Interview Rosset: «Ohne Nadal hätte Federer in Paris schon sechsmal gewonnen»

Aus Paris: Michaël Bugnon

6.6.2019

Marc Rosset stand 1996 im French-Open-Halbfinal. Im Doppel holte sich der Genfer in Roland Garros 1992 seinen einzigen Grand-Slam-Titel.
Marc Rosset stand 1996 im French-Open-Halbfinal. Im Doppel holte sich der Genfer in Roland Garros 1992 seinen einzigen Grand-Slam-Titel.
Bild: Keystone

Die Halbfinals in Paris sind komplett. Mit Federer – Nadal und Djokovic – Thiem stehen bei den Männern Altbekannte unter den letzten Vier. «Bluewin» hat mit Marc Rosset über den bisherigen Turnierverlauf gesprochen.


Federer, Nadal, Djokovic, Thiem – erklären Sie uns die Dominanz dieser Spieler. Gerade auf der roten Asche erleben wir sehr selten Überraschungen.

Es ist tatsächlich so, dass wir immer wieder dieselbe Konstellation am Ende eines grossen Turniers haben – nicht nur auf Sand. Im Vergleich zum letzten Jahr ist nun hier in Paris neben Novak Djokovic, Rafael Nadal und Dominic Thiem mit Roger Federer zusätzlich einer dabei, der damals gar nicht spielte. Auf den anderen Unterlagen gibt es einfach mehr Spieler, die diese Hierarchie durcheinander bringen können. Anderson etwa auf Rasen. Oder Dimitrov und Raonic, um zwei weitere zu nennen. Aber auf Sand ist der spielerische Unterschied zwischen den Top-Favoriten und den «Normalbürgern» einfach grösser.

Wo ist denn die so hoch gerühmte nächste Generation?

Zverev schaffte es bis ins Viertelfinale, hatte gegen Djokovic dann aber nichts zu bestellen. Tsitsipas war gegen Wawrinka nahe dran. Der Turniermodus ist den Jungen eben auch nicht zuträglich. Die Topspieler werden quasi geschützt, sie treffen erst am Ende des Turniers aufeinander. Ich plädiere schon länger dafür, nur 16 statt 32 Spieler vor Turnierstart zu setzen. Als der junge Roger Federer 2003 in Wimbeldon erstmals gewinnen konnte, musste er zuvor nicht Spieler wie Becker, Sampras und Edberg schlagen. Fragen Sie mal Zverev, was er davon hält, wenn er in Roland Garros Federer, Nadal und Djokovic innerhalb von fünf Tagen schlagen müsste. Das ist unmöglich.

Haben Sie erwartet, dass Roger Federer auf dieser Unterlage so stark sein wird?

Roger Federer passt sich allen Unterlagen unglaublich schnell an. Also ja, ich habe damit gerechnet, dass er auch hier bereit sein wird. Man weiss schliesslich auch, dass er auf Sand überragend spielen kann. Würde es Rafael Nadal nicht geben, hätte er hier schon sechs Mal gewonnen. Hier hatte er in diesem Jahr aber einen relativ leichten Draw. Tatsächlich hatte er nur ein Spiel, wo er richtig gefordert wurde – gegen Stan Wawrinka.



Sie sprechen Stan Wawrinka an. Ihn so gut spielen zu sehen, hat sie bestimmt gefreut?

Selbstverständlich, aber es kam nicht überraschend für mich. Er hat mir schon in Madrid Freude bereitet und er hat in den letzten Monaten wichtige Punkte gesammelt, um in seinem Tableau-Viertel in Paris top-gesetzt zu sein. Da wusste ich, dass es hier gut kommen könnte für ihn. Nach zwei eher leichteren Runden wurde Stan richtig gefährlich. Er ist wie ein Diesel-Motor für mich. Das heisst, er ist an Grand-Slams gefährlicher als an den 1000er-Turnieren. Über fünf Sätze ist er nur sehr schwer zu schlagen. Das Puzzle bei Wawrinka setzt sich allmählich wieder zusammen, er wird sich in der Weltrangliste weiter verbessern und er wird wieder sehr gefährlich für seine Widersacher.

Ein kurzes Wort noch zu Henri Laaksonen. Er hat in Australien gut gespielt, dann im Davis Cup. Nun auch hier in Paris. Wie sehen Sie seine Entwicklung?

Ich hoffe, dass es weiter aufwärts geht bei Henri. Er trat zuvor einige Jahre an Ort und Stelle. Technisch sind die Spieler zwischen den Plätzen 60 und 100 der Weltrangliste nicht wirklich besser als Henri (Position 104, Anm. d. Red). Physisch ist Henri eine 'Atombombe'. Er schlägt und trifft die Bälle unglaublich hart. Er hat sicher das Potenzial, unter die Top 60 zu kommen. Oder sogar noch besser zu werden.



Muss man bezüglich des Abschneidens der Schweizerinnen von einer Enttäuschung sprechen?

Bei Belinda Bencic muss man sagen, dass ihr die Sandunterlage am wenigsten liegt. Ihr Zweitrundenspiel gegen Laura Siegmund, das unterbrochen werden musste und erst am nächsten Tag beendet werden konnte, hat sicher auch Nerven gekostet. In der darauf folgenden Partie gegen Donna Vekic hat sie nichts mehr gezeigt. Sie war da, ohne da zu sein. Für Timea Bacsinszky ist die Situation verzwickt. Sie ist weit zurückgefallen, dabei erinnern wir uns doch alle daran, als sie hier 2015 im Halbfinal stand. Und ja, bei den anderen Schweizerinnen muss man sagen, dass es kein gutes Turnier war.

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