Kolumne Corona-Pandemie – Ich will endlich die alte Normalität zurück!

Von Marianne Siegenthaler

29.6.2020

Schritt für Schritt aus der Schockstarre: Manches ist wieder erlaubt, manches nicht. Weshalb das so ist, ist häufig nicht nachvollziehbar. (Symbolbild)
Schritt für Schritt aus der Schockstarre: Manches ist wieder erlaubt, manches nicht. Weshalb das so ist, ist häufig nicht nachvollziehbar. (Symbolbild)
Bild: Keystone

Die gegenwärtige besondere Lage wird uns mit dem Begriff «neue Normalität» schmackhaft gemacht. Darauf fällt die Kolumnistin nicht rein. Sie will die alte Normalität zurück.

Zugegeben: Es war schon mal schlimmer. Vor ein paar Wochen. Als der Bundesrat die «ausserordentliche Lage» ausrief und die Schweizer Bevölkerung in den Panikmodus versetzte.

Per Notrecht wurde das öffentliche Leben zum Erliegen gebracht. «Restez à la maison» lautete der Befehl, und das in einem Ton, dass man sich zuweilen wie ein Kind fühlte, dem gesagt werden muss, was es zu tun hat. Und wenn es nicht spurt, dann heisst’s «ohni Znacht is Bett».

Inzwischen sind wir Schritt für Schritt aus der Schockstarre – äh dem Lockdown – herausgeführt worden. Manches ist wieder erlaubt, manches nicht. Weshalb das so ist, ist häufig nicht nachvollziehbar.

In die Badi durfte ich bis vor Kurzem nicht. Aber ich hätte mich tätowieren lassen können. Oder zum Guafför. Aber nicht ins Restaurant. Schon gar nicht in grösseren Gruppen. Aber demonstrieren mit Hunderten oder Tausenden von Leuten, das dann schon.

Was ist denn daran normal?

«Neue Normalität» – so nennt sich das jetzt. Wer sich das wohl ausgedacht hat? Denn von Normalität kann doch nicht die Rede sein. Tausende von Menschen haben ihre Jobs verloren. Milliarden von Franken wurden als Nothilfe verteilt, die dereinst andernorts fehlen dürften. Unzählige Menschen sind verunsichert. Haben Existenzängste. Können ihre Miete nicht mehr zahlen. Womöglich droht eine Rezession.

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Was ist denn daran normal? Kommt dazu, dass wenn wesentliche Grundrechte wie die Versammlungsfreiheit ganz oder teilweise ausser Kraft gesetzt sind, ganz bestimmt nicht von Normalität gesprochen werden kann. Oder soll das so bleiben?

Aber es sind auch ganz alltägliche Dinge, an die ich mich nur schwer gewöhnen kann. Schlange stehen beispielsweise vor den Läden. Oder die Zählerei. Wie viele Leute sind schon in der Bäckerei? Darf ich rein? Muss ich warten? Zählt das Kleinkind mit? Oder nicht? Und was, wenn die Verkäuferin im Nebenraum verschwindet. Muss dann einer der Kunden wieder raus?

Und dann die Schutzmasken. Gut möglich, dass die gegen eine Ansteckung helfen. Aber die Kommunikation erschweren sie enorm. Denn auch das Nonverbale zählt. Ein Lächeln beispielsweise. Aber das sieht man dann ja nicht.

Die Sache mit dem Abstand

Ein paar wenige Corona-Gebote dürfen meiner Meinung nach aber gerne in die Normalität übergehen.

Die Sache mit dem Abstand halten zum Beispiel. Mir ist das noch so recht. So passiert es auch weniger, dass man als Frau im Gedränge «aus Versehen» betatscht wird. Und auch die Dreifach-Küsserei fehlt mir überhaupt nicht. Eine herzliche Umarmung reicht. Und ist wohl kaum ansteckend. Auch das Händeschütteln braucht es nicht zwingend. Dies erst recht, wenn man weiss, dass längst nicht alle Menschen nach dem Toilettengang die Hände waschen.

Im Übrigen aber hätte ich gerne die alte Normalität wieder zurück. Danke.

Zur Autorin: Marianne Siegenthaler ist freie Journalistin und Buchautorin. Wenn sie grad mal nicht am Schreiben ist, verbringt sie ihre Zeit am liebsten im, am und auf dem Zürichsee.

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