Zeitgeist im Spiel Wenn das Hakenkreuz auf dem Spielbrett landet

DPA/tjb

23.2.2019

Die Spiele, die bei der Masse beliebt waren, spiegeln immer auch den Zeitgeist wieder. Hier eine Spielszene aus dem Jahr 1967,
Die Spiele, die bei der Masse beliebt waren, spiegeln immer auch den Zeitgeist wieder. Hier eine Spielszene aus dem Jahr 1967,
Bild: Dukas

Von «Mensch ärgere Dich nicht» bis zum «Führer-Quartett»: Ein Buch über deutsche Spielkutur zwischen 1900 und 1945 zeigt, wie makaber sich der Zeitgeist auf die Spiele auswirken können.

Manche Spiele sind eine flüchtige Modeerscheinung. Erinnert sich noch jemand an den Tamagotchi-Hype in den 90er-Jahren? Das nervige elektronische Küken, das virtuell gepflegt und gepäppelt werden musste, war einmal der Renner unter den Spielzeugen. Doch der Ruhm verebbte bald.

Andere Spiele erlebten manchmal nach Jahrzehnten eine unverhoffte Renaissance. So etwa das Jo-Jo. Das kleine Rollrädchen war bei Kindern in den 30er Jahren äusserst populär. Dann verschwand es in der Versenkung und feierte in den 90er Jahren ein unerwartetes Comeback.

Und dann gibt es da noch die Klassiker, die gehen eigentlich immer. So erfreut sich «Monopoly» trotz seines Rufs als Kapitalistenspiel über alle Zeitläufte hinweg grosser Beliebtheit. 

Krieg verhalf Spielen zum Boom

Spiele schreiben aber nicht nur Geschichte, sie spiegeln auch Geschichte. Diesen Aspekt verfolgt der Dresdner Historiker André Postert in seinem ebenso fundierten wie unterhaltsamen Buch «Kinderspiel, Glücksspiel, Kriegsspiel». Dabei beschäftigt er sich besonders mit der deutschen Spielkultur von 1900 bis 1945.

Leider waren vor allem Kriege immer eine Boomzeit für Spiele. Eines der bekanntesten Brettspiele, «Mensch ärgere Dich nicht» – ein naher verwandter des hierzulande bekannten «Eile mit Weile», verdankt dem Ersten Weltkrieg sogar seinen Durchbruch. 1907 von dem Münchner Kaufmann Josef Friedrich Schmidt erfunden, fristete das Spiel lange Zeit ein Nischendasein. Bis sein Erfinder auf die geniale Idee kam, den Soldaten in den Schützengräben 3000 Exemplare kostenlos zu überlassen. In den quälenden Gefechtspausen wurde das Spiel – ebenso wie viele Kartenspiele – zu einem Zeitvertreib. Nach dem Krieg setzte sich die Begeisterung für «Mensch ärgere Dich nicht» unvermindert fort. Bis 1920 wurden bereits eine Million Exemplare verkauft.



Spielzeugsoldaten gehörten damals für Jungen ganz selbstverständlich zur Grundausstattung. Die Traditionsfirma Steiff vertrieb in den Kriegsjahren «niedliche Soldaten aus Stoff oder Plüsch, die in der Reihe stramm marschierten, trommelten oder kleine Sanitäter in Uniform und mit Rettungshund». Feindliche französische Soldaten kamen auch vor, sie wurden aber gleich in die Gefangenschaft abgeführt.

Hakenkreuz auf dem Spielfeld

Grosse Freude am martialischen Kriegsspielzeug hatten später auch die Nationalsozialisten. Die braun eingefärbte Spielware jener Jahre kommt uns heute besonders gruselig vor. Zum Verkaufsschlager avancierte etwa das Brettspiel «Der Siegeslauf des Hakenkreuzes», ein Propagandaspielzeug, mit dem man die «ruhmreiche» Entwicklung der NSDAP von der Gründung bis zur Machtergreifung nachvollziehen konnte. Auch «Mensch ärgere Dich nicht» gab es jetzt in einer zeitgemässen Nazi-Version. Bei den Kartenspielen wurde ein sogenanntes Führer-Quartett angeboten mit den Köpfen bekannter Nazi-Grössen als Spielkarten.

Die grossen deutschen Spielehersteller sprangen auf den völkischen Zug willig auf. Käthe Kruse erfand die Friedebald-Puppe im modischen Braunhemd und die Firma Steiff war sich nicht zu schade, einen «SA-Mann zum Kuscheln» auf den Markt zu bringen, ein besonders perfider Kotau vor der Schlägertruppe. Noch makabrer und dabei hochpolitisch war das Brettspiel «Juden raus», das denjenigen Spieler belohnte, der am meisten Juden aus der Stadt jagte. Ob das Spiel erfolgreich war, ist allerdings nicht so klar.

Nach diesem Tiefpunkt zeigte sich die Spielekultur in der Wirtschaftswunderzeit eher von der harmlosen Seite. Spielzeugautos, Wolkenkratzer und Kinderfernseher waren die neuen Idole des Fortschritts. Kaufläden und Kinderküchen für kleine Hausmütter zeugten vom biederen Zeitgeist der 50er Jahre. Das aber wäre Thema für ein weiteres Buch.

Das Cover von «Kinderspiel, Glücksspiel, Kriegsspiel. Große Geschichte in kleinen Dingen 1900-1945» von André Poster.
Das Cover von «Kinderspiel, Glücksspiel, Kriegsspiel. Große Geschichte in kleinen Dingen 1900-1945» von André Poster.
Bild: DPA/DTV

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