Basil Eidenbenz, Schweizer Netflix-Star «In dem Moment hat mein Herz kurz ausgesetzt»

Von Fabian Tschamper

21.8.2021

Erst war Basil Eidenbenz im oscarprämierten «The Favourite» zu sehen, nun ruft «The Witcher» von Netflix. Der junge Schweizer Schauspieler über seinen vielversprechenden Weg und seine erste Begegnung mit Netflix-Superstar Henry Cavill.

Von Fabian Tschamper

21.8.2021

Der 28-jährige Zürcher Basil Eidenbenz hat während der Pandemie einen seiner grössten Erfolge als Schauspieler verzeichnet: Er darf für Netflix neben Henry Cavill in der Serie «The Witcher» mitspielen.

Angefangen hat Eidenbenz 2009 mit «Liebling, lass uns scheiden», einem Schweizer Film mit Marco Rima. Im Verlaufe seiner jungen Karriere spielte er in Indie-Projekten mit, aber auch in prestigeträchtigen Werken wie dem oscarprämierten «The Favourite» von Giorgos Lanthimos.

Jüngst arbeitete er mit Netflix und konnte sich die Rolle des Hexers Eskel bei der hauseigenen Serie «The Witcher» ergattern.

Im Gespräch erzählt er von der Ungewissheit im Schauspiel-Job, der schier unendlichen Konkurrenz und warum er trotz grosser internationaler Produktionen in der Schweiz unbemerkt bleibt.

Eidenbenz war kurzzeitig in der Schweiz, das Gespräch fand im Odeon in Zürich statt.

Basil Eidenbenz, du kommst gerade aus einem Zoom-Casting für eine Rolle. Ist das eine Pandemie-Erscheinung oder gab es das vorher auch schon?

Zoom ist sicherlich ein Pandemie-Ding. In England gehört es zum Standard, sich selbst aufzunehmen und das Video einzuschicken. In Deutschland sehen dich die Macher lieber. Das hat auch mit der Shortlist zu tun, es werden viel weniger Schauspieler*innen für eine Rolle eingeladen. In England sind es hundert oder manchmal auch tausend. Dementsprechend schauen sie sich alle Aufnahmen an und entscheiden sich für die besten Kandidaten.

Und wie lief das Casting eben ab?

Da war schon ein anderer Schauspieler mit dabei. Wir haben Szenen zusammengespielt. Das habe ich lieber so. Oftmals liest der Casting-Assistent deinen Gegenpart, das ist natürlich nicht dasselbe wie ein anderer Schauspieler. Es ist schöner jemanden zu haben, der sich dabei auch ein bisschen Mühe gibt (schmunzelt). Und nicht den Text einfach vorliest, zum 500. Mal an diesem Tag.

2009 hattest du deinen ersten Auftritt in einem Schweizer Film. Wie bist du zum Schauspiel gekommen?

Ganz ehrlich weiss ich das nicht. Vor langer, langer Zeit war ich am Casting für Michael Steiners «Mein Name ist Eugen». Ich bin da ziemlich weit gekommen, bis in die dritte Runde für die Rolle des «Bäschteli». Schlussendlich habe ich den Part aber nicht bekommen. Auch eine Rolle im Film «Ferienfieber» mit Beat Schlatter habe ich damals nicht gekriegt, aber Schauspiel war immer Teil meines Lebens.

Gab es gar keine Anzeichen, dass der kleine Basil in die darstellende Kunst gehört?

Meine beste Freundin aus Sandkastenzeiten hatte damals ein Diddl-Freundschaftsbuch. Sie hat mir gezeigt, was ich im Alter von sieben oder acht Jahren bei «Was willst du einmal werden?» reingeschrieben hatte. Und da stand tatsächlich «Schauspieler». Ich kann mich nicht erinnern, dass dies damals schon ein Gedanke von mir war. Bewusst habe ich mich wohl mit 15 oder 16 Jahren dafür entschieden.



Und was gab da den Ausschlag?

Plötzlich hatte ich da Lust, mit Corinna Glaus (von Glaus Casting in Zürich, Anmerkung der Redaktion) in Kontakt zu treten. Vielleicht hätte sie eine Rolle für mich. Und siehe da, sie war mitten im Casting für den Film «Liebling, lass uns scheiden» mit Marco Rima. Diese Rolle habe ich bekommen und fand das eine coole erste Schauspiel-Erfahrung.

Sind Absagen für Rollen gleich wie sonstige Job-Absagen?

Es tut uns leid, wir haben uns für jemand anderen entschieden. Also genau gleich. Aber Absagen für einen Zehnjährigen sind wohl ein bisschen anders als bei einem Erwachsenen. (lacht)

Du hast die European Film Actor School in Zürich absolviert …

Ich habe zuerst in der Schweiz studiert, das hat für mich aber nicht gepasst. Dennoch lernte ich einen Schauspiel-Coach hier kennen, der eine Schule in London hatte. Er fand, ich solle doch nach England kommen.

Warum hat es hier nicht gepasst?

Die Filmindustrie ist in der Schweiz nicht sehr gross. Es gibt generell nicht so viele Filme. Die meisten Schauspieler*innen gehen nach Deutschland, mich hat das aber nicht gereizt. Ich mag englische Filme und habe gewusst, dass die Theaterwelt dort gigantisch ist. Wenn ich das richtig machen will, gehe ich nach England. Dort haben die Menschen eine lange Geschichte, was dies angeht. Los Angeles war für mich als 19-Jährigen damals zu weit weg. Da passte mir London gut – und es ist eine geile Stadt!

Du hast eine Rolle bei «The Witcher» von Netflix. Das ist eine grosse Sache. Dennoch fliegst du hierzulande komplett unter dem Radar der Medien. Wie erklärst du dir das?

Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich gegangen bin. Ich habe im Ausland studiert, habe hier keine Filme mehr gedreht. Zurückgekommen bin ich auch nicht. Ich habe hier zu wenig Zeit verbracht, um überhaupt auf den Radar zu kommen.

In der Schweiz gibt es schlicht nicht genug Filme, um als Schauspieler zu überleben.

Basil Eidenbenz als Hexer Eskel im Trailer zur zweiten Staffel von «The Witcher» von Netflix – ihm gegenüber sitzt Freya Allan als Prinzessin Cirilla von Cintra.
Basil Eidenbenz als Hexer Eskel im Trailer zur zweiten Staffel von «The Witcher» von Netflix – ihm gegenüber sitzt Freya Allan als Prinzessin Cirilla von Cintra.
Netflix

Darum also die Entscheidung, nach London zu gehen.

Zusätzlich ist die Konkurrenz grösser im Ausland! Ich finde das spannend, es nicht einfach in England – dort stehst du teils 500 Mitbewerber*innen gegenüber. Es ist gutes Training, sich durch eine grosse Gruppe zu kämpfen und sich schliesslich durchzusetzen.

Das klingt nach einem unheimlichen Druck …

Ich habe es anfangs definitiv unterschätzt. Du gehst dorthin und merkst: Es wartet niemand auf dich – und es will dich eigentlich auch niemand. Du musst dir deinen Platz verdienen, ellbögeln. Ich bin da, ich will arbeiten, ich will Schauspieler sein.

Und wie bist du diese Aufgabe angegangen?

Unzählige Agenturen anschreiben, selber Szenen drehen und diese rausschicken. Einfach dranbleiben, das ist das Wichtigste. Wenn du von gescheiterten Schauspielern hörst, liegt das meist daran, dass sie aufgegeben haben. Solange du weitermachst, wirst du irgendwie, irgendwann und irgendwo Arbeit bekommen.

Dein Vorgänger bei «The Witcher» musste deine jetzige Rolle aus terminlichen Gründen aufgeben. Wie hast du die Figur Eskel schliesslich bekommen?

Meine Agentin hat mir das Casting zugeschickt. Weil es mitten in der Pandemie war, haben mich die Macher nicht einmal kennengelernt. Sie haben mein Video gesehen und gesagt: Ja, gut, den nehmen wir.

Wie war es beim Dreh? Das sind andere Dimensionen, als du sie bisher kanntest. Das ist Netflix. Das ist Henry Cavill. Die Bücher, die Videospiele und die erste Staffel von «The Witcher» waren allesamt riesige Erfolge.

Es gibt eine Eingewöhnungsphase. Da gehst du erst mal die Haare schneiden, die Kostüme anprobieren, übst ein paar Stunts. Es ist nicht so, dass dich Netflix auf das gigantische Set stellt und sagt: Also, dann mach mal.

Was war der erste Eindruck vom Set?

Als ich das erste Mal aufs Set gefahren wurde, dachte ich mir, dass es ganz schön lange dauert. Ich sah ein komplettes Witcher-Dorf an mir vorbeiziehen, das Netflix gebaut hat. Von aussen siehst du riesige Holzwände, aber sobald du innerhalb stehst, ist es unfassbar.

Ich war da in Kaer Morhen – das ist die Burg, in der alle Hexer trainieren – und stand in einer grossen Halle. Da waren Fackeln, ein riesiger Holztisch, Steinfassaden. Ich dachte zu mir: Okay, jetzt bin ich in einer völlig anderen Welt.

Wie unterscheidet sich so eine Produktion von einer kleineren?

Es sind mehr Leute, kostet viel mehr Geld, die Kostüme sind komplizierter. Der Spirit ist aber derselbe wie auf einem kleineren Set. Du gehst schlicht arbeiten.

Du spielst Hexer Eskel, Henry Cavill die Hauptfigur, Hexer Geralt. Warst du von ihm eingeschüchtert?

Anfangs schon ein bisschen. Ich habe ihn beim Stunttraining schon kennengelernt. Er ist Superman. Er ist ein Kerl wie ein Schrank – und ich nicht (lacht). Ich dachte mir, das sieht doch bescheuert aus, wenn ich neben ihm auch einen Witcher spiele. Er ist gleich gross wie ich, einfach doppelt so breit.

Er macht all seine Stunts selbst und ist verdammt gut darin. Es war ziemlich eindrücklich, mit welcher Präzision er seinen gestählten Körper einsetzen kann.

Wie lange konntest du deine Stunts üben?

Etwa vier Wochen. Die Macher wussten nicht, wie körperlich fit ich bin. Ich hatte ein Stuntdouble auf dem Set, sollte etwas nicht funktionieren. Bei Henry Cavill wussten sie natürlich noch von der ersten Staffel, was er kann und wie gut seine Auffassungsgabe ist.

Hattest du Lampenfieber beim Dreh?

In meiner zweiten Szene treffe ich alle Witcher in der vorhin erwähnten Halle in Kaer Morhen und musste sie begrüssen. Am Ende der ersten Staffel reist Geralt ja dorthin.

Ich komme in diesen Raum und sehe erst mal alle in ihren Kostümen, zuvorderst Henry Cavill als Geralt of Rivia, Schwert auf dem Rücken, weisse Haare. In dem Moment hat mein Herz kurz ausgesetzt.

Über deine Bezahlung darfst du wahrscheinlich nicht reden. Da es Netflix ist, muss ich trotzdem fragen…

Ich bin den Umständen entsprechend sehr dankbar. Ich war fast pleite. Im Lockdown wusste ich nicht, was kommt, ob ich je wieder arbeiten werde.

Geht diese Unsicherheit nicht generell mit dem Job einher?

Je nachdem hast du einen nächsten Job in Aussicht, aber das ist nicht immer der Fall. Es kommt schon vor, dass du nach einem Dreh nach Hause kommst und merkst: Jetzt bin ich wieder arbeitslos.

Schlägt das auf die Psyche?

Ich glaube schon, aber das merkst du immer erst im Nachhinein. Psychischer Stress ist keine Währung, die sich vergleichen lässt. Ein Kind grosszuziehen, ist bestimmt stressiger, als Schauspieler zu sein. Das macht Arbeitslosigkeit als Schauspieler deswegen nicht einfacher.

Zum Schluss möchte ich noch eine Reaktion von dir auf folgendes Stichwort: «Indiana Jones 5».

No comment (lacht).

Die zweite Staffel von «The Witcher» erscheint am 17. Dezember 2021 auf Netflix.