Plastische Chirurgie Umfrage: Jede Zweite kann sich eine Schönheits-OP vorstellen

/dpa Mara Ittig

15.3.2018

Nicht-invasive Eingriffe wie Botox-Injektionen oder Hyaluron-Unterspritzungen sind immer beliebter.  
Nicht-invasive Eingriffe wie Botox-Injektionen oder Hyaluron-Unterspritzungen sind immer beliebter.  
Bild:Getty Images

Jede zweite Frau in Deutschland ist Schönheitsoperationen grundsätzlich nicht abgeneigt. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag der Zeitschrift «Gala». Demnach können sich 51 Prozent der weiblichen Befragten einen operativen Eingriff am eigenen Körper vorstellen. Bei den Männern waren es 29 Prozent.

Vivien Tatham kommt aus Deutschland, studiert in New York und ist eine ganz normale «Influencerin» - also eine Frau, die in den sozialen Medien besonders viele Leute erreicht. Unter dem Namen «iamvivientatham» zeigt die 24-Jährige mit langen flachsblonden Haaren und dunklen Augenbrauen auf Instagram ihre Outfits, ihre Reisen oder ihr Essen. Doch dazwischen findet sich ein eher ungewöhnlicher Beitrag: Unter dem Hashtag #lippenunterspritzung hat sie ein Selfie von sich gepostet, in dem sie ihre fülliger aufgespritzten Lippen zeigt.

Tatham dürfte nicht die einzige Influencerin sein, die einen Schönheitseingriff vorgenommen hat - doch sie ist eine der wenigen, die darüber sprechen. Soziale Medien erhöhen den Druck, gut aussehen zu wollen, wie die Psychologin Ada Borkenhagen sagt. Für manche reichen Schminke oder Filter da nicht aus. «Ich denke, dass die sozialen Netzwerke, insbesondere Instagram, schon einen Einfluss auf die Anzahl von Schönheitsoperationen haben», sagt Borkenhagen.

«Ich kenne einige, die sich ihre Lippen, Nase oder Brüste haben machen lassen, und ich finde, das ist total in Ordnung», sagt Tatham. «Was mich stört, ist, dass viele Leute nicht dazu stehen und so tun, als wäre alles natürlich. Viele Mädchen, besonders Jugendliche, schauen sich die ganzen Instagrammer an und denken, das sei real und jeder wäre schön - dabei sind das Filter oder aber auch Eingriffe, die sie so aussehen lassen haben.»

Zu diesem Fazit kommt übrigens auch die American Academy of Facial Plastic and Reconstructive Surgery (AAFPRS): 42 Prozent der AAFPRS-Mitglieder geben in einer Umfrage an, dass bei ihnen verstärkt Menschen auftauchen, die eine Gesichtsoperation wünschen – mit dem Ziel, auf Social Media besser auszusehen. Was im Nebeneffekt dazu führt, dass immer Jüngere über einen Eingriff nachdenken, wie das Branchenportal Medinside berichtet. 

Die Schweiz ist ein Land, in dem überdurchschnittlich viel ästhetishe Eingriffe durchgeführt werden. 55’000 Menschen haben 2013 gemäss Branchenvereinigung Acredis einen operativen Eingriff machen lassen. Am beliebtesten sind Fettabsaugungen, Lidstraffungen und Brustvergrösserungen. Und: Was die Operationen pro Kopf angeht, sind wir sogar Weltmeister. 2011 gab es hierzulande pro zehntausend Einwohner 59 Schönheitsoperationen – so viel wie in keinem anderen Land.

Nach einer repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag der Zeitschrift «Gala» ist jede zweite Frau in Deutschland Schönheitsoperationen grundsätzlich nicht abgeneigt. Demnach können sich 51 Prozent der weiblichen Befragten einen operativen Eingriff am eigenen Körper vorstellen. Bei den Männern waren es 29 Prozent. Aber: 95 Prozent der Befragten haben laut Befragung noch keinen Eingriff bei sich durchführen lassen. Unabhängig vom Geschlecht zeigt sich, dass sich eher jüngere Menschen eine Schönheits-OP vorstellen können.

Die meisten sind nach dem Eingriff zufriedener

So waren 18 Prozent der 18- bis 29-Jährigen sowie 20 Prozent der 30- bis 44-Jährigen einer Hautstraffung an Bauch, Beinen oder Armen nicht abgeneigt. Von den Leuten, die 60 Jahre oder älter sind, waren es nur 3 Prozent. Mit steigendem Alter scheint die Akzeptanz des eigenen Körpers demnach zu steigen.

Zurück zur Influencerin Tatham: Die Lippenunterspritzung - ein sogenannter minimal invasiver Eingriff, für den keine chirurgische Operation nötig ist - war für die 24-Jährige eine Form der Selbstermächtigung: «Niemand braucht das per se, aber ich wollte es gerne für mich selber machen und bin auch sehr glücklich mit der Entscheidung», sagt sie. «Man lebt nur einmal, und man möchte so schön sein wie möglich - und wenn es Eingriffe gibt, die man ohne OP machen kann, dann: wieso nicht?»

Auch Borkenhagen sagt, dass Schönheitsoperationen zufriedener machen können. «Der Grossteil der Menschen, das kann man an Studien sehen, ist relativ zufrieden nach einer Schönheits-OP, sofern medizinisch alles gut geklappt hat. Bei Menschen, die an einer psychischen Störung leiden, ist das natürlich anders.»

«Wir leben in einer Körperkratie»

Dass es glücklich macht, schön zu sein, hängt mit gesellschaftlichen Idealen zusammen. «Wir leben in einer Körperkratie: Einer Herrschaft der schönen Körper», meint Borkenhagen. «Unsere körperliche Erscheinung ist ganz entscheidend geworden. Zum einen, um uns selbst zu definieren, zum anderen auch aus ökonomischen Gründen. Gutes Aussehen bringt auf dem Partnermarkt Erfolg, aber auch im Beruf. Ein Manager mit Tränensäcken und Hängebauch ist inzwischen kaum noch vorstellbar.»

Wie in anderen Teilen der Gesellschaft finden sich auch auf Instagram Menschen, die das anprangern - nicht zuletzt wegen der grossen Macht, die Influencer und soziale Medien inzwischen über junge Menschen haben. Auch Louisa Dellert ist Influencerin, steht aber für eine andere Haltung. Sie hat auf ihrem Blog darüber berichtet, warum sie sich gegen eine Schönheits-OP entschieden hat. Dabei war sie schon in einem Beratungsgespräch mit einem Chirurgen, nachdem ihr damaliger Freund ihr ins Gesicht gesagt hatte, ihre Brüste seien zu klein.

«Ich finde, dass der Schönheitswahn durch die sozialen Medien grösser geworden ist», sagt die 28-Jährige. «Weil immer mehr Menschen ihre perfekten Bilder dort teilen, wodurch natürlich alle in die Versuchung kommen, auch so aussehen zu wollen.»

Auf Instagram postet Dellert Fotos, auf denen sie auch mal ungeschminkt oder mit Cellulite zu sehen ist. «Ich probiere schon, den Leuten zu zeigen, dass ich nichts an meinem Körper retuschiere.» Sie habe sich damals schliesslich gegen die Schönheits-OP entschieden, weil es sich nicht richtig angefühlt habe. Den Freund hat sie in die Wüste geschickt. «Und ich habe mir gedacht: Okay, deine Brust ist so wie sie ist. Und die kann auch bei anderen so sein wie sie ist. Natürlich habe ich immer mal wieder Tage, wo ich meine Brust nicht schön finde, oder zu klein. Aber ich bin darüber hinweg, sie deswegen verändern zu müssen.»


Für die Forsa-Umfrage der «Gala» wurden 1002 Menschen ab 18 Jahren befragt. Den Befragten wurden verschiedene Eingriffe und Verschönerungsmassnahmen genannt, die man an seinem Körper vornehmen lassen kann, um z.B. dem Alterungsprozess entgegenzuwirken. Sie wurden gebeten anzugeben, welche dieser Eingriffe für sie prinzipiell vorstellbar wären. Die Eingriffe, nach denen gefragt wurde, waren: Fettabsaugung; Straffung des Augenlids; Hautstraffung an Bauch, Beinen oder Armen; Haartransplantation, Faltenreduktion durch eine Laserbehandlung; Faltenunterspritzung, z.B. mit Botox/Hyaluronsäure; Nasen-Korrektur; Facelifting, also Gesichtsstraffung; Kinn-Korrektur; Intimchirurgie; Vergrösserung, Straffung oder Wiederherstellung der Brust.

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