Kolumne am Morgen Der Tag, an dem mich Stephan Eicher verzauberte

Von Bruno Bötschi

17.8.2020

Stephan Eicher: «Es kann passieren, dass ich in der Migros vor den Willisauer Ringli stehe und spüre, dass mich die Panik überkommt, obwohl weit und breit kein Säbelzahntiger zu sehen ist.»
Stephan Eicher: «Es kann passieren, dass ich in der Migros vor den Willisauer Ringli stehe und spüre, dass mich die Panik überkommt, obwohl weit und breit kein Säbelzahntiger zu sehen ist.»
Bild: Keystone

Von «Eisbär» zu «I weiss nid was es isch»: Stephan Eicher, einer der wenigen Schweizer Musiker mit internationaler Ausstrahlung, feiert heute seinen 60. Geburtstag. Eine Liebeserklärung über Umwege.

«Einem, der so ins Publikum schauen kann, der so den Körperschlenker drauf hat, von der Hüfte bis zu den Schultern … Jetzt muss er wieder den Pulli ausziehen, weil's heiss ist, ach, seine Schultern …»

So beschrieb 1986 Journalistin Erika Eberhard die Bühnenpräsenz von Chansonnier Stephan Eicher. Ihr Text erschien im Schweizer Zeitgeist-Magazin «Magma». Ich habe die Zeitschrift kürzlich beim Aufräumen in meiner Heftlisammlung entdeckt.

Ich weiss nicht, ob ich 1986 das Eicher-Porträt im «Magma» gelesen habe. Damals war ich kein Fan von seiner Musik. Was ich jedoch mit Sicherheit sagen kann: Es sollte noch 24 Jahre dauern, bis ich mich persönlich davon überzeugte, was für ein wunderbarer Livemusiker er ist.

Es gibt Schlimmeres

Am Freitag, 16. April 2010, reiste ich für ein Konzert von Heidi Happy ans «Zermatt Unplugged»-Festival ins Wallis. Kurz davor hatte ich ein Interview mit der Luzerner Sängerin geführt. Der Konzertveranstalter meinte, ich könne ja dann ja auch grad noch das Konzert von Herrn Eicher ansehen. Na ja, dachte ich, es gibt Schlimmeres.

Wie erwähnt: Ich war kein grosser Fan von Eichers Musik. War. An diesem Abend in Zermatt hat sich das geändert. Und zwar: total geändert. Ich erlebte einen magischen Abend.

Ich verliess als allerletzter Gast das Konzertzelt, derart gefesselt war ich von Eichers Musik und seiner Bühnenpräsenz. Drei Jahre später reiste ich extra mit dem Zug nach Paris, um Eicher live zu sehen. Wieder spürte ich Magie. Und auch beim dritten Konzert vor zwei Jahren im Volkshaus Zürich verliess ich wie verzaubert den Saal.



Umso überraschter war ich deshalb, als ich vor wenigen Tagen in «Der Zeit» ein Interview mit Stephan Eicher las. Darin bekennt er, dass er seit den frühen Achtzigerjahren an Panikattacken leide. «Es kann passieren, dass ich in der Migros vor den Willisauer Ringli stehe und spüre, dass mich die Panik überkommt, obwohl weit und breit kein Säbelzahntiger zu sehen ist.»

Der Chansonnier glaubt, dass er wegen dieser Attacken nie alles aus sich herauszuholen vermag: «Dass mich die Angst vor einer Attacke hemmt und ich darum nicht so bin, wie ich sein könnte.»

Ein wohliges Schaumbad

Lieber Stephan Eicher, ich habe (zum Glück) keine Ahnung, wie sich Panikattacken anfühlen. Aber ich weiss, was ich während Ihrer drei Konzerte gespürt habe. Es waren wunderbare Gefühle. Es war, als sässe ich in einem wohlig warmen Schaumbad.

Und ich bangte jedes Mal: Hoffentlich gehen Sie noch ganz lange nicht von der Bühne. Hoffentlich geben Sie unendlich viele Zugaben.

Herzliche Gratulation zum 60. Geburtstag, lieber Stephan Eicher, und weiterhin alles Gute.


Regelmässig gibt es werktags zur Mittagszeit (hin und wieder, also so wie heute, auch schon früher) bei «Bluewin» die Kolumne am Mittag – es dreht sich um bekannte Persönlichkeiten, mitunter auch um unbekannte – und manchmal wird sich auch ein Sternchen finden.

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