Visionär Mercedes Vision AVTR – der Luxusgleiter von übermorgen

dpa/gbi

18.7.2020

Mercedes hat einen grünen Luxusschlitten für die Mitte des nächsten Jahrhunderts gebaut. Die erste Fahrt mit dem Flügeltürer ist eine Reise in die Zukunft – kunterbunt, flüsterleise und total faszinierend.

Gegen ihn wirken selbst die jüngsten Design-Studien von Mercedes wie Relikte aus alten Science-Fiction-Filmen in Schwarz-Weiss. Denn mit dem Vision AVTR schauen die Deutschen nicht wie üblich eine oder zwei Fahrzeuggenerationen in die Zukunft, sondern springen gleich ein ganzes Jahrhundert nach vorn.

Eine ziemlich grosse Zeitspanne, selbst für Designer mit einer visionären Weitsicht. Daher haben sie sich Hilfe aus Hollywood geholt. Zusammen mit dem legendären Regisseur James Cameron ist so ein Auto im Geist des Blockbusters «Avatar» entstanden, das vor allem ein optimistisches Bild der Zukunft zeichnen soll.

Denn so, wie das Volk der Navi im Film «Avatar» in Harmonie mit der Natur lebt, so nimmt auch die Luxuslimousine von überübermorgen nicht nur Rücksicht auf die Umwelt, sondern ahmt sie regelrecht nach.

Zur Erinnerung: Der Trailer zum Film «Avatar» von 2009.

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Veganes Leder-Imitat

Der gut fünf Meter lange Futurist sieht auch nicht aus wie ein Raumschiff, sondern wie ein Lebewesen: Tausende LED-Lichter bringen die ballonartigen Reifen zum Leuchten und zitieren die «Wood Sprites» vom «Baum des Lebens» aus dem Film. Auf dem Heck zucken im Fahrtwind über 30 beleuchtete Flaps, die wie der Panzer einer Echse aussehen. Und wenn die rahmenlosen Glastüren wie von Geisterhand nach oben schwingen, denkt man unweigerlich an die Flügel von Insekten.

Sie geben den Weg frei in eine ebenso luftige wie luxuriöse Lounge, in der ausser dem Mercedes-Stern auf der Mittelkonsole nicht mehr viel an ein Auto erinnert. Man lümmelt in einer Liege, die mit veganem Leder-Imitat bezogen ist. Der Boden ist mit Rattan ausgelegt, das im Einklang mit der Natur in Regenwäldern geerntet wird.

Die Konsolen bestehen aus Plastikabfall, der aus dem Ozean gefischt wurde. Und sobald der Wagen mit einer spektakulären Lichtshow erwacht, schimmert alles im selben Blau, das auch in «Avatar» dominiert.

Steuern wie im Videogame

So ungewöhnlich wie das Materialkonzept ist auch die Bedienung: Es gibt keine Instrumente mehr und keine Schalter, sondern alles, was wichtig ist, wird auf die riesige weisse Konsole vor den Passagieren projiziert. Während der Autopilot fährt, wird sie zur Kinoleinwand. Und wenn der Fahrer eingreifen will, laufen die Menüs dafür virtuell über die ausgestreckte Handfläche. Einzelne Inhalte aktiviert man dann einfach, indem man die Hand schliesst. Das klingt abgefahren, macht aber selbst komplexe Befehle kinderleicht.



Das einzige reale Bedienelement ist das sogenannte Merge Device, über das Mensch und Maschine eins werden – zumindest in der Philosophie der Designer. In der Praxis ist dieser mit Silikon verkleidete Knubbel mit der Form einer Qualle ein verkleideter Joystick, mit dem man dem Autopiloten die Arbeit abnehmen kann und den Wagen wie im Computerspiel steuert: Einfach Hand auflegen und Richtung vorgeben, und schon kommt die Zukunft in Fahrt.

Elektrisch ins nächste Jahrhundert

Treibende Kraft dabei sind vier Motoren, die nahe an den riesigen, von innen beleuchteten Ballonrädern montiert sind und natürlich elektrisch angetrieben werden. Zusammen über 350 kW/476 PS stark werden sie aus einer Batterie gespeist, die wie das gesamte Auto von viel Weitblick zeugt. Denn in der Vision der Entwickler ist sie komplett organisch aufgebaut, kommt ohne seltene Erden und Metalle aus und kann nach ihrem Einsatz ganz einfach kompostiert werden.

Die theoretischen Fahrleistungen sind einem Luxus-Coupé angemessen: 200 km/h sollten locker drin liegen, und mit einer avisieren Kapazität von 110 kWh schafft der Vision AVTR 700 Kilometer.

Weil die Studie aber von Hand gebaut wurde und bisher nicht für die Strasse vorgesehen ist, fällt die maximale Geschwindigkeit in der Praxis wesentlich geringer aus als in der Theorie. Trotzdem bleibt ein besonderes Fahrgefühl nicht aus.



Denn der Viersitzer beherrscht nicht nur die konventionelle Kurvenfahrt wie jedes aktuelle Auto, sondern auch einen neuartigen Krebsgang: Weil alle vier Räder um etwa 30 Grad in die gleiche Richtung eingeschlagen und einzeln angetrieben werden können, fährt der Avatar auch schräg – ein Erlebnis, das die meisten Autofahrer bisher nicht kennen.

Ausblick in eine ferne Zukunft

Dafür bleibt ihnen jedoch auch noch ein bisschen Zeit. Genau wie den Ingenieuren. Denn der Film «Avatar» spielt in der Mitte des nächsten Jahrhunderts. Doch so fern die Vision von der lebenden Luxuslimousine mit einer organischen Batterie und einer Lenkung per Handauflegen auch sein mag und so abgefahren der Flügeltürer auch aussehen mag – in mehr als 100 Jahren könnte das ganz normal sein.

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