Golf kann gefährlich sein. Die Schläger sind aus Metall, die Bälle fliegen bis zu 200 Stundenkilometer schnell. Und der Kolumnist hat während seiner ersten Probelektionen noch etwas gelernt: Demut hilft.
Von Bruno Bötschi
29.03.2021, 00:00
29.03.2021, 07:05
Bruno Bötschi
Lange Zeit dachte ich, Golfspielen sei ein Altherren-Sport. Doch das hat sich nach meinen vier ersten Probelektionen grundlegend geändert. Jetzt weiss ich: Das Abschlagen und Einlochen kann eine ziemlich coole und lebensbereichernde Sache sein.
Aber ich fange besser von vorn an.
«Halb-Profi.» Und das schon nach meinem 6. Schlag. Golflehrer David weiss, wie er einen Anfänger auf der Driving Range motivieren muss. 90 Meter weit ist mein Ball geflogen. «Ein Naturtalent», denke ich, um Sekunden später kopfschüttelnd in die Knie zu sinken. Schlag 7 und 8 missraten total. Statt den Ball zu treffen, haue ich den Schläger in die Abschlagmatte.
Aller Anfang ist schwer.
«Demut», sagt die Dame, die eine Reihe hinter mir den Abschlag übt. «Demut ist das Wichtigste auf dem Golfplatz.» Und laut reden verboten, meistens jedenfalls. Würden wir ein Turnier spielen, hätte die Frau möglicherweise in diesem Moment einen Strafpunkt kassiert.
Was nützt Wissen, wenn Können fehlt?
Woher ich das weiss? Um nicht sofort als Anfänger erkannt zu werden, studierte ich vor meinen Probelektionen auf dem Golfplatz Kulm in St. Moritz GR die Etikette.
Aber was nützt viel Wissen, wenn das Können fehlt? «Golf ist ein Spaziergang mit Ärgernissen», behauptete Schriftsteller Mark Twain. Und ich ärgere mich an diesem Nachmittag ziemlich oft. Seit ich 40 geworden bin, spielen in meinem Freundeskreis immer mehr Menschen Golf. Höchste Zeit, dachte ich, es auch einmal zu versuchen.
Mein Golflehrer lässt sich von meinem anfänglichen Pessimismus nicht beeinflussen. Sobald ich den Schläger nach oben schwinge, wiederholt er stoisch, aber freundlich: «Fallen lassen!» Und er drückt meine Hände an den Schläger, damit ich ihn korrekt halte.
David ist Katalane und stand im Alter von drei Jahren zum ersten Mal auf einem Golfplatz. Er erkennt mein Problem schnell: Ich bin zu verkrampft. Mit dem Resultat, dass mein Rücken nach jedem Schlag ein bisschen mehr zwickt.
Meine Bälle fliegen, endlich
Neuer Tag, besseres Spiel. Die morgendliche Rückenmassage im Hotel wirkte Wunder. Meine Bälle fliegen, endlich. Manch einer sogar weit über 100 Meter. Ich habe mein Rezept gefunden: Locker schwingen statt kraftvoll hauen.
Der Ehrgeiz packt mich, prompt verhaue ich die nächsten Schläge. «Fallen lassen!» kommentiert David. Er korrigiert ständig meine Haltung, kritisiert die Bewegungen beim Abschlag. Ohne richtige Technik ist dieser Sport eine Tortur.
«Am Golfschwung arbeiten ist wie ein Hemd bügeln. Kaum hat man eine Seite fertig, ist die andere Seite wieder voller Knitter», sagt Tom Watson. Jetzt weiss ich, was der US-Profigolfer damit meint.
Und Golf ist kompliziert. Allein die vielen Schlägertypen können einen Neuling an den Rand des Wahnsinns bringen. Und erst deren Namen: «Play Club» klingt nach Strandbar. «Mid Iron» könnte der Name einer Hardrockband sein. Und «Jigger»? Wahrscheinlich ein neuer Laufsport.
Am Nachmittag erklärt mir David, welches der meistbenutzte und darum wichtigste Schläger im Golfbag ist: der Putter. Auf dem Green (Grün) soll ich mit ihm den Ball in ein viel zu kleines Loch anderthalb Meter vor mir bugsieren (putten). Meine Nerven flattern. Bis ich mich an den Rat erinnere: «Demut!» Endlich rollt der Ball ins Loch. «Perfekt», lobt David.
Vielleicht wird aus mir doch noch ein kleiner Tiger Woods. Der Weg dahin aber, das weiss ich jetzt schon, ist weit. Sehr weit. Und ich muss mich weiter in stiller Demut üben.
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