Jahrzehntelang geht es gut. Ebenso gut könnten Schlussgänge an Eidgenössischen in Konfusion und Enttäuschung enden. Heute kann es weniger oft passieren. Der ESV sorgt mit einer Regelanpassung vor.
Die Kampfrichter vergeben die Noten nach klaren Kriterien: Für einen Plattwurf gibt es 10,00, für einen Sieg mit Zusatzarbeit am Boden 9,75 Punkte. So klar das ist, so gefährlich war es jahrzehntelang für den Ausgang der Eidgenössischen Feste. Denn der Festsieger ist nicht automatisch Schwingerkönig. Es braucht hierfür einen Entscheid des Einteilungskampfgerichts und des ESV-Vorstands. Gewinnt ein Schwinger, der schon in Führung lag, den Schlussgang, ist der Entscheid eine reine Formsache. Aber noch in Burgdorf 2013 hätte es auch ganz anders herauskommen können.
Der folgende Fall hat sich in Wirklichkeit nie ereignet, aber er wäre an jedem Eidgenössischen Fest ohne weiteres möglich gewesen. Die Schwinger A, B und C sind nach dem 7. Gang punktgleich an der Spitze. Alle haben, sagen wir, 68,50 Punkte. Das Einteilungskampfgericht begutachtet die Qualität der Notenblätter und entscheidet, dass A und B in den Schlussgang kommen. C muss also über die Klinge springen. Deutlich vor dem Schlussgang, wenn viele Zuschauer sich noch mit einer Cervelat stärken, gewinnt C seinen 8. Gang gegen einen auf dem Papier schwächeren Gegner mit der Maximalnote 10,00. Er schliesst mit 78,50 Punkten ab.
Später laufen A und B mit Pauken und Trompeten für den Schlussgang auf Platz 7 ein. Es ist ein zäher Gang, aber schliesslich gewinnt A, indem er B am Boden überdreht. Logische Note: 9,75. A hat den Schlussgang gewonnen, aber er kann unmöglich der Schwingerkönig sein. Denn sein Total ist 78,25 Punkte, er ist also nicht einmal der Festsieger. Der Festsieger wiederum ist C mit seinen 78,50. Aber kann C der Schwingerkönig sein, wenn er nicht im Schlussgang war? Undenkbar. Um die Stimmung in der Arena wäre es sofort geschehen. Die Schwingerschweiz würde drei Jahre lang nicht regiert.
Estavayer 2016 war das erste Eidgenössische, an dem diese Peinlichkeit nicht mehr passieren konnte. Denn seither erhält der Sieger eines Schlussgangs immer die Maximalnote, selbst wenn er den Gegner mühselig am Boden bearbeiten musste. Dadurch ist der Sieger eines Schlussgangs am Eidgenössischen automatisch der Schwingerkönig. Er ist der (im Beispiel ex-aequo mit C) der Punkthöchste – und eben der Sieger des Schlussgangs. Mehr benötigen die Entscheidungsträger nicht, um den Königstitel subito zu vergeben und die Arena feiern zu lassen. Anders gesagt: Es war immer fahrlässig, dem Schlussgang-Sieger nicht automatisch die 10,00 zuzuerkennen. Es war Russisch Roulette. Es ist immer gut gegangen.
In Estavayer fehlte wenig
Trotz der Begradigung in der Notenvergabe im Schlussgang wird ein unpopulärer Ausgang eines Eidgenössische auf andere Weise auch in Zug nicht auszuschliessen sein. Zuletzt in Estavayer fehlte wenig dazu. Als Matthias Glarner seinen Schlussgang-Gegner Armon Orlik auf den Rücken beförderte, wären nur noch anderthalb Minuten zu schwingen gewesen. Was wäre bei einem Gestellten passiert? Samuel Giger hätte Glarner und Orlik überholt und wäre mit der höchsten Punktzahl der Festsieger geworden. Er hätte den Festsieg geerbt, wie man dazu sagt. Aber den Königstitel hätte der damals 18-jährige Thurgauer sehr wahrscheinlich nicht bekommen.
2001 in Nyon stellten die Klubkameraden Arnold Forrer und Jörg Abderhalden im Schlussgang. Forrer behielt einen Viertelpunkt Vorsprung auf Abderhalden und war der Festsieger. Aber würde er auch den Königstitel bekommen, da er den Schlussgang ja nicht gewonnen hatte? Es dauerte eine geschlagene Viertelstunde, bis über Lautsprecher der Entscheid verkündet wurde: Ja, Forrer ist Schwingerkönig. Der Applaus in der Arena war verhalten, die Stimmung war längst abgeflaut.
SDA