Umarmung für Grosseltern Kinder und Coronavirus – klar ist, dass nichts klar ist

Von Julia Käser

28.4.2020

Laut dem BAG dürfen Grosseltern ihre jüngsten Enkel wieder in die Arme schliessen. (Symbolbild)
Laut dem BAG dürfen Grosseltern ihre jüngsten Enkel wieder in die Arme schliessen. (Symbolbild)
Bild: Getty Images

Während Schweizer Grosseltern ihre jüngeren Enkel wieder kurz in die Arme schliessen dürfen, fordern Expertinnen und Experten vor allem eines: mehr Studien zum Thema Kinder und Corona. Es gebe Wissenslücken.

Am Montag verkündete Daniel Koch vom BAG die Nachricht: «Grosseltern können die Kleinkinder ohne Gefahr an sich drücken.» Eine Aussage, die viele erfreut hat – aber auch überrascht. So war es Koch selbst, der wochenlang am ausdrücklichsten vor direktem Kontakt zwischen Enkelkindern und ihren Grosseltern gewarnt hatte.

Sein Umdenken begründete der Experte damit, dass es kaum wissenschaftliche Daten gebe, die auf eine Übertragung des Coronavirus durch Kleinkinder hinweisen würden. Laut Koch steigt das Risiko einer Ansteckung erst ab etwa zehn Jahren, weshalb auf Umarmungen mit älteren Enkelkindern nach wie vor verzichtet werden sollte.

Das Argument, Kinder würden äusserst selten am Coronavirus erkranken und den Erreger dementsprechend kaum übertragen, kam schon beim Entscheid rund um die geplante Schulöffnung zum Zuge. Dabei zeigte sich: Es ist keineswegs unumstritten. Der Präsident der Waadtländer Ärztegesellschaft etwa bemängelte, es sei nicht hinreichend erforscht, inwiefern Kinder tatsächlich betroffen seien.

Übertragen Kinder weniger oder keine Viren? 

Dass es bis anhin fast keine expliziten Studien zur Rolle der Kinder in der Corona-Pandemie gibt, bestätigt SRF-Wissenschaftsredaktorin Cathrin Caprez in einem Bericht von SRF 4. Zwar würden Kinder in diversen Analysen mituntersucht, jedoch reiche die Fallzahl dabei meist nicht aus, um statistisch signifikante Aussagen über ihre Erkrankungsrate oder -verläufe zu machen.



Laut Christoph Berger, Leiter der Infektiologie und Spitalhygiene am Universitäts-Kinderspital Zürich, ist die Frage nach der Ansteckungsgefahr bei Kinder sehr schwierig zu beantworten. In einem Video des Kinderspitals klärt er über den bisherigen Wissensstand zum Thema auf.

Klar sei dies: Kinder infizierten sich demnach deutlich seltener mit dem Coronavirus als Erwachsene – nichtsdestotrotz gebe es immer wieder Kinder, die erkranken und folglich auch ansteckend seien. Doch bei betroffenen Kindern verlaufe die Krankheit in aller Regel viel milder als bei Erwachsenen. Das habe einen Einfluss auf die Übertragung des Virus.

Dieser Punkt des Experten ist einleuchtend: Wer weniger hustet und niest, verbreitet entsprechend weniger Viren in seiner Umgebung. Ein Fragezeichen bleibt aber auch für Berger weiterhin bestehen: «Wir wissen nicht, ob Kinder deshalb gar keine oder nur weniger Viren übertragen.»

Kinder erkranken laut chinesischer Studie nicht seltener

Diese Wissenslücke rund um die Virusausscheidung beschäftigt auch den Virologen der Berliner Charité, Christian Drosten, im NDR-Podcast. Dort heisst es: Es sei richtig, dass infizierte Kinder häufig geringe bis gar keine Symptome zeigten. Das heisse jedoch nicht automatisch, dass sie weniger ansteckend seien. 

So ist laut Drosten nicht einmal gesichert, ob Kinder tatsächlich weniger infiziert würden als Erwachsene. Der Experte verweist auf eine chinesische Studie zur Übertragung des Virus unter Kontakten aus demselben Haushalt. In dieser hätten die Forscherinnen und Forscher dieselbe Erkrankungsrate für Kleinkinder wie für 20- bis 30-Jährige festgestellt. 

Kann daraus etwa geschlossen werden, dass den Kleinsten bei der Übertragung des Coronavirus gar keine Sonderrolle zukommt? Drosten verneint. Um ein solches Fazit zu ziehen, seien dringend mehr gezielte wissenschaftliche Studien zu Infektionen bei Kindern notwendig. 

Hüten nach wie vor keine gute Idee

In Anbetracht der unklaren Forschungslage und den geplanten Schulöffnungen ist davon auszugehen, dass die Frage nach der Rolle von Kindern bei der Virus-Übertragung das BAG rund um Daniel Koch noch länger beschäftigten wird. 



Dieser hält nebst dem Go für die Umarmung des Enkelkindes des Weiteren daran fest, dass auf Kinderhüten nach wie vor verzichtet werden soll. Selbst wenn Kleinkinder keine Überträger des Coronavirus sind, kämen die Grosseltern bei der Übergabe mit den Eltern in Kontakt. Und das gelte es, so Koch, weiterhin zu verhindern. 

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