Hirschi, Mäder und Co. Die Tour de Suisse lebt auch von den Schweizern

sda

11.6.2023 - 05:01

Die 86. Tour de Suisse bietet zahlreichen einheimischen Fahrern die Möglichkeit zu glänzen. Die Chancen auf einen Schweizer Gesamtsieger scheinen intakt. Allerdings muss dafür viel zusammenpassen.

Keystone-SDA, sda

90 Jahre nach der Gründung der Tour de Suisse wäre es wieder an der Zeit für einen Schweizer Gesamtsieger. Bereits 14 Jahre sind vergangen, seit Fabian Cancellara als letzter helvetischer Fahrer die Landesrundfahrt gewonnen hat. Wie in diesem Jahr beinhaltete die Tour de Suisse auch damals am Anfang und am Schluss eine Prüfung gegen die Uhr.

Cancellara musste das Maillot jaune zwei Tage nach dem gewonnenen Prolog wieder abgeben, holte es sich aber am letzten Tag mit einem überlegenen Zeitfahr-Sieg in seiner engeren Heimat Bern zurück. Heute managt der zweifache Zeitfahr-Olympiasieger das Schweizer Tudor-Team, das heuer zum ersten Mal an der Tour de Suisse teilnimmt.

Ein Fall für die Thurgauer Stefans

Die Hoffnungen sind berechtigt, dass nach dem Auftaktzeitfahren in Einsiedeln auch in diesem Jahr ein Schweizer das gelbe Leadertrikot trägt. Mit Stefan Küng und Stefan Bissegger verfügt die Schweiz derzeit über zwei Fahrer von Weltklasse-Format in diese Disziplin. Bissegger wurde im letzten Jahr vor Küng Europameister, Küng seinerseits verpasste auch an der WM als Zweiter Gold nur knapp.

Dass einer der beiden Thurgauer im Erfolgsfall in Einsiedeln auch bis zum Schluss um den Gesamtsieg mitfahren kann, ist nicht zu erwarten. Auch wenn Küng vor Jahresfrist mit dem 5. Gesamtrang ein ausgezeichnetes Resultat gelang, ist nicht davon auszugehen, dass er am Berg mit den Besten mithalten kann – auch wenn er in jüngster Vergangenheit im steilen Gelände stark zugelegt hat.

Mäder bringt viel mit

Von den voraussichtlich 13 am Start stehenden Schweizer Fahrern scheinen am ehesten Gino Mäder und Marc Hirschi für den Gesamtsieg infrage zu kommen. Mäder liess schon mehrmals an grossen Rundfahrten sein enormes Potenzial aufblitzen. Nach seinem Etappensieg am Giro 2021 beendete er die Vuelta im selben Jahr als starker Fünfter. An der Tour de Romandie schaffte es der in Zürich wohnende Profi des Teams Bahrain-Victorious im letzten Jahr als Gesamtzweiter auf das Podest.

Auch an der Tour de Suisse konnte Mäder, der als starker Kletterer gilt, vor zwei Jahren schon brillieren. Zwar nicht wie angestrebt in der Gesamtwertung, dafür aber am Schlusswochenende mit Platz 3 im Zeitfahren und dem Sieg in der Königsetappe nach Andermatt. Im letzten Jahr war er als einer der Favoriten angetreten, musste die Rundfahrt vor dem Start zur 5. Etappe jedoch wegen Magen-Darm-Problemen aufgeben.

Auch in dieser Saison wurde Mäder von der Gesundheit ausgebremst. Er musste wegen einer Corona-Infektion kurzfristig seine Giro-Teilnahme absagen. Dabei hatte für ihn das Jahr mit dem 5. Rang in der Fernfahrt Paris – Nizza vielversprechend begonnen.

Hirschi nach Armbruch im Aufwind

Das kann Marc Hirschi nicht von sich behaupten. Kaum war die Saison angelaufen, musste der wie Cancellara aus Ittigen stammende Berner eine Zwangspause einlegen. Er hatte sich bei einem Massensturz in der 1. Etappe der Algarve-Rundfahrt den Unterarmknochen gebrochen.

Doch Hirschi kehrte Ende März früher als erwartet auf die Rennstrecken zurück. Ähnlich wie der Zürcher Mauro Schmid konnte er in den letzten Wochen bei kleineren Rennen auftrumpfen, zum Beispiel als Sieger der Ungarn-Rundfahrt. Den Beweis, dass er auch an bedeutenderen Rundfahrten über längere Zeit ganz vorne mithalten kann, ist der ehemalige U23-Welt- und -Europameister allerdings noch schuldig geblieben.

An seine starken Leistungen im Jahr 2020 mit einem Etappenerfolg an der Tour de France, dem Sieg bei der Flèche Wallone und WM-Bronze im Strassenrennen konnte Hirschi auch wegen seiner Hüftbeschwerden nie mehr anknüpfen.

Fragezeichen bei den Stars

Wie erfolgreich sich die Schweizer auf den einheimischen Strassen präsentieren werden, wird nicht nur von ihrer eigenen Form abhängen, sondern auch von der der Konkurrenz. Gerade bei den grossen Namen gibt es einige Fragezeichen. Wie fit ist Weltmeister und Vuelta-Sieger Remco Evenepoel einen Monat nach seiner Aufgabe als Leader im Giro nach einer Corona-Erkrankung? Wie sehr will oder darf sich Alleskönner Wout van Aert unmittelbar vor dem Saison-Höhepunkt Tour de France verausgaben?

Nicht ausgeschlossen ist, dass am Ende die Stunde eines Aussenseiters schlägt. Der Aufgalopp am Sonntag in Einsiedeln mit dem Zeitfahren über knapp 13 km wird einen ersten Anhaltspunkt liefern.