Rein sportlich betrachtet war die Leichtathletik-WM in Doha aus Schweizer Sicht ein Erfolg. Doch es bleibt ein fahler Beigeschmack, wie ein Beitrag von «10vor10» zeigt.
Mujinga Kambundji holt sensationell WM-Bronze über 200 Meter und lässt die Schweizer Fans – mehrheitlich in der Heimat vor dem Fernseher versammelt – jubeln. Vor Ort interessiert das kaum jemanden, denn die Stadien sind meist halbleer, Stimmung kommt kaum auf. Die gigantischen Lichtshows ändern daran nichts.
Nur beim Hochsprung-Wettbewerb ist die Arena gut gefüllt: Es werden sogar Planen entfernt, die sonst einen Grossteil der Zuschauerplätze abdecken, berichtet «10vor10» am Montag.
Die zahlreich erschienenen Fans werden für ihr Kommen belohnt: Lokalmatador Mutaz Essa Barshim überquert als einziger Athlet die Höhe von 2,37 Metern und sichert sich Gold – keiner springt in diesem Jahr höher als der Katari. Das Stadion bebt, so wie man sich das an einer Weltmeisterschaft gewohnt ist. Doch der Schein trügt.
Im Stadion sitzen nur wenige sportbegeisterte Fans. Vielmehr jubeln Barshim Gastarbeiter aus Indien und Bangladesch zu, die die Veranstalter zum Fan-Sein gezwungen haben, wie «10vor10» mit Verweis auf «ZDF»-Recherchen berichtet. Junge Männer erzählen, wie sie gezwungen wurden, sieben Stunden auf ihren Plätzen auszuharren. Dies, nachdem sie bereits den ganzen Tag auf den «Glutofen»-Baustellen geschuftet hatten.
Nach dem Wettkampf werden die bemitleidenswerten Billigarbeiter wieder in Busse verfrachtet und zurück in die Wüste chauffiert. Laut Recherchen von «ZDF» arbeiten sie für 250 Euro im Monat und müssen die Pässe an ihre Arbeitgeber abgeben.
Und wenn sich schon die Leichtathleten über die Unterkünfte beschweren, dann kann man sich vorstellen, in welch heruntergekommenen Bruchbuden die Gastarbeiter untergebracht werden. Sie, die auch in der grössten Mittagshitze arbeiten, um die gigantischen Stadien für die Fussball-WM zu errichten. Denn die Leichtathletik-WM ist vorbei, aber der Wüstenstaat Katar bleibt der Sportwelt erhalten – leider.
Erhalten bleiben dem Sport auch jene Leute, die diesen Wahnsinn erst möglich machen. Schuld daran sind im Endeffekt ja nicht die Kataris, sondern Funktionäre, die bei der Vergabe von Grossanlässen dem Lockruf des Geldes nicht widerstehen. Dass die Interessen der Athleten und Fans dabei auf der Strecke bleiben – und Arbeiter auf den Baustellen wie Sklaven gehalten werden – vergessen die Funktionäre mit den Dollarnoten vor Augen nur all zu schnell. Oder es ist ihnen schlichtweg egal.