Sebastian Stalder Der Wilhelm Tell des Biathlons ist mit eigenem Gewehrschaft Weltklasse

hle, sda

27.11.2023 - 18:01

Sebastian Stalder trifft mit dem Gewehr, dessen Schaft im Eigenbau entstand
Sebastian Stalder trifft mit dem Gewehr, dessen Schaft im Eigenbau entstand
Keystone

Sebastian Stalder setzt zum Weltcupauftakt der Nordisch- und Biathlon-Fraktion das Glanzlicht aus Schweizer Sicht. Platz 5 im Einzel von Östersund gelingt auch dank dem Gewehrschaft Marke Eigenbau.

hle, sda

Man stelle sich vor, Marco Odermatt würde seine Skis selber fabrizieren, Mujinga Kambundji an ihren Sprint-Schuhen herumbasteln oder Sebastian Stalder sein Gewehr selber bauen. Eigentlich undenkbar. Aber der Biathlet gehört zu jener seltenen Sorte, die dies trotzdem tut. So wie es Simon Ammann mit dem gekrümmten Bindungsstab vorgemacht hat und mit dem Karbon-Schuh immer noch vorlebt, tüftelt auch Stalder an seinem Gewehr herum. «Das lüftet den Kopf», sagt der Zürcher Oberländer.

In der grünlich glänzenden Waffe steckt viel Familienarbeit. Vor Jahren begannen Sebastian und sein Vater Rolf Stalder, ein gelernter Zimmermann, an einem eigenen Gewehrschaft zu pröbeln. Dazu wurden verschiedene Materialien verwendet, unter anderem Holz, Karbon und Aluminium. So wurde der Schaft stabil, wie auch leicht.

Beim Ladesystem gelang den beiden in Sachen Erfindergeist und Kreativität ein Coup. Die Magazine sind im Schaft eingelassen und rutschen beim Magazinwechsel nach. Dies ermöglicht es dem Schützen, die Schiessstandzeit um ein paar Sekunden zu verbessern.

Trefferquote von über 90 Prozent

Im Schiessen ist Stalder schlicht Weltklasse. Die Trefferquote von über 90 Prozent gehört zur Höchsten im Biathlon. Auch Teamkollege Niklas Hartweg kommt nicht ganz an diesen Wert heran. Der 25-jährige Stalder schiesst so gut und präzise, dass die Stadion-Speaker im Ausland ab und an den Vergleich des treffsicheren Schweizers mit dem eidgenössischen Nationalhelden gerne aufnehmen und vom «Wilhelm Tell des Biathlons» sprechen.

Sebastian Stalder, der «Wilhelm Tell des Biathlons».
Sebastian Stalder, der «Wilhelm Tell des Biathlons».
Keystone

Der Vergleich ist gar nicht so abwegig. Stalder erlernte als Jugendlicher die Grundlagen des Schiessens im Armbrustschützenverein Ried-Gibswil: Wie man abzieht oder wie man dem Schuss nachsieht.

Platz 5 bestätigt

Nun startete Stalder in Östersund mit einem starken fünften Rang im Einzel in die Weltcup-Saison und egalisierte sein Karriere-Bestresultat. Auch dieses hatte er im vergangenen März im schwedischen Biathlon-Mekka aufgestellt – damals im Massenstart. Der Schweizer griff sogar nach dem Sieg, ehe er sich im letzten Stehendschiessen den ersten Fehler des Wochenendes leistete.

Mit 29 von 30 möglichen Treffern untermauerte er in den ersten beiden Rennen der neuen Saison die enorme Stärke beim Schiessen. «Ich fühle mich am Schiessstand sehr gut, sehr stabil», sagt der treffsichere und schnelle Schütze. Das gibt ihm auch einen psychologischen Vorteil, der insbesondere im Kampf Mann gegen Mann zum Tragen kommen wird. Erfahrungsgemäss lässt sich der Gegner vom Schiesstempo seines Nachbarn mitreissen. Je schneller Stalder den ersten Schuss geben kann, desto mehr fühlt sich der Konkurrent unter Druck gesetzt.

Stalder ist ständig am Tüfteln. Am Gewehr hat er auf diese Saison hin kaum etwas geändert – die Waffe funktioniert ja perfekt. Aber nach intensivem Videostudium fand er heraus, dass er die Waffe für den Stehend-Anschlag besser auf die andere Seite abschwingen sollte, was er nun auch umgesetzt hat.

Laufstärker geworden

Nur übers Schiessen gewinnen auch die Treffsichersten im Biathlon nicht mehr. Deshalb setzte der Zürcher im Sommertraining intensiv auf den Langlauf und ist nun mit wesentlich mehr Schneekilometern in den Winter gestartet als früher. Das Ergebnis darf sich sehen lassen: In der reinen Laufzeit rangierte Stalder am Sonntag auf Position 22 unter 103 Athleten – solche Werte erreichte er in der vergangenen Saison selten.