Interview Rami Malek: «Manchmal ging die Leidenschaft mit uns durch»

Marlène von Arx, Hollywood

29.10.2018

Schwierige Dreharbeiten, einmalige schauspielerische Leistung: Rami Malek über die Entstehung von «Bohemian Rhapsody», was sein Zwillingsbruder dazu sagt, dass er Freddie Mercury spielt – und wieso er nach Montreux reisen will.

Rami Malek, wie fühlte es sich an, einen Rock-Gott wie Freddie Mercury zu spielen?

Ich mag eine Herausforderung und tue gerne, was mir Angst macht. Da zählt sicher dazu, einen Rock-Gott zu spielen. Aber so durfte ich natürlich nicht denken. Ich habe mit Freddie Mercury angefangen wie mit jeder Rolle und mich gefragt, was das Menschliche an ihm ist, welche seine inneren Kämpfe sind. Ich habe alle Songtexte von ihm herausgeschrieben. Darin geht es oft um die Suche nach Liebe und das Suchen nach Antworten. Brian May und Roger Taylor von Queen waren auch sehr hilfreich mit Informationen. Und: Als Sohn von Immigranten war Freddie vor allem in seiner Jugend auf Identitätssuche, womit ich mich auch gut identifizieren kann.

Hollywood-Kolumnistin Marlène von Arx unterhielt sich mit Rami Malek.
Hollywood-Kolumnistin Marlène von Arx unterhielt sich mit Rami Malek.
ZVG

Freddie Mercury hiess eigentlich Farrokh Bulsara und wurde in Sansibar geboren. Seine Eltern gehörten den Parsen an, einer ethnisch-religiösen Gruppe aus Persien. Sie sind als Sohn ägyptischer Einwanderer in den USA aufgewachsen. Inwiefern haben Sie Ähnliches erlebt wie der Queen-Frontmann?

Seine Eltern folgten dem Zoroastrismus, und Freddies Lifestyle passte da sicher nicht optimal hinein. Aber sie kamen an einen Punkt, an dem sie ihn akzeptierten. Meine Eltern wollten, wie wohl seine auch, dass ich etwas Besonderes aus meinem Leben mache und die Möglichkeiten, die Amerika bietet, nutze. Von der Schauspielerei waren sie erst begeistert, als ich damit richtig Geld verdiente. Sie waren jedoch geduldig: Mein Vater sagte mal zu meiner Mutter in Arabisch, ich sei ein zäher junger Mann, als er sah, wie ich mein Foto und Résumé zum Aussand in Umschläge steckte. Ich interpretierte das als eine Art Anerkennung.

Und was hält Ihr Zwillingsbruder davon, dass Sie Freddie Mercury spielen?

Er hat gelacht, als er die Dok-Filme und Bücher über Mercury bei mir zu Hause herumliegen sah und fand es lustig, dass ich mir einbildete, dass ich für die Rolle engagiert werden würde. Er ist Lehrer und gibt mir gerne realistische Perspektiven, dafür gehe ich hin und wieder in seine Klassen und stehle ihm das Rampenlicht. Aber natürlich stimmt das nicht: Die Schüler lieben ihn. Und meine ältere Schwester ist Notfall-Ärztin in Washington. Meine Eltern haben also doch auch einen Doktor hervorgebracht. 

Rami Malek mit Stan Wawrinka an der «Bohemian Rhapsody»-Premiere

Freddie Mercurys Stimme soll vier Oktaven abgedeckt haben. Wie haben Sie das im Film gelöst?

Man hatte mir gesagt, ich müsse im Film nicht singen. Aber wenn man Freddie in einem Konzert spielt, muss man alles geben. Da habe ich aus voller Lunge gesungen. Man hört also manchmal mich und manchmal die Stimme eines Queen-Tributband-Sängers. Meistens ist es aber Freddie Mercury, und ich möchte es auch nicht anders. Mich auf die Rolle vorzubereiten, war fast wieder wie Schauspielschule: Um 11.00 Uhr hatte ich Klavierunterricht – vor dieser Rolle hatte ich noch nie ein Piano auch nur angefasst. Um 13.00 Uhr war Gesangsunterricht, um 15.00 Uhr Bewegungsunterricht. Und so weiter.

Es hiess, Regisseur Bryan Singer habe Ihnen einen Gegenstand an den Kopf geworfen. Er wurde schliesslich gefeuert. Was können Sie dazu sagen?

Ich kann sagen, dass auf dem Set eine sehr leidenschaftlich Atmosphäre herrschte. Wir machten ja auch einen Film über einen sehr leidenschaftlichen Mann. Was geschrieben wird, stimmt nicht alles. Aber manchmal ging die Leidenschaft mit uns durch. Ich wollte der Geschichte von Freddie Mercury dienen und gab in diesem Punkt auch nicht nach. Bryan Singer ist ein sehr unberechenbarer Typ. Ich musste stets auf alles gefasst sein, und ich bin stolz, wie ich auch die schwierigen Tage gemeistert habe.

Und dazu haben Sie Ihre neue Freundin Lucy Boynton bei den Dreharbeiten kennen gelernt. Sie spielt Freddies einstige Verlobte und enge Freundin Mary Austin.

Ja, die Chemie stimmte mit meinem Co-Star, das kann man sagen. Dafür hatte ich Mühe mit den Katzen, die Freddie hatte. Ich bin allergisch.

Mercury hat eine Statue in Montreux. Die Band verbrachte viel Zeit am Genfersee. Haben Sie sich vor Ort umgesehen?

Nein, denn unser Film endet vor der Zeit in Montreux. Aber ich weiss, dass er und Queen gerne nach Montreux gingen. Es sei so friedvoll gewesen da, sagen die Bandmitglieder heute. Und die Musik, die da entstand, bleibt uns erhalten. Ich möchte nachträglich noch hinfahren. Wie ich in Videos gesehen habe, ist es wunderschön da. Und überhaupt: Ich bin irgendwie noch nicht fertig mit Freddie. Ich höre immer noch die Musik im Auto und freue mich, wenn ich neues Material über ihn finde. Denn es gibt immer noch Neues über ihn zu entdecken.

Eine 15-minütige Sequenz des «Live Aid»-Konzerts von 1985 im Wembley Stadion ist eines der Höhepunkte des Films. Was sind Ihre Lieblings-Konzerte, die Sie selber besucht haben?

Ich habe die Smashing Pumpkins live gesehen, das war zwar vielleicht nicht meine Lieblingsband, aber es war in der Wembley Arena, noch im alten Stadion kurz vor dem Abriss. Und ich habe vor kurzem Paul Simon auf seiner Abschiedstour in der Hollywood Bowl gesehen. Ihn mochte ich immer sehr. Wen ich leider verpasst habe: Michael Jackson. Dabei hätte sich das als Kind in Los Angeles sicher mal einrichten lassen können. Der Moonwalk auf der Bühne – das wäre was gewesen. Oder ich hätte gerne Bob Dylan am Anfang seiner Karriere in einem kleinen Club in New York gesehen. Ich habe einiges verpasst.



Jetzt, da diese anspruchsvolle Rolle in Ihrem Rückspiegel liegt: Welchen Tipp haben Sie für Schauspielkollege Taron Egerton, der zur Zeit «Rocketman» dreht, den Film über Elton John?

Ich habe Taron in London getroffen, bevor er anfing, denn er dreht ja auch untere der Regie von Dexter Flechter, der bei uns nach Bryan Singer übernommen hat, sowie mit vielen anderen Mitgliedern unserer Crew, wie unserem Kostüm-Designer Julian Day. Seine Klamotten sind auch grossartig. Ich habe Taron gesagt, dass es Momente geben wird, in denen er denkt, er schaffe es nicht und der Film werde der grösste Flop. Aber dass er dann einfach durchhalten und an sich glauben müsse. Denn er werde es schaffen, das habe ich ihm versprochen.

Rami Malek (Mitte) mit den Original-Queen-Mitgliedern Brian May (l.) und Roger Taylor am Dienstag, 23. Oktober, an der Premiere von «Bohemian Rhapsody» in London.
Rami Malek (Mitte) mit den Original-Queen-Mitgliedern Brian May (l.) und Roger Taylor am Dienstag, 23. Oktober, an der Premiere von «Bohemian Rhapsody» in London.
Keystone

Zum Schluss noch ein Wort zur Hacker-Serie «Mr. Robot», die Sie international berühmt gemacht hat und die mit der nächsten Staffel zu Ende geht: Was nehmen Sie daraus mit auf den Weg in Ihre Zukunft?

Ich habe da so viel gelernt. Und ich bin besonders stolz, dass die Botschaft angekommen ist, dass anders zu sein nicht negativ sein muss. Ich kriege Fan-Post von Leuten mit mentalen Problemen oder die sich einfach einsam oder machtlos vorkommen und die sich erstmals verstanden fühlen. Und natürlich bin ich mir auch bewusster geworden, was alles gehackt wird. Ich sage jetzt eher, dass ich etwas persönlich und nicht via E-Mail besprechen will. Und natürlich hat die Serie mein Leben beruflich verändert – wie auch sonst. Ich wurde beispielsweise von Anna Wintour an die New Yorker Met-Gala eingeladen. Ich wusste zwar nicht, wer das war, aber meine «Mr. Robot»-Schauspiel-Kolleginnen hätten mich vor Neid erwürgen können. Ich sass also im Metropolitan Museum of Art an dieser Gala und überlegte mir, ob die Leute sich mehr um die Kunstgegenstände Sorgen machen würden oder um die Promis, wenn ein Desaster passieren würde. Was für eine verrückte Welt, in der ich lebe.

«Bohemian Rhapsody» läuft ab Donnerstag, 1. November, in unseren Kinos.

Die Kino-Highlights im Oktober
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