Kolumne am Mittag Tom Kummer: «Viele hielten mich einfach für ein Arschloch»

Von Bruno Bötschi

11.3.2020

Vor 20 Jahren löste Tom Kummer wegen fiktiver Interviews mit US-amerikanischen Stars einen Medienskandal aus. Dieser Tage erscheint mit dem Roman «Von Schlechten Eltern» sein neustes Buch.
Vor 20 Jahren löste Tom Kummer wegen fiktiver Interviews mit US-amerikanischen Stars einen Medienskandal aus. Dieser Tage erscheint mit dem Roman «Von Schlechten Eltern» sein neustes Buch.
Bild: Keystone

Von der Edelfeder zum Fälscher: Was niemand in der Schweizer Medienszene für möglich hielt, hat Tom Kummer geschafft. Ein fiktives Gespräch mit dem Geächteten über sein neues Buch und seine gefälschten Interviews mit Pamela Anderson und Sharon Stone.

Er macht einen Bogen um das Sofa neben der Hotelrezeption und betritt das Restaurant. Er wirkt erschöpft und zart zugleich – so zart wie jemand in engen, blauen Jeans halt aussehen kann.

Er bestellt einen Kaffee und ein Wasser ohne. Tom Kummer, 59, hat an diesem überbelichteten Montagnachmittag bereits vier Interviews hinter sich. Die Reporterin des «Tages-Anzeigers» habe ihn wieder einmal «furchtbar beleidigt». Am nächsten Tag wird im «Tages-Anzeiger» zu lesen sein: «Tom Kummer verfügt zwar über wenig schriftstellerisches Talent, aber gerade deswegen gehört er zu den Buchpreis-Favoriten.»

Vor zwei Jahren hatte die gleiche Autorin geschrieben, Kummers Sexszenen in seinem ersten Roman seien nicht mehr als ein geschmackvoll ausgeleuchteter Softporno-Blödsinn für alternde Geschäftsreisende in Hotelzimmern.

Tom Kummer, Sie kommen gerade vom Tennisplatz, wie fühlen Sie sich?

Einfach phantastisch. Beim Tennisspielen spüre ich meinen ganzen Körper. Und wenn ich meinen Körper spüre, dann liebe ich das Leben. Und wenn ich das Leben und meinen Körper so richtig liebe, dann sagen meine Kinder: Papi, du bist der beste Vater der Welt.

Welchen väterlichen Rat geben Sie denn Ihren Kindern auf den Weg?

Viel Tennis spielen. Das ist die beste Erziehung.

Haben Sie den Sinn des Lebens gefunden?

Ich weiss zwar nicht genau, wovon Sie sprechen, aber eins weiss ich ganz genau: Ich muss nicht unbedingt nach einem Sinn im Leben suchen, um glücklich zu sein.

Vor 20 Jahren flogen Sie mit Ihren gefälschten Interviews mit US-amerikanischen Stars wie Pamela Anderson, Sharon Stone und Sean Penn auf.

Ich hielt mich damals für einen Hipster. Ich habe gegen Dinge rebelliert, die den meisten Menschen egal sind.

Und die wären?

Ich habe gegen Leute rebelliert, die mich idiotisch anstarrten, Leute, welche die falschen Kleider trugen oder sich nicht korrekt ausdrückten, wenn sie mit mir sprachen.

Dieser Tage erscheint Ihr neues Buch ‹Von Schlechten Eltern›, ein autofiktionaler Roman.

Ich schreibe Bücher, um meinen Lebensunterhalt und den meiner Kinder bestreiten zu können.

In ‹Von Schlechten Eltern› trauern Sie, wie bereits in Ihrem ersten Roman ‹Nina&Tom›, um Ihre verstorbene Frau.

Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich ein grosses Problem mit Frauen habe. Aber ich arbeite daran. Ich bin überzeugt, dass 80 Prozent aller Beziehungen glücklicher wären, wenn jeder Partner die Freiheit hätte, so zu sein, wie er will.

In Ihrem Buch ist selten von Tageslicht die Rede. Sie chauffieren nachts Geschäftsleute und Diplomaten durch die Schweiz und gehen ins Bett, sobald Ihre Söhne in der Schule sind.

Früher, als Hipster, glaubte ich immer zu wissen, was in der Welt geschieht und welcher Stil den anderen weit voraus ist. Schon damals habe ich mich furchtbar gelangweilt. Da habe ich halt Grimassen gezogen, beim Schreiben eine fiese Tonlage gewählt, Zigaretten auf meinem Körper ausgedrückt, kleine Messerspielchen ausprobiert. Für mich war das Rebellion. Viele hielten mich einfach für ein Arschloch.

Bedeutet Ihnen diese Vergangenheit nichts mehr?

Ich schaue nur nach vorn. Ich bin Schriftsteller.

Sie galten einmal als schüchterner Junge.

War ich auch. Bis ich gemerkt habe, dass es falscher Respekt war, der mich gehemmt hat. Die meisten Menschen, vor denen ich damals Respekt hatte, spielten mir nur etwas vor. In Wirklichkeit waren sie Nullen.

Kummer nippt am Wasserglas. Dann greift er in seine Tasche und steckt sich einen Beef-Jerky in den Mund, einen Trockenfleischstengel zum Kauen, der wie eine Brissago in seinem Mundwinkel hängt.

Warum tun Sie das, Herr Kummer?

Ich liebe nichts mehr, als Fleisch zu kauen. Ich bin ein Fleischfresser. Das klingt politisch zwar nicht korrekt, aber das ist mir egal.

Sind Beziehungsprobleme bei einem Starautor eigentlich vorprogrammiert?

Ich will eine wirklich liebende Partnerin, das ist alles. Aber das ist fast unmöglich. Seit den gefälschten Interviews hat sich mein Leben total verändert. Wer will mit mir schon eine Beziehung eingehen? Ich bekomme Tausende von Briefen täglich, die Hälfte ist von Psychopathen geschrieben. Das Schlimmste ist jedoch, dass jede Frau, so nett sie auch ist, Sex von mir will. Aber sie wollen mit dir nicht wirklich schlafen, sondern sie wollen nur, dass die anderen glauben, sie hätten mit dir geschlafen.

Was machen Sie dagegen?

Arbeiten und dominieren. Ich geh' alleine aus, brauche weder eine Begleiterin noch das Drama einer wilden Beziehung. Mir kann man einfach keine Angst mehr machen. Und Panik kenne ich sowieso nicht.

Worin besteht das Dilemma von Männern Ihres Schlages?

Dass das Verdrängte mich immer weiter verfolgen wird. Und dass die Sprache des Herzens die Sprache der Liebe ist. Aber mein Herz versteht niemand.

Kennt ein Mann wie Sie keinen Schmerz?

Doch, aber ohne Schmerzen geht in meinem Leben gar nichts.

Das Interview mit Tom Kummer inklusive dem Einstiegstext ist fiktiv. Das Gespräch wurde mit leicht veränderten Textteilen aus Kummers gefälschten Interviews mit Pamela Anderson (SonntagsZeitung, 1996), Sean Penn (Das Magazin, 1996) und dem Porträt über Sharon Stone (Das Magazin, 1996) zusammengestellt.

Regelmässig gibt es werktags um 11:30 Uhr bei «Bluewin» die Kolumne am Mittag – es dreht sich um bekannte Persönlichkeiten, mitunter auch um unbekannte – und manchmal wird sich auch ein Sternchen finden.

Das sind die zwölf verrücktesten Pflanzen der Welt
Zurück zur Startseite