Das Geneva Open hat mit Roger Federer erstmals die grösste Attraktion im Welttennis im Angebot – und keiner darf im Stadion zuschauen. Für den 20-fachen Grand-Slam-Champion geht es nach der langen Pause vor allem um Spielpraxis.
Mit Stan Wawrinka (2016 und 2017) oder Alexander Zverev (2019) erscheinen in der Siegerliste des vor sechs Jahren wieder belebten ATP-Turniers in Genf bereits hochkarätige Namen. In diesem Jahr ist aber der grösste von allen gemeldet: Roger Federer. Der 39-jährige Basler gibt sein mit Spannung erwartetes Comeback auf Sand.
Seine Rückkehr in Doha (auf Hartplatz) nach mehr als einem Jahr Pause verlief im März zwiespältig. Federer zeigte seine spielerische Klasse, im zweiten Spiel innerhalb von 24 Stunden dann aber auch, dass er physisch noch nicht wieder voll da war. Nun, nach weiteren zweieinhalb Monaten Aufbau, folgt in Genf der nächste Anlauf. Wenn er am Dienstag (18:00 Uhr) nach einem Freilos zu seiner Zweitrundenpartie antritt, wird es 711 Tage her sein seit dem letzten Ernstkampf auf Sand, im Halbfinal des French Open 2019 an einem windigen Tag in Paris gegen Rafael Nadal.
In erster Linie Matchpraxis
Die Erwartungen sind entsprechend nicht riesig, der erfolgreichste Tennisspieler der Geschichte ist beim 250er-Event nicht der Topfavorit. Zwar wird er diesmal zwischen dem ersten und einem allfälligen zweiten Spiel einen Tag Pause erhalten, danach würden Viertel- (Donnerstag), Halb- (Freitag) und Final (Sonntag) aber Schlag auf Schlag folgen. Federers Fokus liegt jedoch auf Wimbledon (28. Juni bis 11. Juli), Genf und eine Woche später Roland Garros dienen in erster Linie dazu, Matchpraxis zu sammeln.
Dennoch ist der Hype natürlich gross, mit einem ebenso grossen Wermutstropfen. In der wunderbaren Anlage im Parc des Eaux-Vives sind gemäss Corona-Regeln des Bundes nicht mehr als 100 Zuschauer pro Tag zugelassen. Tickets wurden keine verkauft, der privilegierte Zugang ist Sponsoren und Partnern vorbehalten. Federer hat schöne Erinnerungen an Genf, wo er unter anderem 2019 beim Laver Cup triumphierte und 2014 auf dem Weg zum Titelgewinn mit dem Schweizer Davis-Cup-Team den Viertelfinal (gegen Kasachstan) und den Halbfinal (gegen Italien) gewann, beide Male in der Palexpo-Halle. Auch beim damaligen Challenger-Turnier im TC Drizia Miremont war er in den Anfängen seiner Profikarriere schon im Einsatz, jedoch nie im Interclub gegen Eaux-Vives.
Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft
Neben der Gegenwart (und in absehbarer Zeit Vergangenheit) des Schweizer Tennis gibt es am linken Ufer des Genfersees nächste Woche auch dessen Zukunft sehen. Der erst 18-jährige Dominic Stricker, im letzten Jahr Juniorensieger am French Open und im März Sieger des Challenger-Turniers in Lugano, gibt dank einer Wildcard sein Debüt auf ATP-Stufe. Unter Umständen kommt mit einer weiteren Wildcard oder aus der am Samstag beginnenden Qualifikation ein weiterer Schweizer dazu. Der zweifache Sieger Stan Wawrinka dürfte nach seiner Fussverletzung Anfang Februar noch nicht bereit sein für einen Einsatz.
Die Besetzung darf sich aber auch so sehen lassen. Vor allem die junge Garde ist sehr gut vertreten. Hinter Federer wird der kanadische Linkshänder Denis Shapovalov (ATP 14), der Ende letzten Jahres erstmals den Top Ten angehörte, als Nummer 2 gesetzt sein. Der Norweger Casper Ruud (ATP 16) stand in den letzten drei Masters-1000-Turnieren auf Sand (Rom 2020, Monte Carlo und Madrid in diesem Jahr) jedes Mal im Halbfinal. Der Chilene Cristian Garin (ATP 22) gewann seit 2019 fünf ATP-Turniere auf Sand und der Australier Alex de Minaur (ATP 23) zeigte seine Stärke mit dem Finaleinzug an den Swiss Indoors 2019 in Basel, wo er Federer unterlag. Alle vier sind noch keine 25 Jahre alt.