Tech-Gigant am Abgrund Putin will das «russische Google» retten

Von Dirk Jacquemien

28.11.2022

Alexei Kudrin (r.) ist Teil von Putins Clique aus Sankt Petersburger Zeiten.
Alexei Kudrin (r.) ist Teil von Putins Clique aus Sankt Petersburger Zeiten.
Getty Images

Der Tech-Gigant Yandex war eines der wenigen Vorzeigeunternehmen Russlands. Sanktionen wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine brachten die Firma in Schieflage. Nun soll ein Putin-Intimus Yandex retten.

Von Dirk Jacquemien

28.11.2022

Ein enger Vertrauter des russischen Machthabers Wladimir Putin soll die Führungsposition beim einstigen russischen Vorzeigeunternehmen Yandex übernehmen. Alexei Kudrin ist Chef des russischen Rechnungshofs und Teil der Clique aus Putin-Vertrauten, die sich in dessen Zeit in Sankt Petersburg bildete.

Yandex galt lange Zeit als das «russische Google». Es ist die dominante Suchmaschine Russlands und bietet etwa auch einen Kartendienst, Cloud-Speicher sowie Taxi-Dienstleistungen an. Wie Google arbeitete es zudem auch an Zukunftstechnologien wie selbstfahrenden Autos oder künstlicher Intelligenz. Für die russische Wirtschaft, die grösstenteils von reiner Rohstoffextraktion abhängig ist, zählte Yandex zu den wenigen Erfolgsgeschichten, wenn es um zeitgemässe Unternehmen geht.

Yandex-Gründer verlor sogar Villa

Aber obwohl Yandex den Grossteil seiner Geschäfte in Russland macht, hat es seinen formellen Unternehmenssitz in den Niederlanden. Das führte naturgemäss zu riesigen Problemen, nachdem aufgrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine EU-Sanktionen auch gegen Yandex-Führungskräfte verhängt wurden.

Getroffen hat es etwa Yandex-Gründer Arkadi Wolosch. Der soll zwar inzwischen in Israel leben und den Krieg gegen die Ukraine ablehnen, landete aber trotzdem auf einer EU-Sanktionsliste, wie die «Financial Times» berichtet.

Und sogar seine Villa in Amsterdam wurde von Hausbesetzer*innen übernommen, ein niederländisches Gericht lehnte erst letzte Woche ein Ausweisungsbegehren von Woloschs Anwält*innen ab. Wegen der gegen ihn verhängten Sanktionen sei es unwahrscheinlich, das Wolosch das Anwesen in naher Zukunft selbst nutzen könne, so das Gericht.

Mitarbeiter*innen flüchteten zu Tausenden

Gefährdet wird die Zukunft des Unternehmens auch durch die Flucht von Tausenden Yandex-Mitarbeiter*innen aus Russland, im Zuge eines allgemeinen Exodus junger, gut ausgebildeter Menschen.

Ein von Putin abgesegneter Plan sieht nun vor, dass unter der Führung Kudrins das russische Kerngeschäft abgespalten wird. Eine Reihe von Kreml-nahen Oligarchen würden Anteile erwerben. Suchmaschine, Kartendienst und ähnliche Angebote würden dann unter demselben Namen mit neuen Eigentumsverhältnissen weitergeführt. Bei der niederländischen Holding-Firma würden dann die Zukunftstechnologien verbleiben.

Yandex noch teils in westlicher Hand

In trockenen Tüchern ist allerdings noch nichts. Bis Februar wurden Yandex-Aktien an der Nasdaq gehandelt, das Unternehmen setzte voll auf die Integration in westlichen Märkten. Viele Yandex-Aktien befinden sich dementsprechend noch in westlicher Hand. Die potenziellen Käufer der russischen Geschäfte stehen dagegen zu grossen Teilen ebenfalls unter diversen US- oder EU-Sanktionen, was Transaktionen mit ihnen schwierig bis unmöglich macht.

Es ist zudem völlig unklar, ob das verbliebene internationale Geschäft auch nach der formellen Trennung und einer eventuellen Namensänderung in der Lage sein wird, Angestellte oder Investor*innen zu rekrutieren.

Bisher wurden die Zukunftstechnologien, ähnlich wie bei Google auch, durch die Einnahmen aus dem Kerngeschäft in Russland quersubventioniert. Die Hoffnung, ein modernes Digital-Unternehmen zu entwickeln, das es mit den grossen amerikanischen und chinesischen Tech-Giganten aufnehmen kann, wird Russland wohl begraben müssen.