Indische Metropole Kalkutta – mal laut und lebendig, mal meditativ und ruhig

Andreas Drouve, dpa

12.10.2019

Knatternde Tuck-Tucks, Betriebsamkeit und der Duft südasiatischer Gewürze aus den Strassen-Garküchen. Kalkutta ist ein betörendes Festival für die Sinne – doch es gibt auch ruhige Ecken. 

Tak. Tak tak tak. Kann das sein? Die klackenden Geräusche, die die Arkaden gegenüber des Gerichtsgebäudes erfüllen, klingen für Besucher aus Europa wie aus einer anderen Zeit.

Tak tak. Tak tak. Galten die Geräte nicht längst als ausgestorben? Nicht in der indischen Metropole Kalkutta: Hier gehören Schreibmaschinen genauso zum Alltag wie betagte Fotokopiergeräte.

Nicht nur die Arbeit wird in dieser Stadt im Freien erledigt, auch vieles andere findet in der Öffentlichkeit statt. Nicht weit entfernt von den klackernden Schreibmaschinen stehen Blechtöpfe in Garküchen auf grosser Flamme, Männer seifen sich an einem öffentlichen Brunnen ein. Das Leben zeigt sich hier ungeschminkt und bunt.

Reich an Erinnerungen

Als der US-amerikanische Schriftsteller Mark Twain (1835-1910) hierher kam, skizzierte er die damalige Hauptstadt Britisch-Indiens und Bengalens als «schöne Stadt», «reich an geschichtlichen Erinnerungen und reich an britischen Errungenschaften».

Kalkutta ist lebendig und lebensfroh: Überall begegnet man einem Lächeln, an Markt- und Strassenständen, in Linienbussen, in der Metro.
Kalkutta ist lebendig und lebensfroh: Überall begegnet man einem Lächeln, an Markt- und Strassenständen, in Linienbussen, in der Metro.
Bild: Getty Images

Heute fällt vielen bei der Metropole, die offiziell Kolkata heisst, als erstes Mutter Teresa (1910-1997) ein. Die Ordensschwester kümmerte sich in Kalkutta um die Armen und prägte damit auch das Bild der Stadt nachhaltig. Allerdings ist Kalkutta mehr als nur Armut.

Die Stadt ist lebendig und lebensfroh: Überall begegnet man einem Lächeln, an Markt- und Strassenständen, in Linienbussen, in der Metro. Gegenüber Fremden sprühen die Einheimischen vor Neugier, Hilfsbereitschaft und Aufgeschlossenheit. Die Herzlichkeit ist manchmal überraschend: Als ein alter Mann erfährt, dass der Journalist aus Deutschland kommt, beschenkt er den Fremden mit einer innigen Umarmung und sagt «Steffi Graf».

Hupen aus Langeweile

Die Lebendigkeit drückt sich auch in der Betriebsamkeit aus, zum Beispiel früh morgens auf dem Blumenmarkt, wenn sich schwer beladene Lastenträger ihre Wege durchs Gedränge bahnen. Oder jederzeit auf der Howrah Bridge, eine der meistfrequentierten Brücken Asiens.

Täglich sollen es über eine Million Menschen sein, die auf der Brücke in Linienbussen, Taxis, Lastern, Autos, zu Fuss, mit Karren oder Rädern über den Hooghly, einen Mündungsarm des Ganges ziehen. Begleitet von Hupkonzerten. Gemeint ist das hier nicht böse. Vielmehr ist Hupen für viele Autofahrer eher ein Zeitvertreib.



Besonders laut ist es in der AJC Bose Road. Fast jedes Auto hupt vor dem Stammsitz der Missionarinnen der Nächstenliebe, wo Begründerin Mutter Teresa ihre letzte Ruhe fand. Bis zum ihrem Grab dröhnt der Lärm. Selbst in dem Museumsraum, wo man mehr über das Leben der Friedensnobelpreisträgerin erfährt, ist der Lärm zu hören.

Ehrfürchtig harren Gläubige vor persönlichen Gegenständen in Vitrinen aus, einem Taschentuch der Heiligen, ihrer grauen Reisetasche, Spritzen und Nadeln in einem Kästchen für ihre Bluttests, den Sandalen. Schwarzweissfotos zeigen eine junge Frau, die man sonst nur als alt, klein und gebückt in Erinnerung hat: Agnes Gonxha, lange bevor sie Mutter Teresa wurde.

Orte der Stille sind auch zu finden

Aber Kalkutta ist nicht nur laut. Es gibt auch leise Ecken, das Töpferviertel Kumartuli zum Beispiel. Hier zeigt sich die Millionenstadt von der ländlichsten Seite, ein Kalkutta mit Dorfcharakter. In kühlen, kleinen Werkstätten formen Künstler wie Shankar Paul und Bhola Paul Skulpturen in Klein- und Grossformat. Für den Hausgebrauch, Feste, Museen. Hindugötter sind bei den Motiven ebenso vertreten wie Mahatma Gandhi.

Das Rohmaterial liefert der Schlamm des Ganges, respektive sein Arm Hooghly. Bhola Paul, 59, braucht für ein kleines Tonbildwerk «eine Stunde», sagt er. Übung macht den Meister. Begonnen hat er mit acht Jahren. Alles Handarbeit, das gilt für Schneiderstuben ebenso wie für Openair-Barbiere, Zuckerrohrpresser, Schuhmacher. Schuljungs in Uniform kommen entgegen, Strassenhunde kreuzen den Weg.



Stille findet man auch im Botanischen Garten, in der anglikanischen Kirche St. John’s, in den Parkanlagen beim Königin Victoria Memorial, am Fluss beim Hindutempel Dakshineswar Kali. Dort tauchen Menschen in die trübe Brühe der heiligen Gangeswasser, füllen Kanister und Flaschen für daheim ab, beten.

So wie Dhar Souvik, 25, Assistent in einer Dentalklinik. Heute ist er zum Tempel und an die Ufer gekommen, weil es seinem Vater schlecht geht. Er bittet um Besserung seines Zustands, blinzelt über dem breiten Strom in die untergehende Sonne und sagt: «Hier spüre ich Frieden, eine tiefe Entspannung.»

Tipps für Indienreisende

Die beste Zeit um nach beziehungsweise in Indien zu reisen, sind die Monate Dezember bis März. Schweizerinnen und Schweizer benötigen – neben eines gültigen Passes  –ein Visum, um nach Indien einreisen zu können. Darüber hinaus informiert das Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) über die Sicherheitslage im Land. 

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