Die KolumneEin teurer Spass: Sollte Essen in der Öffentlichkeit gebüsst werden?
Marianne Siegenthaler
30.9.2018
Seit kurzem ist in Florenz auf einigen Strassen und Plätzen das Essen verboten. Eine zünftige Einnahmequelle für Väterchen Staat, findet unsere Kolumnistin. Oder braucht es ein solches Verbot wirklich?
Durch die Altstadt schlendern, ein Stück Pizza kaufen und es sich auf einem der historischen Plätze gemütlich machen – für mich gehörte das früher einfach dazu, wenn ich Florenz besuchte. Das könnte mich heute teuer zu stehen kommen. Bis zu 500 Euro Busse drohen, wenn man zu gewissen Tageszeiten auf Trottoirs, Treppen oder Einfahrten isst. Damit will man «flegelhafte Touristen» ausbremsen, wie der der Bürgermeister von Florenz, Dario Nardella, sagt. Nein, es geht nicht primär darum, dass die Touris mit Pizzaschachteln oder Red Bull-Dosen die Altstadt vollmüllen. Da könnte man ja einfach Bussen fürs Littering verhängen. Vielmehr stören sich die Stadtoberen daran, dass die Touristen viel Geld sparen, indem sie sich an Imbissständen statt im Restaurant verköstigen. Deshalb gilt das Verbot auch explizit während der Mittags- sowie der Abendessenszeit.
Willkommene Geldquelle
Ein geschäftstüchtiger Mann, der Sindaco Nardella. Denn nicht nur unterstützt er so die einheimischen Beizer, auch die Stadtkasse profitiert, wenn sich jemand nicht an das Verbot hält. 500 Euro Busse! Isch no vill! Also über einen Fünftel des Durchschnittsmonatslohns eines Italieners. Rechnet man das um auf Schweizer Verhältnisse, sieht das so aus: Eine Bratwurst vom «Sternen» in Zürich, die man als Tourist genüsslich auf dem Sechseläuteplatz verdrückt, würde mit rund 1300 Franken gebüsst werden. Völlig unverhältnismässig. Und ob man mit dieser Massnahme die Zürcher Restaurants füllen würde, das bezweifle ich doch stark. Zumal nach dem Bezahlen der Busse das Feriengeld ohnehin aufgebraucht ist.
Draussen ja, im Tram nein
Essen auf der Strasse, auf Plätzen oder Treppen – das ist Geschmackssache, sollte aber jedem selber überlassen bleiben. Und natürlich wirft man die Abfälle in den Mülleimer. Aber ich habe grosses Verständnis dafür, dass Essen an manchen anderen Orten verboten ist. In öffentlichen Verkehrsmitteln wie Tram und Bus zum Beispiel, wie das unter anderem in Basel der Fall ist. Es ist ja nicht so, dass die Nahverkehrsmittel derartig lange unterwegs sind, dass man den Hungertod sterben könnte, bevor man das Ziel erreicht.
Aber für manche Menschen ist das Tram eben auch die Kantine, sozusagen. Und deshalb kaufen sie sich einen Döner, Asia Noodles oder sonstigen Fastfood und verdrücken das auf dem Weg zur Schule, nach Hause, ins Büro, ins Fussballtraining – wohin auch immer. Und weil Fastfood in der Regel warm ist und stinkt, müssen alle andere ÖV-Benutzer mitleiden. Doch es ist nicht nur der Geruch. Es gibt noch weitere «Emissionen». Denn irgendwas tropft immer, sei es Fett, Mayo, Ketchup, Salatsauce oder das Süssgetränk. Und das klebt dann auf den Sitzen, am Boden, an den Haltestangen – wäääck!
Touris nicht verärgern
Aber zurück nach Florenz. Offenbar ist man von den Bussen für flegelhafte Touristen selbst nicht ganz überzeugt. So gilt denn die Massnahme nur gerade bis zum 6. Januar 2019. Immerhin bringen die sechs Millionen Touristen jährlich doch einiges Geld in die schöne Stadt in der Toskana. Acht Millionen Euro beispielsweise, nur um die «David»-Statue von Michelangelo in der Galleria Dell'Accademia zu bewundern. Da will man die Touristen doch nicht mit hohen Bussen für Kleinigkeiten verärgern – und ihnen in Zukunft hoffentlich selber überlassen, was sie wann und wo zum Zmittag oder Znacht essen möchten.
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