1000 Fragen – Teil 4 Frank Baumann: «Bern geht mir auf den Sack»

Von Bruno Bötschi

23.5.2019

Das längste Interview der Schweiz, Teil vier: Frank Baumann, der Tausendsassa, über Christoph Blocher, die wichtigsten Worte seiner Mutter, sein Comeback als Bühnenkünstler – und es gibt einen Wettbewerb.

Der erste Teil des «1000-Fragen»-Gespräches kann hier gelesen werden, der zweite hier und der dritte hier. Wer das Interview lieber schaut als liest, guckt sich das obige Video an.

Herr Baumann, wo liegen Sie, wenn Sie komplett relaxt sind?

Auf dem Rücken.

Führt Konzentration zwangsweise zur Einsamkeit?

Hmm. Nein.

Wohin gehen Sie, wenn Sie allein sein wollen?

An einen Fussballmatch von GC.

Wann zuletzt gezeichnet?

Gestern. Ich bin an einer Serie von Illustrationen. Da habe ich einen Zeitplan, den ich einhalten muss, und wenn ich ihn nicht einhalte, bekomme ich ein Zeitproblem. Ich muss also «Gring ache u seckle» und das durchziehen.

Wann zuletzt fotografiert?

Gestern privat und letzte Woche geschäftlich.

Haben Sie einen geheimen Instagram-Account?

Ist der noch geheim? Ich habe noch meine «Alter-Egi», welche ihre eigenen Facebook- und Instagram-Accounts haben.

Wo ist Zürich am schönsten?

Das ist eine blöde Frage. Zürich ist eine Hammerstadt. Es gibt so viele Ecken und Gassen, die schön sind.

Wo ist Bern am schönsten?

Bern geht mir auf den Sack. Wann immer ich dort arbeiten musste, traf ich auf der Strasse viele spezielle Leute an. Vielleicht ist es gut, wenn man sie nicht in die Psychiatrie steckt, sondern sagt: Gehe etwas an die frische Luft spazieren. Aber so viele verwirrte und verwahrloste Leute tun mir fast etwas weh. Denn die Stadt ist eigentlich traumhaft. Ein ganz schöner Platz war die Wohnung von Alt-Bundesrätin Doris Leuthard.

Wo ist Genf am schönsten?

Nicht meine Ecke.

Was empfinden Sie am Zürichsee?

Kälte.

Weshalb zügeln sie dann an den Zürichsee?

Ich muss ja nicht in den Zürichsee. Und dort, wo wir wohnen, gibt es den schönsten Sonnenuntergang.

Wo ist die Schweiz am allerschönsten?

In Lachen.

Wie oft waren Sie auf der Jungfrau?

Auf verschiedenen. Später liess das natürlich nach, weil die auch älter wurden ... – aber auf dem Berg war ich zusammen mit dem verstorbenen Bergsteiger Ueli Steck. Das ist ein paar Jahre her.

Wie oft auf dem Rütli?

Auf dem Ruthli oder dem Rütli? Dreimal höchstens.

Je das Schloss Chillon besucht?

Klar.

Wohin führte Ihre allererste Schulreise?

Aufs Schloss Chillon ... Stimmt natürlich nicht. Weiss ich nicht mehr. Das ist überhaupt eine Katastrophe, eine Schulreise. Da wird einem etwas Schönes vorgegaukelt. Es gibt ein Sandwich und eine Banane und etwas zum Trinken. Man macht sich bereit, bereitet sich voller Motivation auf diesen speziellen Anlass vor, geht ins Bett. Und am nächsten Tag regnet's – und es heisst: Die Schulreise ist abgesagt. Die Schulreise ist eine Frechheit für die Schüler.

Aber es gibt doch den Wetterbericht.

Damals doch nicht. Da gab es noch keine Wetter-Apps. Weshalb gibt es heute eigentlich noch Wetterfrösche? Da gibt es irgendwelche Wahnsinnigen wie Herrn Wick, die uns das Wetter verkaufen. Dabei ist das doch gar nicht nötig, dass sich irgendwelche Wetter-Fees völlig unterkühlt und ausgemergelt bei Schneesturm auf das Dach des Fernsehstudios stellen. Den Thomas Bucheli kannst du rauchen. Ich habe heute doch die Wetter-App.

Man sollte also Kachelmann und Co. abschaffen?

Klar, weg mit all diesen Vögeln! Das bringt gar nichts. Quote würde man machen, wenn man Naked News machen würde mit nackten Wetterfeen.

Frank Baumann über seine Arbeit als Werber: «Es ist nur noch minim lustig. Es hat überall Bedenkenträger, die sich um den Shareholder-Value sorgen. Niemand hat noch Mut, sondern fürchtet um seinen Job. Ich konnte als Werber arbeiten, als man noch das Kalb machen und etwas bewegen konnte.»
Frank Baumann über seine Arbeit als Werber: «Es ist nur noch minim lustig. Es hat überall Bedenkenträger, die sich um den Shareholder-Value sorgen. Niemand hat noch Mut, sondern fürchtet um seinen Job. Ich konnte als Werber arbeiten, als man noch das Kalb machen und etwas bewegen konnte.»
Bild: Christian Thumshirn

Und das würden Sie machen?

Ich würde es verantworten. Selber machen bringt ja nichts. Im letzten Sommer hatte ich ein Nackterlebnis, das fast eine Nahtoderfahrung war. Im August übernachteten wir auf unserem Motorboot auf dem Zürichsee. Vorher gingen wir noch baden. Als wir wieder ins Boot einsteigen wollten, klappte plötzlich die Kabinentür zu. In der Folge drifteten wir ohne Schlüssel, ohne Kleider und ohne Handy über den See. Meine Frau schlug vor, dass ich auf die Insel Ufenau schwimme und dort nach Kleidern frage. Ob dieser Vorstellung sah ich natürlich schon die «Blick»-Schlagzeile vom kommenden Tag: «Verwirrter TV-Greis strippt auf Insel!» Nach 20 Minuten konnten wir dann endlich die Türe doch noch öffnen. Danach verfolgten mich die ganze Nacht schreckliche Albträume. Ich sah mich vor 26 Nonnen stehen, nackt. Die Fantasie brannte komplett durch mit mir.

Wegen der Nonnen?

Nein, wegen dem ganzen Nonsens.

Sind Sie eigentlich immer noch regelmässig als Werber tätig?

Nein, die Zeiten haben sich komplett geändert. Es ist nur noch minim lustig. Es hat überall Bedenkenträger, die sich um den Shareholder-Value sorgen. Niemand hat noch Mut, sondern fürchtet um seinen Job. Ich konnte als Werber arbeiten, als man noch das Kalb machen und etwas bewegen konnte. Machen Sie doch einmal für «Bluewin» eine geile Kampagne!

Sie würden gratis für «Bluewin» eine Kampagne machen?

Schon wieder eine Suggestivfrage, Herr Bötschi. Gratis gibt es gar nichts mehr.

Kostenlos?

Günstig.

Sie haben einen Satz, um für die Schweiz zu werben: Wie lautet er?

Ähm. Und sie bewegt sich doch!

Sie haben zwei Sätze, um für die Schweiz zu werben: Wie lauten sie?

Ehrenwort. Das eine Wort als Ergänzung zu dem Satz oben.

Was empfinden Sie in den Bergen?

Demut.

Der höchste Berg, den Sie je bestiegen haben?

Das Matterhorn ist es nicht, aber irgendein Walliser Berg.

Wo waren Sie zuletzt in den Ferien?

Murcia.

Wo reisen Sie demnächst hin?

Mallorca. Dann nach New York.

Welcher bedeutende Satz über Europa muss unbedingt noch gesagt werden?

Könnte man viel sagen. Möchte ich aber nichts sagen.

Und wenn wir schon bei dem Thema «Heimat» sind, wollen wir den Fragebogen dazu nicht vergessen, den der Schriftsteller Max Frisch 1971 während eines USA-Aufenthaltes erstellt hat:

Seine erste Frage war: Wenn Sie sich in der Fremde aufhalten und Landsleute treffen: Befällt Sie dann Heimweh oder dann gerade nicht?

Kommt auf die Leute an.

Hat Heimat für Sie eine Flagge?

Nein, einen Geruch.

Worauf könnten Sie eher verzichten: auf Heimat, auf das Vaterland oder auf die Fremde?

Vaterland.

Was bezeichnen Sie als Heimat? Ein Dorf, eine Stadt oder ein Quartier darin, einen Sprachraum, einen Erdteil oder eine Wohnung?

Wohnung.

Wollten Sie schon einmal auswandern?

Nein.

Welche Speisen essen Sie aus Heimweh und fühlen Sie sich dadurch in der Welt geborgener?

Jesses Gott! Ein Wiedikerli von der Metzgerei Keller in Zürich.

Wie viel Heimat brauchen Sie?

Nicht so viel.

Haben Sie eine zweite Heimat?

Nein.

Sie sind ja dreiviertel Deutscher. Fühlen Sie sich nicht auch etwas als Deutscher?

Ich bin aufgrund familiärer Dispositionen dreiviertel Deutscher. Ich könnte genauso gut Taliban sein. Sie können mich aber doch nicht als Taliban bezeichnen, bloss weil ich in diesen Kulturkreis hinein geboren wurde.

Ich habe Sie nur gefragt und nicht verantwortlich gemacht ...

Aber Sie hatten diesen aggressiven Unterton, der schon im ganzen Gespräch vorherrscht.

Kann Ideologie zu einer Heimat werden?

Nein.

Das waren einige Fragen von Max Frisch zum Thema «Heimat», die haben Ihnen allem Anschein nach nicht so veil Spass gemacht ...

Doch, sehr! Ich habe auch viel dazu beigetragen.

Frank Baumann über seinen Verdienst: «Keine Ahnung! Ich weiss nicht im Ansatz, wie viel Geld wir verdienen. Meine Frau regt sich immer fürchterlich auf, weil mich das nicht interessiert. Denn mich interessiert mehr die Art und Weise, wie ich verdiene. Und wenn es nicht mehr reicht, dann essen wir halt nur noch Brot und Käse.»
Frank Baumann über seinen Verdienst: «Keine Ahnung! Ich weiss nicht im Ansatz, wie viel Geld wir verdienen. Meine Frau regt sich immer fürchterlich auf, weil mich das nicht interessiert. Denn mich interessiert mehr die Art und Weise, wie ich verdiene. Und wenn es nicht mehr reicht, dann essen wir halt nur noch Brot und Käse.»
Bild: Christian Thumshirn

Wann zuletzt unter freiem Himmel geschlafen?

Das war ganz lässig. Das war vor etwa zehn Jahren, zusammen mit der Familie. Es war im Gebirge. Ich kaufte dann extra noch solche Überzugschlafsäcke gegen die Kälte, die auch die Alpinisten verwenden. Trotzdem war dann meine Frau am nächsten Morgen etwas unterkühlt, weil sie sich im Laufe des Schlafprozesses mit ihrem Daunenschlafsack aus diesem Schutzsack herausoperierte und die ganze Nacht im feuchten Gras verbrachte, sodass alles seichnass war. Doch es war grossartig, so unter freiem Himmel zu schlafen.

Welches Hotel hat die besten Matratzen der Welt?

Das White Hotel in New York.

Können Sie versprechen, dass Sie niemals mehr als eine Schlaftablette pro Nacht nehmen?

Ja, das kann ich versprechen.

Wie geht es dem Rücken?

Nicht so schlecht, seit ich turne. Ich möchte nochmals daran erinnern: Turne bis zur Urne!

Wir erinnern uns aber auch, dass Sie das erst seit gestern machen …

Das war ein Spässchen. Ich muss jetzt in die erste Kontrolle. Das heisst, ich habe schon fünfmal diese Löli-Übungen gemacht, eingespannt in irgendwelche Folterwerkzeuge aus dem Hause Nautilus.

Tut es Ihnen in diesem Moment grad irgendwo weh?

Nein.

Wann hatten Sie das letzte Mal Grippe?

Über Weihnachten ging diese schweinische Grippe um, selten hat es mich so umgeworfen, sandsackmässig umgenietet.

Fällt Schönsein leichter, wenn man Champagner intus hat?

Ich mag Champagner nicht.

Sollen wir jetzt endlich ein Glas Alkohol trinken?

Ich trinke im Mai keinen Alkohol. Aber im Juni wie ein Muni.

Das heisst, Sie sind ein Alkoholiker, der Pause machen muss?

Das ist keine medizinisch verordnete, sondern eine schönheitsbildende Massnahme. Das ist meine neue Mai-Diät.

Dann können wir uns jetzt ja ganz nüchtern noch ein paar ganz intelligenten Fragen zuwenden ...

Wer ist die klügste Schweizerin unter 50 Jahren?

Keine Ahnung. Wen hätte ich sagen müssen?

Ich hätte Hazel Brugger gesagt.

Nein, die ist lustig und cool. Aber klug ist sie nicht. Das würde sie selber von sich auch nicht sagen. Eine, die das ganze Denken kultiviert und im Griff hat, ist Magdalena Martullo-Blocher. Die mit den «Seven Thinking Steps». Sie sieht einfach aus wie 70. Wie ihr Vater.

Wer ist der klügste Schweizer unter 50 Jahren?

Jetzt kommt sicher so einer wie Fabian Unteregger.

Es gibt keine Vorgaben. Sie können sich selber jemanden aussuchen.

Ja, schon, aber diese Superlativitis …

Würden Sie eine Einladung des Bundesrates annehmen, um im Nationalratssaal eine Rede zur Lage der Nation zu halten?

Das würde ich annehmen, weil ich das Gefühl hätte, eine Verantwortung wahrzunehmen.

Wie viele 1.-August-Reden haben Sie bisher gehalten?

Mehrere. Aber die beste war nach den Vorkommnissen im Fall Clinton. Als diverse Leute auf dem Dorfplatz brüllten, dass ich ein Kommunist sei. Ich sagte in dieser Rede, dass ich es schade finde, dass er nicht dazu steht, dass sie vor ihm niedergekniet ist. Das wurde als kommunistische Bemerkung interpretiert.

Die wichtigsten Worte Ihrer Mutter?

Schlaf guet!

Die wichtigsten Worte Ihres Vaters?

Stah ändlich uf!

Was ist der Sinn des Lebens?

Gute Frage.

Können Sie sie auch beantworten?

Nein.

Welche Illusion lassen Sie sich nicht nehmen?

(Überlegt lange) Dass es am Schluss einen Sinn ergibt.

Was raten Sie jungen Leuten?

Ich habe in einem Interview mal Hans-Dietrich Genscher dazu befragt. «Er sagte: Jungen Leuten, die erfolgreich sein wollen in der Wirtschaft, der Forschung oder der Politik, rate er immer: Denken hilft!» Das finde ich gut.

Sind Sie ein guter Lügner?

Ja.

Was können Sie mit 61 besser als mit 25?

Loslassen.

Wann haben Sie das letzte Mal bedauert, Ihr Handy nicht ausgeschaltet zu haben?

Tja. Das bedauerte ich eigentlich noch nie. Denn ich bin kein Handyfonierer. Nur sehr wenige Leute haben meine Nummer. Es ist eher ein Arbeits-, Fotografier- und Suchinstrument.

Lust, einmal eine ganze Woche nichts zu sagen?

Ich war in einem Schweigekloster. Aber keine ganze Woche. Das war recht anspruchsvoll, weil man sich ja eigentlich ständig kundtun möchte: Gefühle äussern, ob etwas schön, kalt oder warm ist. Ob man hungrig oder durstig ist. Es ist nicht einfach, nichts zu sagen. Umgekehrt wäre ich manchmal froh, die Leute würden mehr sagen. Oder dass das, was sie sagen, mehr Inhalt hätte.

Eine kleine Sache im Leben, die glücklich macht?

Sex.

Das letzte Kunstwerk, das Sie gekauft haben?

Eine Fotografie von Sebastiao Salgado.

Das letzte Kunstwerk, das Sie verkauft haben?

Das letzte war auch eine Fotografie.

Ist es möglich, mit einem iPhone oder iPad Kunst zu machen?

Ja.

Wie viel Geld haben Sie letzte Woche verdient?

Keine Ahnung! Ich weiss nicht im Ansatz, wie viel Geld wir verdienen. Meine Frau regt sich immer fürchterlich auf, weil mich das nicht interessiert. Denn mich interessiert mehr die Art und Weise, wie ich verdiene. Und wenn es nicht mehr reicht, dann essen wir halt nur noch Brot und Käse.

Sind Sie ein reicher Mann?

Ja, wir sind sehr reich. Aber vor allem an Erfahrungen und an Geborgenheit. Reich an Soft Facts.

Macht Geld glücklich?

Nein, das glaube ich nicht.

So grundsätzlich: Das Leben geniessen, Herr Baumann, wie geht das?

Es hilft, wenn man im Moment lebt und nur da ist. Und wenn man sich bewusst ist, dass das letzte Auto immer ein Kombi ist.

Sie sind kürzlich in ein Dorf am Zürichsee gezügelt: Was ist dann nun das Lustigste, was man an einem Freitagabend dort anstellen kann?

Da gibt es ganz viele Sachen. Was öffentliche Unterhaltungsangebote anbelangt zum Beispiel: Da gibt es eine autonome Splittergruppe «Lokomotive Bali», die Anlässe veranstaltet mit Claudio Zuccolini oder Werner Aeschbacher, einer der bekanntesten Schwyzer Örgeler auf der Welt. Es gibt überall tolle Gelegenheiten, etwas zu erleben. Und wenn es nichts gibt, kann man selber etwas gestalten.

Können Sie bitte Ihren aktuellen Lieblingswitz zum Besten geben?

Nein.

Wieso?

Weil ich keinen weiss. Obwohl ich ein grosser Freund des Witzes bin. Ich finde Witze etwas Fantastisches.

Hat es mit dem Alter zu tun, dass Sie sich Witze nicht merken können?

Es interessiert mich zu wenig. Das hat dann einfach zu wenig Platz.

Hebt es Ihre Stimmung, wenn Sie einkaufen?

Gar nicht.

Wo kaufen Sie Ihre Kleider ein?

Ich habe einen Schneider, und ich bestelle viel im Internet.

Ihr Beauty-Tick?

Keinen.

Was ist das älteste Kleidungsstück in Ihrem Schrank?

Das ist nicht mehr da. Das ist dem Zügel zum Opfer gefallen. Eine Jeans, die sich wunderbar an meinen Körper angeschmiegt hatte, die aber auch durchsichtige Stellen hatte.

Was ist das hässlichste Kleidungsstück in Ihrem Schrank?

Das war diese erwähnte älteste Jeans.

Wie viele Krawatten hängen in Ihrem Kleiderschrank?

Nicht mehr so viele. Etwa 20.

Und wie viel Paar Jeans?

Zwei. Wir haben alles reduziert. Es gibt nur noch fünf weisse und fünf schwarze T-Shirts. Es gibt fünf weisse Hemden und fünf Jeans.

Dann haben Sie auch eine Waschmaschine zur Verfügung, mit der Sie immer waschen können …?

Ich war völlig überrascht, dass es eine Waschmaschine ist. Ich dachte, es sei ein Senkrechtstarter der Royal Air Force. Die Maschine tut wie ein Satan.

Dann waren Sie früher nie in der Waschküche und wussten daher nicht, wie eine Waschmaschine aussieht?

Ich habe oft selber gewaschen, wenn meine Frau weg war. Leider gingen die Flecken nicht weg, weil sich herausstellte, dass ich den Tumbler benutzte.

Das teuerste Paar Schuhe: Wann und wo gekauft? Und wie viele haben die Schuhe gekostet?

Beim Schäppi in Zürich. Dem besten Schuhmacher der Welt, der jetzt aufgehört hat und beim Opernhaus arbeitet. Gekostet haben sie sehr viel.

Tragen Sie zu Hause Jogginghosen?

Nein.

Haben Sie Stil-Vorbilder?

Lange Zeit war es Prinz Charles. Ich dachte mir: Wenn du so herumläufst wie der, kannst du nicht viel falsch machen. Inzwischen verwässerte sich das etwas. Inzwischen ist es Don Draper, the Sexiest Man Alive, die Hauptfigur aus der US-Serie «Mad Men».

Ihr persönlicher Fashion-Gau in den 1990er-Jahren?

Keine Ahnung.

Gab es noch andere Modesünden, die Sie heute beichten möchten?

Nein.

Ist es 2019 noch vorstellbar, seine Würde durch die Wahl der falschen Kleider zu verlieren?

Nein.

Haben Sie jemals ein Kleidungs- oder Möbelstück selber gemacht?

Nein. Ich hatte mal eine Firma, die Möbelstücke entwickelte.

Besitzen Sie ein komplettes Porzellan-Service?

Ja, also ich und meine Frau.

Wie viele Uhren besitzen Sie?

Nicht mehr so viele, seit der Rumäne bei uns war.

Wann war das?

Vor acht bis neun Jahren.

Wieso wissen Sie, dass es ein Rumäne war?

Flückiger Markus, Kapo, sagte, dass es ein Rumäne war.

Frank Baumann über Farben: «Fragen machen mir gar keine Probleme, denn die kann ich beantworten. Farben hingegen schon. Da gibt es solche, bei denen ich mir denke: Mann, wer hat denn dieser Frau das Kleid verkauft?»
Frank Baumann über Farben: «Fragen machen mir gar keine Probleme, denn die kann ich beantworten. Farben hingegen schon. Da gibt es solche, bei denen ich mir denke: Mann, wer hat denn dieser Frau das Kleid verkauft?»
Bild: Christian Thumshirn

Fühlen Sie sich mit oder ohne Auto freier?

Mit ohne. Das finde ich grossartig. Doch jemand, der die Bällchen in der Gegend herum ballert und sie nachher nicht mehr findet, ist mit dem ganzen Golfgepäck unterwegs und das geht mit dem Auto besser. Sonst benutzen meine Frau und ich sehr oft die öffentlichen Verkehrsmittel.

Haben Sie schon einmal einen Velokurier auf einem E-Bike gesehen?

Das wäre ja peinlich! Nein: Ein Velokurier muss solch grosse Ohrläppchen haben (zeigt es), maximal tätowiert sein und ein Fixbike ohne Bremsen haben – selbstverständlich. Und auf der Rämistrasse bergab nur mit der Kraft der Oberarmmuskeln bremsen, und wenn das nicht reicht, abspringen, blockieren und weiterfahren.

Wann zuletzt im Zug oder Tram schwarzgefahren?

Nicht vorsätzlich. Aber in der Kantizeit natürlich dauernd.

Ihre Lieblingsfarbe?

Schon mal gefragt, tut mir leid.

Und welche wäre es?

Was habe ich gesagt?

Bunt. Diese Farbe gibt es aber nicht.

Bunt gefällt mir. Sie müssen sich schon etwas konzentrieren. Bei diesen lächerlichen 1000 Fragen können Sie nicht plötzlich einknicken und etwas fragen, das sie schon mal gefragt haben.

Wir zählen ja nicht. Wir sind jetzt erst bei …

1057.

Das stimmt nicht. Ich habe gefragt, ob Sie gut lügen können, und Sie haben «Nein» gesagt. Jetzt beweisen Sie grad das Gegenteil.

Hey, hallo! Ich habe «Ja» gesagt und mich dafür noch geschämt. Das ist ein ganz groteskes Interview. Der Mann hört mir nicht zu! Jetzt wird es immer besser.

Jetzt wird es peinlich.

Ich hoffe, das Publikum, welches dieses Interview liest und schaut, zählt genau nach, wie viele Fragen es am Schluss wirklich sind. 

Okay, wir machen einen Wettbewerb. Und was bekommt der Gewinner?

Unter allen Einsendungen wird ein Sieger ermittelt, und den lade ich ans Arosa Humorfestival ein.

Abgemacht – also diese Frage, die ich jetzt stelle, zählt auch dazu?

Ja, die zählt auch dazu.

Und die Frage, die ich jetzt stelle auch?

Halt! War das jetzt eine Frage oder eine Antwort?

Ich wollte Ihre Frage beantworten.

Nein, Sie haben gesagt «Und die Frage, die ich jetzt stelle auch?», also ist das auch wieder eine Frage.

Kurz und gut ...

... der Gewinner des Wettbewerbs kann ans Humorfestival kommen, an die beste Vorstellung.

Gibt es Farben, die Ihnen Probleme bereiten? Oder sind es nur Fragen? Und wenn ja, warum?

Fragen machen mir gar keine Probleme, denn die kann ich beantworten. Farben hingegen schon. Da gibt es solche, bei denen ich mir denke: Mann, wer hat denn dieser Frau das Kleid verkauft? Da gehört der Designer dazu, der das entworfen hat. Dann Kinder, die irgendwo in Bangladesch nähen, und dann gibt es einen Chefeinkäufer, der diesen Seich einkauft, und dann gibt es Frau Muggli, die das Kleid kauft und trägt. Und dann versagen sämtliche Rettungsmechanismen. Die Verkäuferin sagt nicht: Kaufen Sie bitte dieses Kleid nicht, diese Farbe ist ja abscheulich! Sondern sie sagt abends ihrem Schatz zuhause: Endlich habe ich dieses schreckliche Kleid verkauft und bin es los. Und Frau Muggli kommt nach Hause, und ihr Mann sagt nicht: Du, was ist denn das für ein Scheissdreck, den du da anhast!!? Deshalb sieht man immer Leute mit solch schrecklichen Kleidern herumgehen, weil sämtliche Sicherheitsventile lecken.

Gibt es Pflanzen, die Ihnen Probleme bereiten?

Zum Beispiel Brennesseln, Disteln. Daher bin ich kein Nacktwanderer, weil das dann bei einem Päuschen etwas ganz anderes ist, wie wenn man als oberbayrischer Trachtenseppel auf einer Distel sitzt.

Gibt es Tiere, die Ihnen Angst machen?

Ja, Schildkröten, Frösche und Schlangen sind gar nichts für mich. Schlangen sind Katastrophen. Als ich bei Radio 24 arbeitete, ging ich einmal aufs WC, und als ich zurückkam, leuchtete die Lampe rot. Das heisst, das Mikrofon war an, obwohl ich es vor dem Austreten ausgeschaltet hatte. Also näherte ich mich in dunkler Vorausahnung vorsichtig. Dann lag dort eine Riesenschlange auf dem Pult. Die Kollegen mussten diese entfernen, weil mich das dermassen anwiderte.

Ihre surrealste Natur-Erfahrung?

Ich war mit Mike Müller skifahren, und der Schnee kam ganz fein vom Himmel. Doch die Sonne schien durch alles hindurch, und es bildete sich ein Kreis. Und nicht nur einmal, sondern mehrfach. Wir schauten überall in Sonnen, die Kreise bildeten.

Vielleicht lag das auch an den zu vielen Kafi Schnaps, die sie getrunken hatten …!?

Nein, wir waren nicht die einzigen, die das sahen. Alle hielten an und staunten.

Warum ist der Himmel nachts schwarz?

Weil es kein Licht hat dort oben. Ist ja logisch.

Lieblingsvogel?

Im Moment sind es Störche. Aber auch der Spatz, weil einer mal meiner Frau auf den Kopf geschissen hat – mit weitreichenden Folgen. Als sie nämlich ihren Verlag gründen wollte, war sie lange unsicher. Doch als der Spatz ihr auf den Kopf schiss, empfand sie dies als Zeichen von oben, dies zu tun. Gut, dass es kein Storch war. Dann hätten wir jetzt einen Grossverlag.

Lieblingsfisch?

Bin nicht so der Fischfreund. Vielleicht der Steinfisch, weil: Den sieht man nicht so gut.

Lieblingssäugetier?

Ich bin jetzt eher der Hunde- als der Katzentyp, finde aber Katzen interessanter.

Nachdem Sie mit «Ventil» Hunderttausende ans TV gefesselt oder auch genervt haben, wechselten Sie 2003 – zusammen mit Ihrem Hund Bostich – in die Kleinkunst. Was war der Reiz?

Es ist natürlich fantastisch, auf einer Bühne zu stehen, und vis à vis befindet sich unmittelbar das Publikum. Was immer man tut, man hat sofort eine Reaktion. Das ist anders als beim Fernsehen, wo man einfach in einen Kameramann hinein spielt und versucht, durch die Kamera hindurch in die Herzen des Publikums zu gelangen. Auf der Bühne hat man das Resultat immer sofort.

Stimmt es, dass Sie besser Golf spielen können als Witze erzählen und deshalb heute nicht mehr als Satiriker auf der Bühne stehen?

Ich finde nicht, dass ich besser Golf spiele als Witze erzähle.

Oder anders gefragt: Warum gab es dann nach Ihrem ersten Bühnenprogramm «Bilder im Kopf» 2003 kein Nachfolgeprogramm?

Es gab zwei. Die «Unterbindung» habe ich hundert Mal gespielt. Mit «Hund» waren es zweihundert Vorstellungen. Ich dachte mir, dass ich als Direktor des Humorfestivals nicht auch noch selber der Lustige sein muss. Ab und zu mache ich noch eine schräge Lesung. Alles zu seiner Zeit.

Das heisst, sobald Sie als Festivaldirektor zurücktreten, gehen Sie wieder auf die Bühne? Ist das eine Drohung?

Das ist eine Information, Herr Bötschi.

Das Normalste, das Sie je auf der Bühne getan haben?

(Überlegt lange) Es ist natürlich so, dass ich nicht so viel Normales auf der Bühne gemacht habe. Es war eigentlich nie etwas normal, tut mir schrecklich leid.

Ihre geschmackloseste Tat, Ihre grösste Sauerei auf der Bühne?

Da gab es viele. Man trieb mir das jedoch aus. Erst jetzt habe ich kapiert, was das heisst: «Keine Sauereien» zu machen. Wenn am Humorfestival ein Leo Bassi auftritt und sich mit Honig und Federn übergiesst oder mit Scherben herumhantiert, dann ist das fürs Personal sehr mühsam.

Er bepöbelt sein Publikum und schneidet ihm die Markenlogos aus den teuren Pullovern. Er teert und federt sich mit Honig und Daunendusche: Leo Bassi, Anarchoclown.

Bild: Youtube

Welche überraschende Wahrheit hat ein Kritiker über Sie respektive über Ihre Bühnenprogramme geschrieben?

Keine Ahnung.

Wie viele Zugaben sind noch okay?

Kommt aufs Programm an. Manchmal ist man froh, wenn es überhaupt keine Zugaben gibt ... Was hat der Kritiker geschrieben?

Das war eine Frage an Sie. 

Entschuldigung, ich wollte Sie nicht unterbrechen.

Haben Sie aber.

Aber ich habe mich entschuldigt ...

Wie lange machen Sie es noch als Direktor des Arosa-Humorfestivals?

... können Sie Entschuldigungen nicht gut annehmen?

Nein, am Ende eines langen Interviews ist es schwierig, noch so viel zu denken.

Sind Sie müde? Nehmen Sie um Gottes Willen endlich von diesem Pulver. Sie müssen jetzt dieses Kokainpulver nehmen. Das ist ja Wahnsinn – so ein junger Mensch, der so schnell schlapp macht ... 

... ich kann leider mit meinem kaputten Finger das Säckli nicht öffnen. Können Sie mir bitte helfen?

Das ist noch speziell. Wie wollen Sie das jetzt einnehmen?

Wir leeren das Pulver in zwei Gläser Wasser und trinken es.

Ich trinke das sicher nicht. Nein! Das ist wie eine Berocca-Tablette, einfach in Weiss. Was steht da in der Gebrauchsanweisung? Herr Bötschi, Sie sind noch jung, hauen Sie sich nicht einfach solches Zeugs rein! 

Vielleicht ist es Kokain? Wer weiss das schon?

(Tut so, als würde er den Produktebeschrieb lesen) Koffeinhaltiges Getränkepulver ... Beutel aufreissen, Pulver in ein Getränk schütten, den Inhalt aufkochen, durch ständiges Rühren auflösen ...

... ich sterbe wahrscheinlich demnächst.

Und noch ein Tipp: Schmeckt in Fruchtsäften am besten (lacht schallend). 

Vielmehr wäre es ein Problem, wenn ich mit so einem Säckli weissem Pulver auf der Strasse von der Polizei erwischt würde.

Da hätten Sie sicher ein Problem.

Wie lange machen Sie es noch als Direktor des Arosa-Humorfestivals?

Ich mache es noch ein paar Jahre.

Auf welche Künstlerinnen dürfen wir uns im nächsten Dezember in Arosa freuen?

Keine Ahnung.

Es gibt ja kaum Künstlerinnen im Programm …

Es gibt einfach sehr wenige lustige Frauen.

Wie bitte, Frauen sind nicht lustig?

Ich wäre sogar so weit gegangen, das zu sagen: Hazel Brugger, Patti Basler, Frölein Da Capo, die sind lustig. Dann gibt es Caroline Kebekus, die ist auch lustig. Es gibt sie schon, die lustigen Frauen. Die Herausforderung ist, dass der Mann alles sehen will auf der Bühne, aber keine lustige Frau. Er will auch keine lustige Frau zuhause sehen. Die soll humorvoll sein, aber kein Clown. Die Frau hat verschiedene Qualitäten, die sie erfüllen soll, aber sie soll nicht doof tun. Das will kein Mann.

Ist denn lustig doof?

Nein, aber häufig wird das missverstanden. Caroline Kebekus vertritt einen intelligenten, klugen Humor. Hazel auch. Patti auch. Aber es wird dann halt oft auch von diesen Frauen erwartet, dass sie Marco-Rima-mässig auf die Bühne gehen und das Kalb machen. Doch das will niemand sehen.

Was macht guten Humor aus?

Mir gefällt dieser Humor, der mit dem Florett gefochten wird. Und nicht mit dem Zweihänder.

Merken Sie, dass ich wieder wacher bin.

Sehr. Sie haben auch so weite Pupillen. Ich habe noch nie eine gröbere Ausrede gesehen, um einen solch riesigen Beutel Kokain reinzufedern wie Sie mit diesem nachträglich hilflos angetackerten Bleib-wach-Teilchen, den man in einem halben Liter Fruchtsaft hätte warm auflösen müssen. Nein, Herr Bötschi!

Ist der Humor etwas, was einen durch das Leben zieht und jung erhält?

Ja.

Warum sind lustige Männer sexier?

Von Frauen werden Männer mit Humor als sexier empfunden. Umgekehrt ist es so, wie ich gesagt habe. Männer haben gern humorvolle Frauen, aber keine Clowns.

Worüber darf man keine Witze machen?

Man darf über alles Witze machen.

Heute erscheint die Welt immer öfter als Realsatire. Wie behauptet sich da Komik?

Komik reflektiert Realsatire. Und reframed sie, bringt sie in neue Zusammenhänge, macht neue Analysen der Realsatire.

Wie lustig sind die Schweizerinnen?

Als Stamm, als Rasse? Da gibt es sehr lustige.

Wie lustig sind die Schweizer?

Auch da gibt es sehr viele lustige, aber auch solche, die in den Keller gehen, um zu lachen.

Welcher Schweizer Komiker ist der kommende Star?

Star? Ich finde, es gibt ein paar, die super sind. Daniel Ziegler als Bassimisten finde ich grossartig. Er hat solch eine schöne Leck-mich-am-Arsch-Ausstrahlung.

Wie von Frank Baumann eben erklärt: Daniel Ziegler ist nicht bekannt als Frohnatur der Kabarettbühnen.

Bild: Youtube

Wenn man die Schweizer Mediendatenbank nach Ihrem Namen durchackert, denkt man irgendwann: Es gibt Nichts, was der Baumann nicht schon gemacht hat. Wahr oder nicht?

Nicht wahr.

Manchmal Lust, einfach Hausmann zu sein?

Nein.

Können Sie hier und jetzt alle Fernsehsendungen aufzählen, die Sie in den vier vergangenen Jahrzehnten realisiert, kommentiert und/oder produziert haben?

Nein.

Ihre Erinnerungen an den ehemaligen Tagesschau-Sprecher Léon Huber?

Mann und Pudel von hinten am Fenster.

Ihre Erinnerung an Nella Martinetti?

Sie hat das Schlagzeug meines Sohnes mit einem Autogramm versehen. Ich bin der Meinung, dass mein Sohn der einzige heterosexuelle Schlagzeuger auf der Welt ist, der ein Autogramm von Nella Martinetti auf seinem Schlagzeug hat.

Sie wohnten mal mit Hausi Leutenegger in einer WG.

So geil! Etwa zehn Tage lang.

Wirklich wahr, dass er damals eines Tages am Pool nackt vor Ihnen lag und Sie scheinbar aufgefordert hat, ebenfalls die Hosen runterzulassen. Haben Sie es getan?

Ja, er lag nackt an der Sonne und legte eine Unterhose über sein Gemächt und sagte zu mir (imitiert den Thurgauer Dialekt): «Frank, zieh dein Höschen aus.» Worauf ich sagte: «Nein, das mache ich sicher nicht. Da vorne sind deine Frau und deine Schwiegermutter. Das ist nicht der richtige Moment.» «Bist du prüde!?» «Nein, sicher nicht!»

Warum so prüde?

Ich wollte doch diese Frauen nicht antörnen! Dann sprang er ins Wasser und ich in meiner eigelben Timberland-Badehose hinten drein, sodass es mir grad die Luft abschnürte, denn das Wasser hatte nur 14 Grad. Worauf ich ihm sagte: «Bist du verrückt, das Wasser ist ja gar nicht geheizt!?» Worauf er sagte: «Bei den Reichen lernt man sparen!» Als ich das in einem Artikel erwähnte, machte er eine Gegendarstellung im «Blick». Das war sehr geil. Doch wir reden noch miteinander. Leider wird er falsch eingeschätzt, denn er ist ein erfolgreicher, aber sehr bescheidener Typ. Er will – wie alle Menschen – geliebt werden.

Sind die heutigen Influencer eigentlich die direkten Nachfolger der Schweizer Cervelatpromis?

Ich halte nicht viel von denen. Ich glaube sogar, dass die Influencer völlig überschätzt werden.

Die tollste Telefonnummer in Ihrem Handy?

Ich habe immer alle Telefonnummern aufgeschrieben, schon zu Zeiten als ich bei Radio DRS war. Dadurch habe ich eine riesige Datenbank an Namen und Telefonnummern. Viele sind veraltet. Und ich gebe keine weiter.

Traurig darüber, dass der beste Interviewer der Schweiz, Roger Schawinski, den richtigen Zeitpunkt für seinen Abgang verpasst hat?

Wann wäre der gewesen? Er macht ja immer noch Interviews. Ich habe sehr viel von ihm gelernt. Natürlich wenden die Jungen heute seine Interviewtechnik nicht mehr so an. Aber es ist sein gutes Recht, diese für sich heute noch so anzuwenden.

Sie als Schnelldenker: Können Sie SVP-Nationalrat Roger Köppel in maximal drei Sätzen charakterisieren?

Ist das eine Frage! Ich war mal mit ihm klettern, und es hatte danach Blutspuren an der Felswand, weil er sagte: Ich gehe da rauf! Und er hat sich dort raufgeschruppt. In drei Sätzen: Ganz schwierig. Er charakterisiert sich selber mit seinen Auftritten.

Können Sie Bundesrätin Simonetta Sommaruga in maximal drei Sätzen charakterisieren?

Nein. Sie spielt Cembalo. Das finde ich noch schön. Sie setzt sich ein für uns.

Die Schweiz ohne Christoph Blocher wäre ...

Dann würde nichts passieren.

Wo würden Sie sich politisch einordnen?

Ich habe mich – als früher eher links-orientierter Journalist – mehr zur Mitte hin bewegt. Es ist ja so, dass die Inhalte mittlerweile von allen Parteien bewirtschaftet werden. Es ist alles flacher geworden. Radikalität finde ich in alle Richtungen einfach blöd.

Sind viele Journalistinnen und Journalisten zu Moralisten und Moralistinnen geworden?

Nein, aber es sind immer mehr schlecht ausgebildet.

Über Ihr Leben als Autor und Schriftsteller haben wir noch nicht geredet: Sie haben schon mehrere Besteller geschrieben, aber noch keinen Roman. Wann erscheint er?

Ich habe drei Romane mitgeschrieben. Jugendromane, die die famose Blanca Imboden verfasst hat und deren Lektor ich war. Dann fand sie, dass ich etwas sehr viel überarbeitet habe, also machten wir das zusammen. Der letzte Roman, den ich mitgeschrieben habe, ist eben dieser «Salamichlaus und das verschwundene Christkindli». Da gibt es jetzt einen neuen Roman, der im Dezember erscheint «Der Salamichlaus und der Osterhase mit den kalten Füssen». Das ist auch wieder ein Wirtschaftskrimi.

Das ist ein Kinderbuch?

Das erste war als Kinderbuch gedacht gewesen. Als Adventskalender, bei dem man jeden Tag die einzelnen Seiten aufreissen und weiterlesen kann. Dieser landete bei den Literaturbestsellern auf Rang sieben. Das heisst, offenbar kauften sich das viele Erwachsene, die sich das vorlasen.

Gibt es denn nicht eine Idee von einem «richtigen» Roman?

Es gibt doch so viele wunderbare literarische Werke. Ich bekomme gerade Depressionen, wenn ich eine Buchhandlung betrete und sehe, was es da alles gibt.

Und wann publizieren Sie Ihre Autobiographie?

Das mache ich nicht. Dafür bin ich zu wenig eitel oder zu eitel.

Sie sind nach wie vor voller Tatendrang. Haben Sie manchmal das Gefühl, die Zeit läuft Ihnen davon?

Natürlich, in diesem hohen Alter. Ich stehe kurz vor Inbetriebnahme des Rollators. Die Zeit läuft uns allen davon. Es gibt ein wunderbares Buch «Einstein’s Dream». Dort steht Einstein in Bern auf dem Balkon und sinniert darüber, ob die Zeit im Fluss ist, ob sie retour oder vorwärts geht, aber Fakt ist, dass wir nicht immer auf diesem Planeten sind, und dass wir die Zeit so intensiv nutzen sollten wie möglich. Und das habe ich bisher immer gemacht.

Als Nostalgiker tendiert man dazu, die Vergangenheit zu verklären – besonders die eigene. Sie auch?

Nein. Ich schaue eigentlich nicht zurück. Mir hat Peter Simonischek, ein Burg-Schauspieler, dessen Sohn jetzt beim «Zwingli»-Film mitgemacht hat, in einer Fernsehsendung, die wir zusammen machten, einen irrsinnigen Satz geschenkt, der von Hugo von Hofmannsthal stammt. Es ist ein Ausschnitt aus einem Gedicht, das «Gestern» heisst. Der Ausschnitt lautet: «Musst du mit Gestern stets das Heute stören. Muss ich die Fessel immer klirren hören, die ewig dir am Fuss beengend hängt, wenn ich für mich sie tausendmal gesprengt.» Das fasst das gut zusammen: Das Gestern blockiert. Der Satz nach dieser Passage lautet: «Das Gestern lügt, nur das Heute ist wahr.» Wir müssen im Hier und Jetzt sein. Vielleicht noch etwas vorausschauen.

Was wollen Sie in Ihrem Leben noch erreichen?

Das weiss ich nicht. Es spült mich irgendwo hin. Ich versuche, mich im weitesten Sinn der Herausforderung des täglichen Bewusstseins zu stellen. Im Augenblick präsent zu sein und mich den täglichen Aufgaben stellen. Das haben Sie jetzt wahrscheinlich auch gemerkt: Ich bin jetzt hier und nirgendwo anders, obwohl ich noch zwei, drei Aufgäbeli hätte, die ich lösen müsste in meinem Leben.

Wenn Sie Ihr Leben noch einmal leben könnten – gibt es grundsätzliche Dinge, die Sie anders machen würden?

Nein.

Was machen Sie am 13. August 2019?

Dann bin ich eingeladen an den 50. Geburtstag von Magdalena Martullo-Blocher.

Frank Baumann über ältere Menschen: «Es wäre schön, wenn man ältere Menschen, und da spreche ich jetzt von 80- oder 90-Jährigen, als weise respektieren und ihre unglaublichen Ressourcen erkennen und nutzen würde.»
Frank Baumann über ältere Menschen: «Es wäre schön, wenn man ältere Menschen, und da spreche ich jetzt von 80- oder 90-Jährigen, als weise respektieren und ihre unglaublichen Ressourcen erkennen und nutzen würde.»
Bild: Christian Thumshirn

Wissen Sie schon, wo dieses Fest stattfinden wird?

Ja, in Ems (lacht schallend).

Sie sind vor anderthalb Jahren 60 geworden. Hatte diese Schwelle eine Bedeutung für Sie?

Nein.

Jener von Frau Martullo-Blocher hat eine grössere Bedeutung?

Ja, extrem.

Haben Sie Angst vor dem Alter?

Nein. Aber ich würde jetzt nicht gerade sterben wollen. Das würde mich etwas stressen. Weil: Ich habe noch viel zu tun.

Früher galten ältere Menschen als weise. Und heute?

Das wäre schön, wenn man ältere Menschen, und da spreche ich jetzt von 80- oder 90-Jährigen, als weise respektieren und ihre unglaublichen Ressourcen erkennen und nutzen würde. Ich bin überzeugt, wenn man auf die älteren Menschen verstärkt zurückgreifen würde, könnte man von ihrer Lebenserfahrung enorm profitieren.

Sie haben bereits einen Fragebogen von Schriftsteller Max Frisch beantwortet, jetzt kommt der zweite: Thema «Tod»:

Haben Sie Angst vor dem Tod und seit welchem Lebensjahr?

Vielleicht ist es eine vor dem Ungewissen. Ich denke, es wäre wertvoll, wenn wir unseren Kindern beibringen könnten, wie man a) mit dem Tod und b) mit Behinderten umgeht. Das müsste ein Schulfach sein: Lernen sterben. Oder jemanden begleiten. Und dass wir den Tod nicht als etwas Erschreckendes betrachten, sondern als etwas Schönes. Nicht dass ich das jetzt gerade möchte. Aber vielleicht könnten wir Frieden schliessen. Und es gibt ja Kulturen, die das schaffen.

Möchten Sie unsterblich sein?

Nein, gar nicht.

Möchten Sie wissen, wie Sterben ist?

Nicht zwingend.

Was stört Sie an Begräbnissen?

Eigentlich nichts. Ich möchte auch nicht begraben werden, sondern irgendwo verstreut. In Vals habe ich einmal ein Begräbnis erlebt, da haben sechs Leute einen Sarg getragen, den sie zum Grab bringen wollten. Dann ist einer ausgerutscht und hat sich das Jochbein gebrochen. Das Hemd war ganz rot, trotzdem hat er bis zum Schluss geholfen. Doch das war natürlich für alle sehr peinlich. Sowohl für jenen im Sarg als auch alle, die zugeschaut haben.

Ausstopfen lassen wollen Sie sich aber nicht?

Nein, eigentlich nicht. Aber das ist schon wieder ein schöner Einfall von Ihnen, Herr Bötschi. Danke höfli! Das wäre sehr originell.

Haben Sie Freunde unter den Toten?

Nein. Ich glaube nicht, dass man mit Toten kommunizieren kann.

Haben Sie schon Tote geküsst?

Geküsst nicht, aber berührt. Und als Journalist auch schon mehrere erlebt.

Möchten Sie lieber mit Bewusstsein sterben oder überrascht werden von einem fallenden Ziegel, von einem Herzschlag oder von einer Explosion?

Überrascht werden.

Wissen Sie, wo Sie begraben sein möchten?

Eben nicht. Weder wo – noch dass …

Das waren jetzt also die Todes-Fragen von Max Frisch – weiter geht es wieder mit meinen Fragen an Sie ...

Ist alt werden erstrebenswert?

Ja, es ist so spannend, weil sich neue Türen öffnen und Geschichten entstehen. Erich Vock hat mir auch mal ein schönes Zitat geschenkt: «Weisst du, alt ist man, wenn man die Fäden an den Marionetten sieht.» Das ist ein wunderbares Bild. Als Kind sieht man nur die Marionette und blendet die Fäden aus. Und wenn man älter wird, dann sieht man plötzlich: So läuft das.

Woran soll man sich erinnern, wenn Sie mal nicht mehr auf der Welt sind.

Kann ich nicht sagen.

Sind Sie Mitglied einer Sterbeorganisation?

Nein. Bin noch nicht dazu gekommen. Ich habe aber eine Patientenverfügung und einen Organspendeausweis.

Was soll dereinst auf Ihrem Grabstein stehen?

Müsste ich mir länger überlegen. Es müsste gut geschrieben sein. Es müsste schön sein. Ich habe jetzt die Zeit nicht, etwas selber zu formulieren. Es ist auch nicht so dringend. Da käme mir dann schon etwas in den Sinn. Abgesehen davon, dass es keinen Grabstein geben wird.

Sondern?

Nichts. Wenn ich meine Asche verstreuen lasse, brauche ich keinen Grabstein.

Gibt es ein Danach?

Nein.

Wie lange, sagten Sie, hätten wir für die 1000 Fragen?

Schneller als Ihre Marathon-Bestzeit von 3:53 Stunden.

Wir brauchten über vier Stunden. Frank Baumann, ich sage Dankeschön – ich bin begeistert von Ihrer Ausdauer.

Und so geht's weiter:

Das «1000-Fragen-Interview» wurde in dieser Woche in vier Teilen auf «Bluewin» publiziert – am Montag Teil eins, am Dienstag Teil zwei, am Mittwoch Teil drei, heute Teil vier.

Wer das Interview gern an einem Stück lesen möchte, kann dies am Freitagmorgen tun: Dann wird das Interview in voller Länge aufgeschaltet.

Zurück zur Startseite