Angst vor Missbrauch Zu gefährlich: IBM wendet sich von Gesichtserkennung ab

dj

9.6.2020

Gesichtserkennungssoftware wird immer mächtiger, ihr Einsatz dafür umso umstrittener.
Gesichtserkennungssoftware wird immer mächtiger, ihr Einsatz dafür umso umstrittener.
Getty Images

IBM will sich nicht mehr an der Entwicklung und Verbreitung von Gesichtserkennungssoftware beteiligen. Grund ist die Furcht vor Missbrauch – und mit ihr ist der Tech-Gigant nicht allein.

IBM plädiert für weitgehende Einschränkung bei Gesichtserkennungssoftware. Das Unternehmen selbst will eigene Software in diesem Bereich nicht mehr entwickeln und nicht mehr anbieten, wie CEO Arvind Krishna in einem Brief an US-Kongressabgeordnete ankündigte.

Krishna nannte mögliche Anwendungen von Gesichtserkennung zur Massenüberwachung oder rassistischem Profiling als Motiv für den Ausstieg aus der Technologie. Es sei Zeit für eine «nationale Debatte», ob und wie die Gesichtserkennung von Polizeibehörden eingesetzt werden darf, so Krishna in seinem Brief.

IBM selbst geriet 2019 in die Kritik, weil es auf dem Dienst Flickr gespeicherte Fotos ohne Einverständnis der Abgebildeten zum Training seiner Gesichtserkennungssoftware nutze.

Einsatz gegen friedliche Demonstranten?

Gesichtserkennung wird aus den von Krishna genannten Gründen schon seit Längerem als problematisch angesehen, aufgrund der Massenproteste in den USA erreichte die Debatte allerdings eine neue Dimension. Es wird etwa befürchtet, dass die Technologie zur Identifizierung von friedlichen Demonstranten eingesetzt wird.

Die konkreten Mittel dazu gibt es jedenfalls schon. Im Januar wurde bekannt, dass das Start-up Clearview AI Verträge mit zahlreichen Polizeibehörden in den USA hat. Die Datenbank der Firma umfasst knapp drei Milliarden Fotos, die grösstenteils von Social-Media-Plattformen wie Facebook oder Twitter abgesaugt werden.

Die Software ist erstaunlich genau und kann wohl Hunderte Millionen Menschen anhand eines Fotos identifizieren. Mehrere Bürgerrechtsorganisationen und einzelne US-Bundesstaaten haben Klage gegen Clearview AI eingereicht, das allerdings weiterhin aktiv ist. Die Firma, die von rechtsradikalen Aktivisten mitbegründet wurde, lässt keine Bestrebungen erkennen, ihre Tätigkeit einzustellen.



Microsoft und Google ziehen sich zurück

Immer mehr seriöse Unternehmen wenden sich dagegen Schritt für Schritt von Gesichtserkennungs-Technologie ab. Microsoft kündigte im März an, nicht mehr in Unternehmen in diesem Bereich investieren zu wollen, da man immer die volle Kontrolle über den Einsatz behalten wolle. Selbst bietet die Firma aber noch entsprechende Angebote an.

Google-Chef Sandra Pichai verlangte im Januar eine stärkere Regulierung von Gesichtserkennung. Amazon hingegen hat seine Gesichtserkennungssoftware Rekognition ebenfalls an Polizeibehörden verkauft. Forscher kamen Ende 2019 zu dem Schluss, dass Gesichtserkennungssoftware im Allgemeinen bei Frauen und Minderheiten eine deutliche höhere Fehlerquote aufweist.

In Corona-Zeiten gibt es zudem noch eine weitere Komplikation für Gesichterkennungssoftware, nämlich den nun vielfach verwendeten Mund-Nasen-Schutz. In China wird aber natürlich bereits an Technologie gearbeitet, die Gesichtserkennung trotz Maske erlaubt.

So die Privatsphäre auf dem Smartphone schützen

Zurück zur Startseite