BoykottBlack Friday – wer macht nicht mit beim Schnäppchentag?
Mara Ittig
22.11.2018
Der Black Friday hat sich als Shoppingtag auch in der Schweiz etabliert – am 23. November locken zahlreiche vermeintliche Schnäppchen. Doch nicht alle Händler ziehen mit.
2015 lancierte Manor den Verkaufstag, der jeweils am vierten Freitag im November stattfindet, in der Schweiz. Der Warenhauskonzern beschenkte seine Kunden sortimentsübergreifend mit 30 Prozent Rabatt. Im Folgejahr zogen weitere Retailer wie H&M, Ochsnersport oder La Redoute nach.
Inzwischen ist der Tag fast flächendeckend in der Schweizer Retaillandschaft angekommen. Viele Händler locken schon seit Anfang der Woche mit Rabatten, online gipfelt das Verkaufs-Happening am folgenden Montag mit dem sogenannten Cyber Monday.
Gefühlt machen sämtliche Händler sowohl on- als auch offline beim Aktionstag mit. Der Verband des Schweizerischen Versandhandels gibt an, dass der Grossteil der grossen und in der breiten Masse tätigen Händler den Black Friday tatsächlich nutzen.
Doch es gibt ein paar wenige gallische Dörfer unter den Händlern, die den Schnäppchentag nicht mitmachen. Meist handelt es sich hier um Anbieter im Premium-Segment und um kleine Shops, die sich die Rabattschlacht schlicht nicht leisten können oder wollen.
Rabatte verärgern die Kundschaft
Stilpapst Jeroen van Rooijen, der in Zürich gemeinsam mit seiner Frau die kleine Modeboutique «Cabinet» betreibt, sagt dazu: «Wir können es uns nicht leisten. Wir streben vielmehr schon einige Zeit danach, saisonlose, wertbeständige Produkte zu finden und zu verkaufen, um uns dieser Abwärtsspirale des Handels zu entziehen.»
Das Zürcher Traditionsgeschäft enSoie, das auf hochwertige Bekleidung, Accessoires und Einrichtungsgegenstände setzt, ist am Black Friday ebenfalls nicht dabei. Da hierzulande Thanksgiving keine Bedeutung habe, wolle man auch den Black Friday nicht begehen.
Das Bekleidungsgeschäft The Apartement Store verzichtet gleich komplett und ganzjährig auf Rabatte. Preisnachlässe würden nicht nur die Ware abwerten, sondern auch die Stammkundschaft verärgern, die etwas zum regulären Preis gekauft habe. Dass man sich nicht mehr an Sales beteilige, werde von jener Kundschaft sehr geschätzt.
Chocolatier Läderach verzichtet in der ganzen Schweiz ebenfalls auf Rabattaktionen, da dies nicht zum Auftritt als Anbieter von Premium-Schokolade Anbieter passe.
Einen Schritt weiter geht die Boutique Villa Paul in Baden: Es gibt am Freitag keine Rabatte, dafür rufen die Betreiber einen White Friday ins Leben: Zehn Prozent des Umsatzes vom 23. November werden an Fashion Revolution gespendet, eine Initiative, die sich für nachhaltige Mode einsetzt.
Exklusivität leidet unter Aktionen
Christian Weibel, Spezialist für Preispsychologie an der Hochschule Luzern, erklärt die Gründe für die Nicht-Teilnahme so: «Premium-Produkte laufen Gefahr, dass ein nachhaltiger Image-Verlust in der Markenwahrnehmung entstehen kann. Einige Luxusmarken im Mode- und Uhrenmarkt machen hier beispielsweise meistens explizit nicht mit, um eben genau dieser Gefahr aus dem Weg zu gehen.»
Exklusivität sei in diesem Geschäftsfeld ein starkes Verkaufsargument, das unter solchen Aktionstagen leiden könne. Er erklärt: «Wenn sich plötzlich mehr Konsumenten und Konsumentinnen ein bestimmtes Luxusprodukt leisten können oder wollen, verliert es an Attraktivität für die eigentliche Zielgruppe. Diese würde dann das Produkt mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit kaufen.»
Cui bono?
Dass der Tag dem Handel durchaus nützt, stellt eine deutsche Studie fest: Die Berliner Hopp Marktforschung stellte im Auftrag der Black Friday GmbH fest, dass Online-Händler, die nicht am Black Friday teilnehmen, im Nachteil seien. Rund 70 Prozent der befragten deutschen Händler konnten – laut eigener Angabe – durch die Teilnahme am Black Friday in den letzten Jahren Neukunden gewinnen.
Lohnt sich der Tag für die Konsumentinnen und Konsumenten? Fachmann Weibel rät dazu, sich vor ungeplanten Spontankäufen zu schützen. Denn die vermeintlichen Angebote verleiteten dazu, deutlich mehr zu kaufen als nötig, der Spareffekt sei also dahin. Um dies zu vermeiden, empfiehlt er «sich vorab eine Liste mit den Produkten zu machen, die gekauft werden sollen und zu überlegen: 'Brauche ich das Produkt wirklich?'»
Kaufrausch funktioniert ähnlich wie Drogenkonsum
Auch Dorothea Schaffner von der Fachhochschule Nordwestschweiz und Spezialistin für Wirtschaftspsychologie empfiehlt, am Black Friday geplant einzukaufen. Sie sagt, dass es am Ende oftmals die Kaufkonditionen wie der Preis seien, die über einen Kauf entschieden – und nicht die Tatsache, ob man etwas brauche oder nicht. «Bei gewissen Kaufentscheidungen werden im Gehirn die selben Areale angesprochen wie beim Drogenkonsum», deshalb würden rationale Entscheide in den Hintergrund gedrängt. Beim Black Friday funktionierte zudem die zeitliche Begrenzung als starker Anreiz, weil der Effekt der künstlichen Verknappung zum Kauf anrege.
Bei aller Schnäppchen-Euphorie ist man sicher gut beraten, im Kopf zu behalten, dass hinter dem Tag eine raffinierte Marketingmaschinerine steckt und die ausgewiesenen Rabatte nicht immer den tatsächlichen Rabatten entsprechen – etwa dann, wenn ein falscher Marktpreis als Referenzwert angegeben wird.
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