Zurück zu den Wurzeln Warum «World of Warcraft» die Spielewelt wieder im Griff hat

Von Martin Abgottspon

28.8.2019

«WoW Classic» ist seit Dienstag spielbar. 
«WoW Classic» ist seit Dienstag spielbar. 
Bild: Blizzard Entertainment

Jahr für Jahr verlor der einstige Spiele-Gigant «World of Warcraft» Spieler. Mit «WoW Classic» beginnt das Abenteuer nun wieder ganz von vorne und die Spielewelt steht Kopf. Die Schweiz bildet keine Ausnahme, wie ein Besuch in einer eSports-Bar zeigt.

Am Dienstagabend spielen einige Besucher in der eSports-Bar eParadise in Zürich schon seit 18 Stunden – durchgehend. Viele von ihnen sind seit über 30 Stunden wach. Klar, dass ihnen die Müdigkeit anzusehen ist. Doch die kleinen Adrenalinschübe und ausgeschütteten Glückshormone, die «WoW Classic» hervorruft, lassen sie weitermachen.



Fast 15 Jahre sind mittlerweile seit der Veröffentlichung von «World of Warcraft» vergangen. Das Online-Rollenspiel begründete damals nicht nur ein neues Genre, sondern etablierte sich als fixe Grösse im Spielemarkt. Ein Spiel, für das Millionen von Spielern weltweit sogar bereit waren, ein Abo abzuschliessen.

Zurück zu alten Wurzeln

Während der Überflieger Blizzards Kassen füllte, mehrte sich aber auch die Kritik am Spiel. Vor allem die Suchtgefahr von «World of Warcraft» wurde in der Öffentlichkeit immer wieder thematisiert. Diese liess sich auch nur schwer leugnen. Gewisse Spieler tauchten komplett in die digitale Welt von Azeroth ab. Wer zu den Besten gehören wollte, musste viel Zeit investieren.



Die meisten Spieler aber hatten mit «World of Warcraft» einfach eine gute Zeit. Sie lernten neue Freunde kennen, kämpften Seite an Seite als Krieger, Magier und Schurken gegen die Bösewichte aus dem «Warcraft»-Universum. Viele blieben dem Spiel jahrelang treu, doch irgendwann verloren immer mehr den Spass daran. Zwar hat Blizzard bis heute immer wieder neue Inhalte und Welten ins Spiel integriert, die Routiniers bemängelten aber zunehmend die Vereinfachung und Ausrichtung auf den Mainstream.

Als Reaktion wurde diese Woche «WoW Classic» lanciert, also «World of Warcraft» in seiner ursprünglichen Form – eine Zeitreise zurück ins Jahr 2004. Und die Resonanz ist immens. Auf der Streaming-Plattform Twitch purzelten die Zuschauer-Rekorde, während Blizzard alle Hände voll damit zu tun hat, die Spiele- und Shop-Server am Leben zu halten.

Dem Alltag mal wieder entfliehen

Auch die Schweiz wurde vom «World of Warcraft»-Fieber erfasst. In der eSports-Bar eParadise versammelten sich zum Release mehrere Spieler um Mitternacht und liessen die alten Zeiten wieder aufleben. Das Publikum ist bunt durchmischt. Es sind bei Weitem nicht nur Veteranen für den Spiele-Marathon am Start, sondern sogar einige, die noch gar nie mit «World of Warcraft» in Berührung kamen.

So gross die Altersbandbreite ist, so unterschiedlich ist auch die Motivation der Spieler. Alen Gavranovic leitet die eSports-Bar eParadise und war vor 15 Jahren schon einer der gefürchtetesten Schurken auf dem Server. Natürlich will er da selber ein Teil des Events sein, weshalb er sich extra Urlaub genommen hat, um sich in seiner eigenen Bar wieder an den PC zu setzen.

Für ihn geht es primär darum, alle Verantwortungen und Verpflichtungen, die er mittlerweile als Familienvater und Geschäftsführer hat, einfach zwischendurch mal abzuschütteln. Die Frage, ob «WoW Classic» die alten Gefühle wieder aufleben lässt, beantwortet er so: «Niemand wird komplett enttäuscht sein. Es muss sich nun aber erst zeigen, ob der Klassiker die hohen Erwartungen auch heute noch erfüllen kann. Wichtig ist vor allem, dass wir durch 'World of Warcraft' vorerst alle wieder ordentlich Spass haben.»

Ankündigungstrailer zu «WoW Classic».

Bild: Youtube

Auch etwas für die Jungen?

Spass hat die Gruppe zweifellos. Selbst wenn die Server am Starttag wirklich am Anschlag laufen und stundenlange Wartezeiten einfach dazu gehören. Für Mike alias Ninjalootr ist das alles neu, obwohl er schon seit Jahren «World of Warcraft» spielt. Eingestiegen ist er aber erst mit der dritten Erweiterung des Spiels. Durch die Entwicklung, die bis dahin schon in «World of Warcraft» floss, hatte er gar nie die Chance, das Spiel in seiner ursprünglichen Form kennenzulernen.

Genau dieser Aspekt reizt den Streamer auch, gepaart damit, dass nun wieder völlig neue Herausforderungen und Belohnungen auf die Spieler warten. «'WoW Classic' schafft die Möglichkeit, sich wieder über ganz kleine Dinge zu freuen. Ein seltener Gegenstand hat noch einen wirklichen Wert, während er in der heutigen Version des Spiels gerade noch als Ramsch beim nächsten Händler verscherbelt wird.»

Mike ist wie einige andere Besucher erst Anfang 20 und der beste Beweis dafür, dass «World of Warcraft» noch längst nicht nur etwas für Veteranen ist. Viele jüngere Spieler lassen sich erst jetzt zum ersten Mal auf das Experiment ein.

Doch wo liegt für sie der Reiz? «Viele haben schon von den glorreichen Heldentaten älterer Spieler gehört», sagt Alen Gavranovic. «Sie kennen die Geschichten von schlaflosen Nächten in den Schlachtzügen, und was man gemeinsam alles erlebt hat, aber nur vom Hörensagen. Jetzt haben sie die Chance, das alles einmal selbst zu erleben.»

«Fortnite» muss sich deswegen nicht fürchten. Nur schon deshalb, weil den Jugendlichen «World of Warcraft» heute extrem langsam vorkommt. Man ist aus Videospielen längst ein höheres Tempo gewohnt. Doch genauso wie ein Film-Klassiker wie «Scarface» ohne aufwendige Spezialeffekte auch heute noch sehenswert ist, kommt «World of Warcraft» eben ohne dieses Tempo aus. Ein Klassiker eben.

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