Keine Frage: Die Entscheidung, nicht länger mit der Verschiebung der Olympischen Sommerspiele zuzuwarten, ist folgerichtig. Damit wird für den Sport aus dem vermeintlichen Super-Jahr definitiv der Super-Gau.
Fussball-EM, Hockey-WM, Champions League, French Open, NBA, NHL, Giro d'Italia, Skisport, Handball, Formel 1 … die Liste abgesagter und verschobener Sport-Events ist endlos – und jetzt kommen auch noch die Spiele von Tokio dazu. Den Sportfans bleibt mit der beschlossenen Verschiebung von Olympia um voraussichtlich ein Jahr absolut rein gar nichts mehr, worauf sie sich kurz- bis mittelfristig freuen können. Bis auf Weiteres geht nichts mehr.
Gewiss mag der Sport aktuell gerade nicht die schönste und für einige auch wichtigste Nebensache der Welt sein, gleichwohl sind die unzähligen Absagen, die jüngst wie aus einer Schnellschusswaffe abgefeuert zu kommen schienen, schwer zu verdauen. In erster Linie für die Sportler selbst, aber auch für die Vereine, Verbände und alle Industriezweige, die vom Spitzensport abhängig sind. Allein die Kosten für eine Olympia-Verschiebung gehen in die Milliarden, sind aber in Anbetracht der generellen weltweiten Notlage natürlich im Moment irrelevant. Nicht zuletzt werden die nächsten Monate auch für jene hart, denen der Sportkonsum im Alltag Abwechslung, Emotionen und Freude bot. Es sind fürwahr ganz bittere Zeiten.
Auch für die Sportler heisst es jetzt: runterfahren
Für viele bereits qualifizierte Olympionikinnen und Olympioniken und solche, die sich irgendwie noch hätten qualifizieren sollen, geht nun eine Hängepartie und eine Zeit der Ungewissheit zu Ende. Nicht wenige werden nach dem heutigen IOC-Entscheid zumindest kurzzeitig eine innere Leere verspüren. Schliesslich waren sie doch in den letzten Wochen allesamt darum bemüht, ihren Rhythmus und die Routinen beizubehalten. Was blieb ihnen auch anderes übrig? Das Training zu reduzieren oder gar abzubrechen, darf im Kopf eines Spitzensportlers nie eine Rolle spielen, solange Entscheide nicht von anderen gefällt werden, die man selbst nicht beeinflussen kann. Es sind Wille, Hingabe und Fleiss, welche die DNA der Top-Athleten ausmachen, auch wenn die Welt gerade aus den Fugen gerät. Niemals sonst hätten sie es so weit gebracht.
Nun wurde also auch den letzten von ihnen der Stecker gezogen. Jetzt heisst es: runterfahren, körperlich und im Kopf Distanz nehmen und sich nach einer Ruhepause neu zu organisieren. Es werden in den Zimmern daheim bestimmt auch schmerzvolle Entscheidungen gefällt, von denen wir in den nächsten Wochen noch hören werden. Einige Karrieren dürften nun vielleicht früher beendet werden als vorgesehen. Andere Sportler werden in einem Jahr nicht nochmals die Chance erhalten, bei Olympia teilzunehmen. Das ist brutal.
Dagegen werden wiederum andere, die heute nicht auf Olympia-Kurs waren, in einem Jahr dabei sein. Und dann wieder für Emotionen und Erfolge sorgen. Irgendwann wird es weitergehen. Weitergehen müssen. Zunächst müssen wir aber auf unbestimmte Zeit ohne Sport klarkommen.
Nichts geht mehr im Sport – Überblick
- OLYMPIA: Die 32. Sommerspiele werden auf das nächste Jahr verlegt.
- FUSSBALL-EM: Das paneuropäische Turnier soll nun vom 11. Juni bis 11. Juli 2021 ausgetragen werden.
- FUSSBALL-EUROPAPOKAL: Die UEFA hat noch nicht entschieden, ob und in welcher Form der Wettbewerb fortgeführt wird.
- FUSSBALL: Erst einmal ruht der Ball – je nach Land bis mindestens Ende April.
- FORMEL 1: Bis einschliesslich 7. Juni (Grand Prix in Aserbaidschan) sind alle Rennen gestrichen.
- EISHOCKEY-WM: Die WM in der Schweiz wurde ersatzlos gestrichen.
- US-PROFILIGEN: Alle grossen Ligen haben den Spielbetrieb vorerst eingestellt. Wann es weitergeht, ist offen.
- FRENCH OPEN: Das zweite Grand-Slam-Turnier des Jahres soll nun vom 20. September bis 4. Oktober ausgetragen werden.
- GIRO D'ITALIA: Die zweitgrösste Rundfahrt der Welt ist wie alle Frühjahrsklassiker abgesagt werden. Ob die Rennen nachgeholt werden, ist noch offen.