Interview Tennis-Experte Stach über Federer: «Ich traue ihm in Wimbledon noch eine Menge zu»

pat

12.3.2021

Nach 13 Monaten ist Roger Federer in Doha auf die Tour zurückgekehrt. Nach seinem Sieg über Daniel Evans scheidet er bei seinem 2. Auftritt gegen Nikolos Basilashvili trotz Matchball aus. Tennis-Experte Matthias Stach ordnet die Leistung ein und verrät, was er Federer noch zutraut.

Matthias Stach ist Deutschlands bekanntester Tennis-Reporter, hat von mehr als 100 Grand-Slam-Turnieren berichtet und ist seit vielen Jahren unter anderem für «Eurosport» und «myTennis» vor und hinter der Kamera aktiv. Für «blue Sport» ordnet der Tennis-Guru Federers Leistung beim Comeback ein und sagt, was er dem 39-Jährigen in Zukunft noch zutraut.

«Ich war ehrlich gesagt positiv überrascht», so Stach. «Er hat gegen zwei wirklich gute Tennisspieler gespielt. Einmal zweieinhalb Stunden und dann nochmals über die längste Distanz (drei Sätze).» Überrascht deshalb, weil das nach so einer langen Pause nicht selbstverständlich sei. 

«Ihr Schweizer seid ein bisschen ungeduldig. Ich glaube zu hundert Prozent, dass er zufrieden war.»

Aber war Federer wirklich zufrieden mit seinem Comeback, oder hätte er sich insgeheim doch ein bisschen mehr erhofft? «Ihr Schweizer seid ein bisschen ungeduldig. Ich glaube zu hundert Prozent, dass er zufrieden war.» Man höre ja immer wieder von Tennisspielern oder auch Fussballern, die in der Corona-Zeit hart trainiert hatten und dann doch nicht richtig bereit waren für den Ernstkampf. Andrea Petkovic habe ihm erzählt, dass sie nach ihrer ersten Partie nach längerer Pause einen Hexenschuss und Muskelkater gehabt habe. Federer sei wohl selbst überrascht, wie gut er die Spiele überstanden habe, meint Stach deshalb.

Aber warum sind Ernstkämpfe so viel anstrengender als Trainingseinheiten oder auch Tennis-Matches im Training? Stach weiss: «Das sind zwei völlig unterschiedliche Dinge, das sagen alle Profisportler immer wieder.» Man könne fünf Stunden hart trainieren, doch das sei einfach nicht zu vergleichen. «Du hast nicht diese Anspannung, dieses Adrenalin. Du hast eben nicht dieses Matchszenario und das wirkt sich ganz anders auf die Muskulatur aus.»

«Sein Fokus liegt ganz klar auf der Rasensaison, Olympia und den US Open.»

Umso mehr stellt sich die Frage, ob es ein kluger Entscheid von Federer ist, das Turnier von kommender Woche in Dubai auszulassen, wenn er doch Spielpraxis nötig hätte. Das hange mit den Zielen Federers zusammen. «Sein Fokus liegt ganz klar auf der Rasensaison, Olympia und den US Open. Und da ist er, finde ich, voll in der Spur.» Aus seiner Sicht mache Federer deshalb alles richtig, wenn er nun einen sechswöchigen Konditions- und Fitnessblock einbaue.

Abgeschrieben hat er Federer noch lange nicht. Vor ein paar Jahren sei er in Deutschland schon einmal verlacht worden, als er Federer ein grosses Comeback inklusive Titelgewinne zugetraut habe. Ganz zu vergleichen sei die Situation zwar nicht, aber besonders auf Rasen sieht er Federers Chancen intakt: «Ich traue ihm in Wimbledon noch eine Menge zu.» Allerdings würden auf Rasen die Knie stark beansprucht, «weil es ein ganz anderes Tennis ist».

«Er ging ja immer sehr, sehr gut um mit seinem Körper, deswegen ist er ja ein Phänomen.»

Bei den anderen Grand-Slam-Turnieren könne er sich vorstellen, dass es bei «Best-of-Five»-Spielen schwierig werde. Denn das Alter gehe auch an Federer nicht spurlos vorbei. «Es spielt irgendwann mit, weil du nicht so schnell regenerierst. Das heisst, du brauchst einfach ungleich länger. Er ging ja immer sehr, sehr gut um mit seinem Körper, deswegen ist er ja ein Phänomen. Ich meine, wenn der die grossen Dinge spielt in der zweiten Jahreshälfte, dann ist der Herr 40 Jahre alt.» Da noch in der absoluten Topelite mitzuspielen, sei nicht ohne. Er traue das Federer zu, «aber nur bei diversen, dezidierten Turnieren». Über das ganze Jahr hinweg werde er wohl nicht mehr immer auf höchstem Level spielen können. Und deshalb interessiere Federer auch die Weltrangliste überhaupt nicht mehr.