«The Voice» Schweizer begeistert bei «The Voice»: «Ich spüre den Song in meinen Knochen»

Nathalie Röllin

5.11.2018

Kommt bei «The Voice» gut an: Flavio Baltermia. 
Kommt bei «The Voice» gut an: Flavio Baltermia. 
Sat.1

Flavio Baltermia aus Bern punktet bei «The Voice of Germany» mit einem Klassiker von Supertramp. Aber seine Religion ist die Klassik, wie der 42-jährige Kinderbetreuer im Interview verrät.

Herzliche Gratulation! Sie haben sich gestern bei «The Voice» weitergesungen. Was ist das für ein Gefühl?

Vielen Dank. Ich bin auf jeden Fall überrascht, dass ich weitergekommen bin. Ich bediene meiner Meinung nach in vielerlei Hinsicht nicht gerade die Bedürfnisse des modernen Durchschnittskonsumenten und freue mich deshalb ganz besonders, dass meine Liebe zur Musik etwas Bewegendes transportiert zu haben scheint.

Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Auftritt?

Vom musikalischen Aspekt her bin ich zufrieden. Ich konnte mich künstlerisch so zeigen, wie ich bin und deshalb fühlt sich für mich auch das Ergebnis stimmig an. Einzig die Gesprächssituationen sind ungewohnt, und ich sehe sie mir etwas verhalten an. Es ist für mich nicht ganz einfach, mich damit zu konfrontieren, da ich ein sehr selbstkritischer Mensch bin und grossen Wert darauf lege, wie mich die Öffentlichkeit wahrnimmt.

 Flavio Baltermia bei seinem Auftritt.
 Flavio Baltermia bei seinem Auftritt.
Screenshot Sat.1

Wieso haben Sie sich für Yvonne Catterfeld als Coach entschieden?

Meine Freundin meinte intuitiv, dass ich zu Yvonne gehen soll, falls sie sich drehen würde. Musikalisch wie auch menschlich passen wir sehr gut zusammen, meint sie. Michi und Smudo standen für mich auch hoch im Kurs, da ich ihre Musik natürlich aus meiner Jugendzeit kenne und meine Bruder ein grosser Fan von Fanta 4 ist.

Hatten Sie einen Wunschcoach, bevor Sie wussten, wer sich umdrehen wird?

Ich hatte selber vom Format «The Voice» tatsächlich keine Ahnung, da ich es nie gesehen habe beziehungsweise es mich nie sonderlich interessiert hatte. Daher war diese Frage im Vorfeld auch nicht relevant für mich. Ich dachte mir, dass ich von allen Coaches auf eine Art und Weise profitieren werde, da ich es generell liebe, mit verschiedenen Menschen zusammenzuarbeiten.

Yvonne Catterfeld lauscht verzückt der Darbietung von Flavio Baltermia.
Yvonne Catterfeld lauscht verzückt der Darbietung von Flavio Baltermia.
Screenshot Sat.1

Sie haben das Lied «Breakfast In America» von Supertramp gesungen. Was bedeutet das Lied für Sie persönlich?

Das Lied war eine absolute Spontanentscheidung. Ich habe es seit einer gewissen Zeit in meinem Repertoire, nebst vielen anderen Klassikern, die ich auf meine eigene Art interpretiere. Bei der Audition habe ich diesen Song spontan gesungen, und er scheint bei den Zuhörern den richtigen Nerv getroffen zu haben. Ich spüre den Song einfach in meinen Knochen, wenn ich ihn spiele. Und er zaubert mir ein Lächeln ins Gesicht.

Wann haben Sie Ihre Liebe zur Musik entdeckt?

Diese war schon seit jeher da, und ich kann mich an einen Anfang nicht wirklich erinnern. Eine meiner ersten Erinnerungen ist jedoch Mozarts «Eine kleine Nachtmusik» auf meinem Kinderplattenspieler. Auch wenn die Welt in Kinderaugen bereits spannend und wunderschön ist, hat diese Musik sie noch einmal um ein Vielfaches bereichert. Spätestens von diesem Moment an konnte oder wollte ich mir ein Leben ohne Musik – viel Musik – nicht vorstellen. Und ich musste wohl etwa 30 Jahre alt werden, bis von meiner Seite aus auch zwischendurch einmal Stille und Ruhe zugelassen und geschätzt wurden. Davor hatte ich kaum genug Zeit, fast alles, was ich mir anhören konnte, aufzusaugen.

Wie nervös waren Sie auf der Bühne? Und standen Sie überhaupt schon einmal auf einer so grossen?

Ich bin generell nicht so nervös vor Auftritten, weil ich den Moment in vollen Zügen geniessen möchte und es mir irgendwie immer gelingt, gelassen zu bleiben. Doch bin ich tatsächlich schon auf grossen Bühnen – vorwiegend in der Schweiz – aufgetreten. Auch wenn ich in den jeweiligen Projekten wohl eher ein kleiner Fisch war, ist es immer die Erfahrung dabei zu sein, die für mich bedeutend ist. Ich bin nicht auf Prestige aus, sondern auf eine wirkliche und echte Bereicherung. Zudem bin ich unglaublich neugierig. Weshalb ich wohl auch zu meiner eigenen Überraschung bei «The Voice» gelandet bin.

Sie hören privat gerne klassische Musik. Weshalb?

Musik im Allgemeinen ist meine Leidenschaft. Die klassische Musik ist meine ganz grosse Liebe. Ich identifiziere mich mit ihr, wie mit kaum etwas anderem sonst. Sie erfüllt mich, stärkt mich, regeneriert mich. Ihre Vielfalt, ihre Tiefe und ihre Unberechenbarkeit hauen mich immer wieder von Neuem um. Ich fühle mich in ihr zu Hause und identifiziere mich zu 100 Prozent mit ihr. Zudem ehre und schätze ich sie, weil sie für mich als autodidaktischem und intuitivem Musiker mehr oder weniger unantastbar bleibt. Sie lässt mich einfach nur zuhören und fühlen, ohne dass ich meinen Kopf involvieren muss. Ich höre sie mit Herz und Seele und bin einfach nur dankbar und demütig. Sie ist meine Kirche, meine Religion. Und ich habe eine starke Sehnsucht danach, dass mehr Menschen heutzutage wieder in den Genuss  ihrer Magie kommen.

Sie komponieren ja selbst Lieder. Welche Musikrichtung schlagen Sie dort ein?

Ich komponiere nicht nur Songs, sondern habe auch schon ein Musical, ein Chorstück und diverse kammermusikalische Werke geschrieben. Eine gewisse Zeit lang habe ich auch Musik für Film und Werbung produziert und Arrangements geschrieben. Wichtig ist, dass eine Geschichte erzählt wird und dafür die passenden Stilmittel und eine geeignete Form gewählt werden. In meinem schöpferischen Prozess bin ich wohl eher eklektisch. Leider lässt die Musikindustrie heutzutage kaum mehr Spielraum zu und trimmt den Konsumenten auf ein reduziertes und stark vereinfachtes Angebot, was ich sehr bedaure. Glücklicherweise spürt man bei Musikliebhabern vermehrt eine ungestillte Neugierde und ein Bedürfnis auf mehr Abwechslung und Anspruch.

Der Applaus macht Flavio Baltermia ganz verlegen.
Der Applaus macht Flavio Baltermia ganz verlegen.
Screenshot Sat.1

Sie sind Kinderbetreuer – was gefällt Ihnen am meisten an Ihrem Beruf beziehungsweise was können Sie von «Ihren» Kleinen lernen?

Kinder sind authentisch, unvoreingenommen und von Grund auf neugierig. Sie sehen das Gute in allem und in sich selbst. Dadurch stehen sie beinahe konstant und gewollt mit ihrer Welt im Austausch. Ich mag den Beruf, weil man in kaum einem anderen solche Voraussetzungen vorfindet. Wir kommen täglich zusammen, um gemeinsam und mit Freude das Leben zu entdecken, Erfahrungen zu sammeln und unser Selbstwertgefühl zu stärken. Die Arbeit mit den Kindern erdet mich, und ich schätze ihre Offenheit und Ehrlichkeit. Die Freude in Kindergesichtern ist das schönste und echteste Feedback, das man bekommen kann. Ich lerne von ihnen oft, dass weniger mehr ist, dass ich gut bin, wie ich bin und dass das Leben ein Geschenk ist. Gerade wenn man manchmal auf der Bühne steht, braucht es einen Ausgleich, der einem die echten und einfachen Werte des Lebens demütig vor Augen führt. Kinder sind dabei die besten Lehrmeister. Ganz nach dem Motto: «Don't grow up. It's a trap!» («Werde nicht erwachsen. Es ist eine Falle!», Anm. d. Red.)

Das Video von Flavio Baltermias Auftritt finden Sie hier.

«The Voice of Germany» lief am Sonntag, 4. November, um 20.15 Uhr auf Sat.1. Mit Swisscom TV Replay können Sie die Sendung bis zu sieben Tage nach der Ausstrahlung anschauen.

Gänsehaut-Auftritt: Blinde Schweizerin begeistert bei «The Voice»
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