ein.
Bereits die Absage für das Turnier in Cincinnati vor eineinhalb Wochen liess nichts Gutes erahnen. Seit Sonntagabend herrscht nun Gewissheit: Roger Federer plagt sich nach wie vor mit Knieproblemen herum, sodass eine dritte Operation für den Baselbieter unumgänglich ist. Der 40-Jährige wird lange ausfallen, statt nach New York an die US Open geht Federer nun wochenlang an Krücken. Die Zukunft auf dem Tennisplatz scheint ungewiss.
«Jammerschade, ich habe mich eigentlich auf seine Matches am US Open gefreut, ganz ehrlich», bedauert auch Experte Heinz Günthardt im Gespräch mit «blue Sport» die neuerliche Zwangspause für den 20-fachen Grand-Slam-Sieger. Denn: «Der Auftritt in Wimbledon – bis auf den letzten Match – fand ich sehr gut. Und bei den French Open sowieso. Ich habe natürlich gehofft, dass er physisch fitter sein wird als bei den letzten Turnieren. Aber genau das Gegenteil ist der Fall», so Günthardt.
Dennoch ist der langjährige Kommentator überzeugt, dass die Federer-Fans ihrem Helden irgendwann noch einmal zujubeln werden. «Mein Gefühl sagt mir, dass er noch einmal Tennis spielen wird vor vielen Zuschauern», sagt der 62-Jährige. Die Frage sei allerdings wo: «Ob das auf der Tour ist oder allenfalls beim Match for Africa oder einem Laver Cup – das ist noch einmal ein anderes Thema. Aber ich glaube, es ist realistisch, anzunehmen, dass er irgendwo einmal seine Tennisschuhe schnüren wird.»
Günthardt: «Die Leute erinnern sich zu stark an den letzten Satz in Wimbledon»
Weniger gross schätzt Günthardt dagegen die Chance ein, dass der Routinier noch einmal wirklich regelmässig auf der Tour spielen wird. «Klar ist: Wenn er das Comeback auf der Tour schaffen will, muss er fit sein. Selbst wenn man jung ist, tut einem nach einer langen Pause alles weh, wenn man wieder mit dem Training beginnt. Man muss über diese Hürde», erklärt Günthardt. Mit 40 Jahren auf dem Buckel und einigen Verletzungen zuletzt werde diese Hürde nur noch grösser. «Es wird sich zeigen, ob es Federer noch einmal wert ist, wenn der Tag kommt, an dem er mit dem Training beginnt.»
Für den Moment aber gebe es für Federer gar keine echte Alternative. «Die Entscheidung wurde ihm quasi abgenommen. Schwieriger wird es, wenn du am Morgen ins Badezimmer humpelst, weil dir vom Training alles wehtut. Dann fragt man sich: Muss das sein? Diese Zeit wird kommen – und nicht einfach werden.»
Sollte Federer die Motivation für einen harten Weg zurückfinden, sieht Günthardt nach wie vor viel Potenzial: «Die Leute erinnern sich zu stark an den letzten Satz in Wimbledon. Aber wenn man sonst anschaut, wie er gespielt hat, muss man sagen: Das war richtig gut.»