Fluch oder Segen?Gute Serien, schlechte Serien: Haben Fans zu viel Macht?
Von Lukas Rüttimann
4.4.2020
TV-Serien wie «The Mandalorian» werden gefeiert, weil sie perfekten Fan-Service betreiben. Doch auf das Publikum zu hören, ist nicht immer eine gute Idee.
Jeder Connaisseur weiss um den Moment, an dem «Game of Thrones» starb. Zu Beginn der achten Staffel reiten Jon Snow und Daenerys Targaryen auf ihren Drachen Richtung Norden, fliegen über eine schneeverschneite Landschaft, landen und lassen sich schliesslich vor einem gefrorenen Wasserfall zu einem innigen Kuss hinreissen.
Für eine Serie, die zuvor mit einem unwiderstehlichen Mix aus Sex, Gewalt, Originalität und Anspruch vorübergehend zur besten TV-Show aller Zeiten geworden war, ein Super-GAU. Denn solch einen himmelschreienden Kitsch hätte Vorlagen-Autor George R.R. Martin wohl nicht einmal unter dem Einfluss von Ecstasy-Pillen schreiben können.
Bezeichnenderweise war der «GoT»-Schöpfer bei Staffel acht inhaltlich gar nicht mehr involviert. Weil die Serie die Vorlage überholt hatte, hatten die beiden Showrunner David Benioff und D. B. Weiss freie Hand. Sie entschlossen sich, den darbenden Fans genau das zu geben, was diese ihrer Meinung nach am meisten wollten: einfache Lösungen, die Bestrafung der Bösen und jede Menge Happy Ends für die Guten.
Bloss: «Game of Thrones» war vor allem deshalb zum Phänomen geworden, weil die Serie so unberechenbar, unfair, komplex, zäh, verworren und abartig war. Entsprechend wurde die finale Staffel zu einem kreativen Desaster, das trotz seinem offensichtlichen Bemühen, dem Publikum zu gefallen, genau das Gegenteil erreichte. Staffel acht wurde in Fankreisen abgrundtieft gehasst, und rückblickend darf man sagen: zu recht.
Gelungener Fan-Service
Dass es anders geht, zeigt «The Mandalorian» auf dem seit einigen Tagen auch in der Schweiz empfangbaren neuen Streamingdienst Disney plus. Die Saga um einen helmtragenden Kopfgeldjäger ist ein Beispiel dafür, wie simples Fan-Begehren zu einem globalen Phänomen führen kann. Denn die Ursprünge der Serie liegen weit zurück: Boba Fett ist eine Figur aus der ersten «Star Wars»-Trilogie von George Lucas und spielt darin eine eher nebensächliche Rolle. Fans jedoch fanden den Kopfgeldjäger ohne Gesicht so faszinierend, dass er zum Gegenstand einer fast schon kultischen Verehrung wurde.
Spätestens, seit Disney die Rechte an «Star Wars» erworben hatte, und ankündigte, das Universum der Space-Saga mit Spin-Offs und Prequels auszuloten, war für Fans klar: Nicht nur ein Film über Han Solo, auch einer über Boba Fett muss nun her. Nach dem Flop von «Solo» am Box Office wurde ein Kinofilm mit dem Helmträger zwar schnell wieder ad acta gelegt. Doch der neue Streamingdienst aus dem Haus der Maus sollte sich als perfektes Vehikel erweisen, um die Serie mit der beliebten Figur anzustossen.
Respektive – umgekehrt. Denn «The Mandalorian», wie die Serie über den Söldner inzwischen getauft wurde, gilt als die Attraktion von Disney plus; sie ist für viele einer der Hauptgründe, den kostenpflichtigen Dienst überhaupt erst zu abonnieren.
«The Mandalorian» ist Fan-Service total
Tatsächlich ist die von Jon Favreau («Iron Man», «The Lion King 2019») konzipierte Serie ein Fest für Freunde von Fantasy und Science Fiction. Bildgewaltig inszeniert, spannend, mit originellen Figuren – eine Art Western im Weltraum, mit Fanliebling Pedro Pascal («Game of Thrones», der Kreis schliesst sich) als Mann unter dem ikonischen Helm. Zudem hat die Show mit Baby-Yoda ein Trumpf im Ärmel, dessen Charme sich kaum jemand, vor allem kein echter «Star Wars»-Fan, entziehen kann.
Über weite Strecken bietet «The Mandalorian» denn auch Fan-Service total. Viele in Online-Foren und auf YouTube-Kanälen geforderte Aspekte wurden für die Serie berücksichtigt; Favreau und sein Team achten zudem genau darauf, die Fanbasis bei Laune zu halten: hier eine Reminiszenz an die Original-«Trilogie», dort ein Seitenhieb auf J. J. Abrams und so weiter.
Und wenn nahezu eine ganze Folge dem gigantischen Sandcrawler aus «Episode IV» von 1977 gewidmet wird, muss man über Fan-Hingabe erst recht keine grossen Worte mehr verlieren. Ausser vielleicht, dass sich mittlerweile die Stimmen mehren, dass man es damit ein bisschen übertrieben hat.
Der Entscheid, wie sehr man sich von Fans beeinflussen lässt, ist aber tatsächlich schwierig. Das eingangs erwähnte «Game of Thrones» zeigt zwar, wie man es nicht machen sollte. Doch einfach ignorieren kann man jene Leute, die man ansprechen will, auch nicht. Um ein abschreckendes Beispiel zu finden, muss man das Sternenkrieg-Universum nicht mal verlassen.
Mit «The Last Jedi» setzte sich Regisseur Ryan Johnson 2017 über jegliche Erwartungen hinweg, ignorierte Vorgeschichten, brüskierte Fans und liess selbst beliebte Figuren einfach so nebenbei übers Messer springen. Das Resultat war einer der meist gehassten Filme der Welt, zumindest in «Star Wars»-Kreisen.
Auf der anderen Seite kann man aber auch verstehen, wenn sich ein Filmemacher seine Vision nicht von der Basis diktieren lassen will. Zumal die Diskussionen um die Macht von Fans weit über Film und Fernsehen hinausgehen.
Man kennt sie aus dem Fussball, wo sich selbst gestandene Stars zuletzt immer öfter von einem tobenden Mob beschimpfen lassen mussten. Mit einer Vehemenz, bei der man sich fragen durfte, ob das wirklich im – zugeben oft fürstlichen – Salär der Spieler noch inbegriffen ist. Unvergessen etwa jene Szenen, als die «Fans» von Grasshoppers Zürich ihre Spieler dazu erniedrigten, ihnen die Trikots auszuhändigen, weil sie die ihrer Meinung nach nicht zu tragen verdient hätten.
Ein Hoch auf die Fans!
Ganz so dramatisch geht es bei «Game of Thrones», «Star Wars» und anderen beliebten Filmen und TV-Serien zum Glück nicht zu und her. Wobei die Morddrohungen gegen «The Last Jedi»-Darstellerin Kelley Marie Tran («Rose Tico») durchaus in diese Richtung gehen. Doch Fans nur auf einen wütenden Mob zu reduzieren, der ein Ventil für seinen Alltagsfrust sucht, wäre unfair und würde die Sache zu sehr vereinfachen.
Tatsächlich sorgen Fans nicht nur in Fussballstadien, sondern auch im Umfeld von Kreativen für eine wertvolle Subkultur mit eigenen Visionen, Wünschen, Konzepten, Fanarts und nicht zuletzt regen Diskussionen, dank derer sich ein beliebtes Werk hinterfragen, verändern und im besten Fall weiterentwickeln kann. Letzten Endes ist «The Mandalorian» – Baby-Yoda hin oder her – auch dafür ein durchaus schönes Beispiel.
«The Mandalorian» ist auf dem kostenpflichtigen Streamingdienst Disney plus zu sehen.
Die «Star Wars»-Drehorte: Kulissen für verschiedene Planeten
Salzwüste Salar de Uyuni: In der achten Episode «The Last Jedi» wird das Naturwunder im bolivianischen Hochland als strahlend weisse Kulisse für eine blutige Schlacht gebraucht. Die Wüste wird im Film zum Planeten Crait.
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Die Berge von Guilin in China: Direkt gefilmt wurde in Guangxi zwar nicht, aber die Berge finden sich im Hintergrund und als Vorlage für den Wookie-Planeten Kashyyyk im Film «Die Rache der Sith».
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Phang Nga Bay: Die Steinformationen in der thailändischen Bucht kennt man ebenfalls vom Wookie-Planeten, aber auch jene nur als Landschaftsaufnahmen.
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Der Vulkan Ätna in Süditalien: Dieser Hintergrund dürfte Fans sofort ins Auge stechen. Der Vulkan diente natürlich als Kulisse beim erbitterten Kampf zwischen Darth Vader und Obi-Wan Kenobi in «Die Rache der Sith». Im Film heisst der vulkanische Planet Mustafar.
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Death Valley Nationalpark: Der ikonische Wüstenplanet Tatooine wurde hier zum Leben erweckt, dies schon für den ersten Film in der Saga. Das «Tal des Todes» ist der trockenste, heisseste und tiefste Nationalpark der USA.
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Hardangerjøkul in Norwegen: Während der Dreharbeiten zu «The Empire Strikes Back» sollen 1979 echte Schneestürme für die richtige Stimmung gesorgt haben. Gefilmt wurde die Schlacht auf dem Eisplaneten Hoth, als die riesigen AT-AT-Kampfmaschinen durchs Schneegestöber trampeln.
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Die Ruinen von Tik'al: Die Stufentempel im Regenwald wurden schon 1977 von George Lucas gefilmt, und zwar in «A New Hope», der vierten Episode der Saga. Jene Ruinen waren eine der wichtigesten Städte der Maya-Kultur.
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Berber-Dorf Matmata: Dieser Ort in Tunesien diente in «A New Hope» als Heimat von Owen Lars und seiner Familie. Das echte Hotel Sidi Driss wurde durch jene Szenen weltberühmt.
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Dubrovnik, Kroatien: Diese Küstenstadt in eine alte Bekannte für Hollywood. Hier wurde nicht nur «Game of Thrones» gedreht, sondern auch «The Last Jedi». Für die Vergnügungsstadt Canto Bight diente Dubrovnik als Kulisse.
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Skellig Michael in Irland: Das Comeback von Luke Skywalker in «Das Erwachen der Macht» wurde auf dieser Insel in Szene gesetzt. «Die letzten Jedi» führte die Geschichte ebenfalls dort fort.
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Villa am Comer See, Norditalien: Hier begann die Romanze zwischen Anakin und Padmé – auch die heimliche Hochzeit fand hier statt. Dies gab es im Film «Angriff der Klonkrieger» zu sehen.
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Wadi Rum in Jordanien: Im Spinoff «Rogue One» stellt jene Landschaft den Wüstenmond Jedha dar – ein heiliger Ort für Jedi. Für den neuen Streifen «The Rise of Skywalker» kehrten die Macher zu der Wüstenlandschaft zurück.
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Argyll, Schottland: Diesen Ort findet man (noch) nicht in den «Star Wars»-Filmen, allerdings tauchten schon 2018 Gerüchte auf, dass dort für eine neue Trilogie gefilmt werden sollte.
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