Angst vor Trumps Datenkrake«Sie bauen einen techno-autoritären Überwachungsstaat auf»
Philipp Dahm
9.6.2025
Musk: Zeit in Washington ist vorbei
Die Zeit von Tech-Milliardär Elon Musk in Washington ist abgelaufen. Sein Einsatz als «besonderer Regierungsangestellter» gehe «planmässig» zu Ende, schreibt Musk bei seiner Online-Plattform X. Dieser Status ist nach US-Regeln auf 130 Tage begrenzt.
30.05.2025
Mithilfe der umstrittenen Software-Firma Palantir will Donald Trump die Daten mehrerer Ministerien bündeln. Experten warnen vor der Möglichkeit des Missbrauchs der Datenkrake, die ein «technokratischer Traum» sei.
Donald Trump hat per Dekret verfügt, Daten verschiedener Ministerien zusammenzufassen.
Eine immer grössere Rolle spielt dabei die umstrittene Software-Firma Palantir, die der libertäre Milliardär Peter Thiel mitgegründet hat: Sie hilft etwa bei der Suche nach illegal Eingewanderten.
Kritiker – darunter auch Ex-Angestellte von Palantir – befürchten, dass eine KI-getriebene Daten-Sammlung über jede US-Bürgerin und jeden US-Bürger missbraucht werden könnte.
«Das ist der technokratische Traum»: Investigativjournalistin Carole Cadwalladr warnt eindringlich vor einer US-Datenkrake.
Die Grundlage legt Donald Trump am 20. März: Der Präsident unterschreibt ein Dekret, das «Verschwendung, Betrug und Missbrauch» durch das «Beseitigen von Informationssilos» stoppen soll.
Konkret geht es darum, die Daten verschiedener US-Behörden zusammenzuführen, um «bürokratische Duplikate und Ineffizienz» zu vermeiden und Unregelmässigkeiten besser zu erkennen.
Im Hintergrund hat das Weisse Haus seither still daran gearbeitet, das technische Fundament zu giessen, um Trumps Vorhaben umzusetzen, schreibt die «New York Times» (NYT) – und warnt, dass die Regierung mit der umstrittenenFirma Palantir eine Datenkrake aufbauen könnte, die die eigenen Bürger ausspäht.
X-Inhaber und Tesla-Chef Elon Musk war nur die «Speerspitze»: Donald Trump will im grossen Stil Daten über die US-Bürgerinnen und -Bürger sammeln.
Brandon Bell/Pool Getty Images North America/AP/dpa
Palantir ist ein Software-Unternehmen, dessen KI-Plattformen Daten erfassen, bündeln und neu aufbereiten können. Die Firma hat im April einen Vertrag mit der Department of Homeland Security abgeschlossen, um für 30 Millionen Dollar ein System zu bauen, das für die Behörde Immigration and Customs Enforcement (ICE) Migranten verfolgen soll.
Baut Trump eine «beispiellosen Spionage-Maschine»?
Palantir soll laut NYT aber auch mit weiteren Behörden im Gespräch sein: der Sozialbehörde Social Security Administration und dem Steueramt Internal Revenue Service. Im Heimatschutzministerium und dem Gesundheitsministerium wird Palantir-Software bereits eingesetzt.
Hinzu kommen noch zwei weitere Ministerien, schreibt die NYT: Wenn die Daten mehrerer Behörden gebündelt würden, käme das einer «beispiellosen Spionage-Maschine» gleich, staunt der US-Sender MSNBC. Selbst einigen Palantir-Mitarbeitenden ist ihr Unternehmen nicht mehr geheuer.
Alain Berset (rechts) spricht 24. Januar 2018 beim WEF in Davos mit Palantir-CEO Alex Karp.
KEYSTONE
13 frühere Angestellte der Firma fordern Palantir in einem offenen Brief dazu auf, die enge Kooperation mit dem Weissen Haus zu beenden. Dabei sei nicht die Software das Problem, sondern das, was die Regierung daraus machen könnte.
«Unethische Technologie» sucht nach Migranten
«Daten, die aus einem bestimmten Grund gesammelt werden, sollten nicht für andere Zwecke verwendet werden», sagt Linda Xia, die das Dokument mitunterzeichnet hat, der NYT. «Die Kombination all dieser Daten, selbst mit den edelsten Absichten, erhöht das Risiko des Missbrauchs erheblich.»
Auch die jetzige Belegschaft würden sich Sorgen machen, weiss Xia: «Die derzeitigen Beschäftigten diskutieren über die Auswirkungen ihrer Arbeit und stellen intern Fragen.» Und auch die Medien haben das Unternehmen inzwischen im Visier.
Der «Guardian» berichtet bereits 2020 über die Firma, die ICE schon damals bei der Suche nach illegal Eingewanderten hilft und auch mit Polizei und Armee intensiv kooperiert: «Die unethische Technologie der Firma sollte uns entsetzen», titelt damals das britische Blatt.
Aktienkurs steigt nach Trumps Wahl um 140 Prozent
Und auch nun arbeite Palantir aktiv mit ICE zusammen und «untermauert die Massenabschiebungen der Trump-Regierung», weiss «404 Media». Geleakte Dokumente zeigten, dass das Unternehmen dabei eine immer grössere Rolle einnehme. Das linke Magazin «Mother Jones» nennt Palantir schon Anfang Februar den «fröhlichen Profiteure von Trumps Polizeistaat».
So damn proud of these kids for their courage. 💥 Hundreds of Milford, MA high schoolers walked out in protest today after ICE detained their classmate Marcelo Gomes Da Silva. Detained on his way to volleyball practice. Illegally.
These students aren’t backing down—they’re rising up.
#OnYourSide
Das stimmt zumindest monetär, ergänzt nun die NYT. Mindestens 130 Millionen Dollar habe die Firma seit Trumps Amtsantritt vom Staat erhalten. Der Aktienkurs des Unternehmens ist seit seinem Wahlsieg im November um 140 Prozent gestiegen.
Und wer steht hinter Palantir? CEO und Mitgründer Alex Karp hat im letzten Jahr noch Geld an die Demokraten gespendet, allerdings Donald Trumps Wahlsieg begrüsst. Elon Musk sei die «qualifizierteste Person weltweit», um die Regierung umzubauen, zitiert ihn die NYT.
«Palantir ist hier, um zu stören»
«Wir stellen unser Unternehmen in den Dienst des Westens und der Vereinigten Staaten von Amerika und sind superstolz auf die Rolle, die wir spielen. Vor allem an Orten, über die wir nicht sprechen können.», zitiert «Mother Jones» Karp. «Palantir ist hier, um zu stören. Und, wenn es nötig ist, um unsere Feinde zu erschrecken und gelegentlich auch zu töten.»
Hinter Palantir steckt auch Peter Thiel: Der vielfache Milliardär gilt als Trump-Spender und libertärer Aktivist, der sich viel im Bereich der KI engagiert. Durch Thiel und Palantir gibt es viele Verbindungen zur Effizienzabteilung DOGE, die Elon Musk bis vor Kurzem geleitet hat.
All das lässt bei Carole Cadwalladr die Alarmglocken läuten: Die Journalistin war massgeblich daran beteiligt, den Cambridge-Analytica-Skandal aufzudecken. Zur Erinnerung: 2018 war herausgekommen, dass eine britische Firma illegal Facebook-Daten abgegriffen hatte, um 2016 damit gezielt Wahlwerbung ausspielen zu können.
«Das ist der technokratische Traum»
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«Ich denke, was gerade in Amerika passiert, ist, dass sie einen techno-autoritären Überwachungsstaat aufbauen», sagt die Engländerin in der «Daily Show». «Wir können das in Echtzeit sehen. Eine riesige Menge von Daten über jede Person, die auf undurchsichtigen und unzähligen Arten genutzt werden kann und werden wird. Es ist furchteinflössend.»
Geht es nur um Palantir, das alle Daten bekommen soll, hakt Moderator Jon Stewart nach? «DOGE ist hier die Speerspitze», erklärt Cadwalladr. Musks Agenten hätten die Daten in den Ministerien abgegriffen. «[Palantir], das Peter Thiel gehört, häuft nun diese verschiedenen Töpfe von Daten an, führt sie zusammen und nutzt KI bei dem Datensatz.»
Das Problem: «Es kann auf so viele verschiedene Weisen benutzt werden. Es ist ein Kontroll-System. Das machen andere Länder, die autoritär sind. Und es gibt keine Regulierung.» Und in den USA zudem kein Datenschutz-Gesetz, ergänzt die Autorin.
John Stewart ergänzt, dass Trumps sogenannte Big Beautiful Bill vorsieht, dass es in den kommenden zehn Jahren keine Regulierung von KI in den Vereinigten Staaten geben darf. «Das ist der technokratische Traum», meint Cadwalladr. «Das ist es, was diese Tech Bros wollen.»