Für Tennisprofis an den US Open gilt keine Impfpflicht. Daran stören sich Fans und Spieler*innen. Nun verschaffen sich letztere Gehör.
Exakt 53'789 Fans marschierten am ersten Turniertag der US Open durch die Tore des Flushing-Meadows-Parks. Viele trugen eine Maske, vereinzelte nicht. Ausnahmslos alle Tennisfans mussten aber ein Zertifikat vorweisen, um sich ein Ticket zu kaufen. So wie es aktuell bei vielen Grossveranstaltungen bereits die Norm ist, nicht nur in den USA.
Etwas erstaunlicher ist es, dass für die Spieler*innen nicht dieselben Auflagen gelten. Im Gegensatz zu vielen anderen Sportarten wird im Tennis keine Covid-Impfung der Athleten vorausgesetzt. Als Folge davon sind auch nur rund die Hälfte der Profis gegen Corona geimpft.
Seitenhieb an die Elite
Aus Sicht der Zuschauer ist diese Regelung nicht nachvollziehbar. «Es ist eine bizarre Situation. Bei den Spielern handelt es sich um Vorbilder und man möchte, dass sich jeder impfen lässt. Sie könnten allen zeigen, dass man sich impfen lassen kann und es einem gut geht», sagt der 42-jährige Tennisfan Jeffrey Einhorn in einem TV-Interview mit «ESPN».
Wie er denken viele, auch viele Athlet*innen. Viktoria Azarenka meinte nach ihrem Erstrundensieg im Interview: «Wir wollen alle einfach sicher sein. Wir wollen unseren Job machen und ich weiss, dass es deshalb im Moment viele Diskussionen gibt.»
Azarenka zieht mit diesen Aussagen auch mehrere männliche Top-Spieler in die Verantwortung. Zuletzt haben sich sowohl Novak Djokovic wie auch Stefanos Tsitsipas, Daniil Medvedev und Alexander Zverev zurückhaltend über eine Impfung geäussert. Djokovic betont immer wieder, dass die Impfung ein persönlicher Entscheid bleiben sollte, Tsitsipas würde sich frühstens dann impfen, wenn die ATP entsprechende Weisungen bekannt gibt. In Cincinnati sagte der Grieche: «Ich sehe keinen Impfgrund für jemanden in meinem Alter. Es wurde noch nicht ausgiebig genug getestet und hat Nebenwirkungen, weshalb das jeder für sich entscheiden sollte.»
Es wird persönlich
Gefährlich ist die aktuelle Diskussion nicht nur, weil es die Spielerlager spaltet, sondern eine Dynamik annimmt, die weit darüber hinaus geht. So halten beispielsweise einige Fans plötzlich nicht mehr zu ihren Lieblingsspielern, weil sie sich an deren Einstellung zur Impfung stören.
Auch für Andy Murray herrscht deshalb akuter Handlungsbedarf. Der Brite gehört zu den Impfbefürwortern und appelierte schon vor den US Open an die Mitverantwortung seiner Konkurrenten: «Als Spieler, die um die halbe Welt reisen, haben wir eine umso grössere Verantwortung gegenüber unseren Mitmenschen.»
Wann reagieren die Organisationen?
Den Spielerorganisationen sind die Diskussionen nicht entgangen. Sie spüren den Druck, nicht zuletzt auch aufgrund der Vorgehensweisen anderer Verbände. Wo Impflicht gilt, beträgt die Rate der Geimpften meist über 90 Prozent. Trotzdem üben sich die ATP und auch die WTA in Zurückhaltung. Die Organisationen würden die Entscheide der Spieler respektieren, sie aber trotzdem dazu ermutigen, sich impfen zu lassen.
Durch und durch konsequent ist man dann aber trotzdem nicht. Für ungeimpfte Spieler gelten im Allgemeinen härtere Bestimmungen, wie etwa Gilles Simon feststellen musste. Er wurde vom Turnier ausgeschlossen, weil er Kontakt zu seinem Trainer hatte, der an Corona erkrankt war. Wäre er geimpft gewesen, hätte dieser Kontakt keine Disqualifikation zur Folge gehabt.
Die Diskussionen dürften sich noch über die US Open hinaus hinziehen. Aktuell scheint es nur eine Frage der Zeit, bis die ATP und die WTA eine Impfpflicht einführen. Stellt sich wohl bloss noch die Frage wie lange sich der Spielerrat dagegen ausspricht.