Die Ruhe selbstFeuz: «Kein Problem, als Favorit angesehen zu werden»
SDA
10.2.2018 - 16:01
Der Weltmeister will auch Olympiasieger werden. Beat Feuz gehört in der Abfahrt am Sonntag zu den meistgenannten Anwärtern auf Gold.
Wie reagiert ein Fahrer, wenn er als Favorit zu einem Rennen, einem olympischen Rennen startet? Er wird nervös - oder er nimmt das Ganze gelassen. Wie Beat Feuz. Der Emmentaler lässt sich nichts anmerken. In den Momenten des erhöhten Pulsschlags ist er die Ruhe selbst. Er wirkt entspannt. Von aussen herangetragener Druck perlt an ihm ab.
Alles scheint seinen gewohnten, aus dem Weltcup bekannten Gang zu nehmen. «Es dauert noch ein wenig bis zum Rennen», sagte Feuz nach dem zweiten Training am Freitag. «Schon drei Tage zuvor zu 'hypern', bringt niemandem etwas. Mir schon gar nicht. Es reicht, wenn ich am Sonntag etwas nervös bin.»
Bekannte Situation
Feuz, der am Sonntag 31 Jahre alt wird, akzeptiert die Favoritenrolle. Er kennt die Situation. Er hat das schon mehrfach erlebt - am ausgeprägtesten vor einem Jahr an den Weltmeisterschaften in St. Moritz. Im Engadin hatte die gesamte Ski-Nation Schweiz nichts weiter als Gold von ihm erhofft. Feuz bestand die Prüfung mit Bravour. Er vermochte sich aufs Wesentliche zu fokussieren, obwohl er sich der immensen Erwartungshaltung bewusst war. «Für mich ist es das kleinste Problem, als Favorit angesehen zu werden.»
Der Status des Favoriten ist die logische Konsequenz eines Winters mit Top-Ergebnissen am Fliessband, die Gelassenheit auch eine Folge von drei Siegen und zwei 2. Rängen in den sieben bisherigen Abfahrten. Die beste Vorbereitungsphase seit sechs Jahren trägt in hohem Mass Früchte. Die Gewissheit, in absoluter Topverfassung nach Südkorea gereist zu sein, beruhigt zusätzlich.
Für viele vieles möglich
Für sich alleine will Feuz die Rolle des Anwärters auf die Goldmedaille aber nicht beanspruchen. «Es gibt viele andere Fahrer, die hier schnell sein können.» Der weit gezogene Favoritenkreis ist dem Schwierigkeitsgrad der Piste geschuldet. «Es gibt keine Passagen wie etwa in Wengen oder Kitzbühel, in denen es Überwindung braucht. Deshalb ist für viele vieles möglich.»
«Viel möglich» kann unter Umständen auch für Mauro Caviezel und Gilles Roulin sein. Der Bündner und der Zürcher sicherten sich das Startrecht in der internen Ausscheidung nach dem zweiten Training. Den vierten Schweizer Teilnehmer machten Carlo Janka, Marc Gisin und Patrick Küng bei der dritten Probefahrt unter sich aus - falls sie stattfinden konnte. Die Wetterprognosen verhiessen für den Samstag nichts Gutes.
Mit seiner Einschätzung macht Feuz den sogenannten Aussenseitern Mut, jener Gruppierung unter den Fahrern, die in der Lage sind, im entscheidenden Moment über sich hinauszuwachsen, wenn sich die Möglichkeit bietet - bevorzugt etwa durch sich verändernde äussere Bedingungen. Im Gebiet von Jeongseon sind kurzfristig wechselnde Wind- und Sichtverhältnisse keine Seltenheit.
Kein Favoritensieg seit 30 Jahren
Zusätzlich nährt die Statistik die Hoffnung der «Schattenmänner». Pirmin Zurbriggen war vor 30 Jahren bei den Spielen in Calgary der Letzte, der als Höchstgehandelter Abfahrts-Olympiasieger wurde. Die Liste der unerwarteten Goldmedaillengewinner reicht vom Österreicher Patrick Ortlieb im Jahr 1992 in Albertville bis hin zu dessen Landsmann Matthias Mayer vor vier Jahren in Sotschi. Didier Défago hatte 2010 in Whistler in Kanada alle überrascht.
Gegen einen Sieg eines Aussenseiters spricht die Breite im Zirkel der Spitzenfahrer, zu dem neben Feuz die Norweger Aksel Lund Svindal und Kjetil Jansrud, der Gewinner der Hauptprobe vor zwei Jahren, die Österreicher Hannes Reichelt und Matthias Mayer, der als Erster zweimal olympisches Abfahrtsgold gewinnen kann, die Italiener Dominik Paris und Christof Innerhofer und nunmehr auch der Deutsche Thomas Dressen nach seinem Coup in Kitzbühel gehören.
Ob Favorit oder Aussenseiter: Siegen wird jener Fahrer, der die Gegebenheiten der Strecke in Jeongseon - gleichbleibende Bedingungen vorausgesetzt - am besten zu adaptieren versteht. Auf dem kurvenreichen Parcours ist die «feine Klinge» gefragt. Einer bringt dank ausgeprägtem Fahrgefühl beste Voraussetzungen dafür mit: Beat Feuz.