Kolumne am Mittag Dieser Grafikdesigner revolutioniert die Kunstwelt

Von Dirk Jacquemien

3.3.2021

Beeple ist mit seiner NFT-Kunst inzwischen bei Christie's angekommen (Archiv).
Beeple ist mit seiner NFT-Kunst inzwischen bei Christie's angekommen (Archiv).
Keystone

Grafikdesigner Mike Winkelmann aus der amerikanischen Provinz wühlt die Kunstwelt auf — mit digitaler Kunst in Form von NFTs, die für viele Millionen Dollar verkauft werden. Aber was zur Hölle sind NFTs und was hat Bitcoin damit zu tun?

Von Dirk Jacquemien

3.3.2021

Der 39-jährige Grafikdesigner Mike Winkelmann aus Charleston in South Caroline betätigt sich schon seit langer Zeit künstlerisch. Seit über 13 Jahren veröffentlicht er unter seinem Künstlernamen Beeple täglich ein neues Kunstwerk, zunächst Zeichnungen, inzwischen computergenerierte Bilder und Videos.

Er war in der digitalen Kunstszene durchaus angesehen, in der breiten Öffentlichkeit allerdings völlig unbekannt — bis zur letzten Woche hatte er noch nicht mal einen Wikipedia-Eintrag. Diesen hat er nun wegen eines seiner jüngeren Werke bekommen, einem zehnsekündigen Videoclip, der einen überdimensionierten Donald Trump zeigt, der auf einer Wiese liegt.

Auf Trumps nackten Körper sind Beleidigungen wie «Loser» zu lesen, auf dem Gehweg laufen animierte Menschen vorbei, in Hintergrund zwitschern idyllisch Vögel. Das Werk mit dem Namen «Crossroad» kann sich jedermann jederzeit so oft wie gewünscht und auf alle Ewigkeit kostenlos im Internet anschauen. Letzte Woche wurde es für 6,6 Millionen Dollar verkauft.

Was hat das mit Bitcoin zu tun?

«Crossroad» ist ein NFT, ein «Non-Fungible-Token», grob übersetzt ein «nicht austauschbares Andenken». NFTs setzen auf die Blockchain-Technologie, genau wie Kryptowährungen wie Bitcoin. Ihre Erschaffung und ihr Transfer werden öffentlich sichtbar in der Blockchain festgehalten.

Doch der Bitcoin ist eben austauschbar, wie es für eine Währung ein Muss ist. Genau wie der 10-Franken-Schein im eigenen Portemonnaie identisch und austauschbar ist mit dem 10-Franken-Schein im Portemonnaie des Kollegen, ist auch ein Bitcoin identisch und austauschbar mit einem anderen Bitcoin.

Dieser Mangel an Einzigartigkeit war bisher auch ein Problem bei digitaler Kunst. Eine digitale Datei lässt sich verlustfrei kopieren und vervielfachen — sie kann eigentlich nie irgendjemanden einzig und alleine gehören.

Natürlich konnte man mithilfe des Urheberrechts versuchen zu verhindern, dass Kunstwerke einfach ohne Genehmigung kopiert werden, aber der eigentliche Akt des Kopierens lässt sich nicht unterbinden. Die «Mona Lisa» dagegen wird niemals dupliziert werden.

NFTs garantierten Einzigartigkeit 

Ein NFT ist jedoch einzigartig, nicht austauschbar und nicht kopierbar. Ein Werk wie «Crossroad» existiert einzig in der Blockchain und dort nur einmal — und auch wem es gehört, ist dort verzeichnet. Klar könnte man den Videoclip herunterladen, aber damit hätte man nicht das eigentliche Werk in seinem Besitz — es wäre wie eine Fotografie der «Mona Lisa».

NFTs sind aber längst nicht auf Kunst beschränkt. Ein lukratives Feld sind digitale Sammelkarten und hier besonders «NBA Top Shot». Die Sammelkarten bestehen aus kurzen Video-Highlights aus Spielen der amerikanischen Basketballliga NBA, etwa ein besonders spektakulärer Dunk. Jede Sammelkarte ist nummeriert, hat eine limitierte Auflage und lässt sich weiterverkaufen. Vereinzelt wurde hier schon Preise im sechsstelligen Bereich für eine besonders begehrte Karte erzielt.

Alles nur eine Blase?

Doch zurück zu Beeple. «Crossroad» verkaufte er im Oktober für 66'666 Dollar an den Kunstsammler Pablo Rodriguez-Fraile, der es letzte Woche für 6,6 Millionen Dollar weiterverkaufte. Solch dramatische Wertsteigerungen in so kurzer Zeit sind selbst im überhitzen Kunstmarkt eher unüblich, weswegen nicht wenige Beobachter bei NFTs eine riesige Spekulationsblase am Werke sehen.

Glücklicherweise für Beeple jedoch lassen sich in der Blockchain auch Regeln zu einzelnen NFTs festschreiben. Im Fall von Beeples Kunstwerken sagt eine etwa, dass er zehn Prozent der Einnahmen von jedem Weiterverkauf erhalten muss. Im Dezember versteigerte Beeple dann weitere Werke für insgesamt rund 3,5 Millionen Dollar.

Auf einer Ebene mit den ganz Grossen

Dass Beeple alias Mike Winkelmann endgültig in der Kunstwelt angekommen ist, zeigt sich dieser Tage. Noch bis zum 11. März läuft am Auktionshaus Christie's — wo sonst da Vincis und Picassos verkauft werden — die Versteigerung seines Werkes «Everydays: The First 5000 Days», natürlich als NFT.

Es zeigt eine Collage der 5000 täglichen Kunstwerke, die Beeple in seinen 13 Jahren künstlerischer Tätigkeit erschaffen hat. Derzeit liegt das Höchstgebot bei 3 Millionen Dollar. Wer genug Geld mit digitalen NBA-Sammelkarten verdient hat, darf gerne mitbieten.

Regelmässig gibt es werktags um 11:30 Uhr und manchmal auch erst um 12 Uhr bei «blue News» die Kolumne am Mittag – es dreht sich um bekannte Persönlichkeiten, mitunter auch um unbekannte – und manchmal wird sich auch ein Sternchen finden.