Dominic Thiem schaffte dieses Jahr den Schritt nachg anz oben in die Weltspitze. Im Interview blickt er auf seine Erfolge zurück und kritisiert, das freundschaftliche Verhältnis zwischen den Topspielern sei manchmal nur ein grosses Schauspiel.
Der Niederösterreicher ist stolz auf seine «mit Abstand beste Saison», wie er im Interview mit «Weekend» sagt. Tatsächlich hat Thiem unter dem neuen Coach Nicolas Massu enorme Fortschritte gemacht, vor allem auf schnellen Belägen hält der Sandplatzspezialist neuerdings mehr als nur mit.
Der zweimalige French-Open-Finalist (2018/2019) gewann diese Saison wie Djokovic fünf Turniere (Wien, Peking, Kitzbühel, Barcelona, Indian Wells) – mehr als jeder andere. Und bei den ATP Finals bezwang der 26-Jährige Djokovic – die ATP kürte die Vorrundenpartie gegen den Serben zum besten Spiel der Saison – sowie Federer, und stürmte mit seinem druckvollen Spiel bis ins Endspiel, ehe er dort von Tsitsipas gestoppt wurde.
Trotzdem besteht noch Luft nach oben. «Es gab noch einige Leerläufe bei den Grand Slams», meint die aktuelle Weltnummer 4. Zweimal fing Thiem sich im dümmsten Moment eine Erkältung ein, sonst wäre für ihn wohl auch in Australien und am US Open mehr möglich gewesen. Nur auf Rasen – in Wimbledon flog er in der Startrunde raus – ist sein Spiel nicht so wirkungsvoll.
Roland Garros nicht als Hauptziel
Ein Triumph in Paris wäre aber nicht zwingend sein Lieblingsszenario, so Thiem, auch wenn dort seine Chancen wohl am grössten seien. «Jedes der vier Grand Slams ist so speziell und hat besondere Eigenheiten», meint er.
Noch haben die «Big 3» das Sagen bei den Majors. Für Thiem sind Roger Federer, Rafael Nadal und Novak Djokovic einfach «die drei besten Spieler aller Zeiten.» Sie würden bei so gut wie keinem Turnier Schwächen zeigen und hätten eine unfassbare Konstanz.
Für die Wachablösung sieht der Freund der französischen Tennisspielerin Kristina Mladenovic vor allem in Danil Medwedew grosse Konkurrenz. «Er wird sich ganz lange in den oberen Rängen festsetzen.» Weiter traut er Zverev viel zu: «Er ist ein unglaublicher Spieler.» Und natürlich dürfe man auch von Tsitsipas, Shapovalov und Auger-Aliassime einiges erwarten, so Thiem.
Die Kritik vom «Killer»
Thiem beeindruckte die Gegner auch mit seiner Nervenstärke und konnte so häufig Fünfsätzer für sich entscheiden. 50 Prozent sei dabei mental, 50 Prozent sei physisch erläutert er. Er spiele mit hoher Intensität, so dass der Gegner manchmal nachlasse.
Seine Hauptmotivation ist schlicht «das Gewinnen». Er erklärt: »Dieses Eins-gegen-Eins, dieses Brutale, wer der Bessere ist, finde ich extrem cool. Das eine Match an dem einen Tag gegen den einen Gegner zu gewinnen, darum geht es.»
«Auf dem Platz bin ich ein Killer», meint er selbstbewusst. Daneben tritt der sympathische Österreicher, welcher die 20-Millionen-Preisgeldgrenze knackte – aber stets bescheiden auf. Trotzdem kritisiert er seine Berufs-Kollegen für das vorgetäuschte freundschaftliche Verhältnis untereinander, welches man manchmal zu sehen bekäme. Vieles davon sei «Schauspielerei.» Thiem ist sich sicher: «Wenn sich zwei am Netz nach einer Fünfsatzpartie umarmen, denkt sich einer: 'Scheisse!'»