Die Verwüstung auf der philippinischen Insel Siargao ist brutal. Niemand hatte ein so dramatisches Szenario erwartet. Taifun «Rai» (oder auch «Odette») nahm vielen Filipinos das Wenige, was sie ihr Eigen nennen konnten.
Filipinos leben oft in Grossfamilien zusammen. Charlo Eliot (rechts) war der einzige, der finanziell etwas zum siebenköpfigen Haushalt beigetragen hatte. Ihr Haus ist komplett auseinander geflogen. Sein Boot leckt aus allen Löchern und Geld für eine Reparatur hat er keines.
Die 63-jährige Catalina Gana Morata posiert vor einem Gerüst, das früher ihr Haus war. Die Witwe und Mutter von sieben Kindern haust derzeit in einem drei Quadratmeter grossen Provisorium, das ihre Nachbarn aus Sperrholz gebastelt haben.
Viele Frauen haben bereits wunde Hände vom Waschen all der Kleider, die unter den Trümmern lagen. Wegen dem für Wochen anhaltenden Regen nach dem Supertaifun trocknet nichts.
Nebst der Stromversorgung ist auch die Wasserversorgung lahmgelegt. Diverse Filtrierstationen haben sich kurzerhand einen Generator besorgt, um weiterhin Grundwasser pumpen zu können. Doch aufgrund des Monsuns wurden die umliegenden Klärbehälter überflutet, somit sind viele Bakterien in das überteuerte Trinkwasser gelangt. Seit Wochen grassiert ein Durchfall-Problem in Siargao.
Die Boote der Kommunen wurden von den entwurzelten Kokospalmen arg beschädigt.
In Siargao leben viele Menschen vom Fischfang. Die Familie wird zuerst versorgt. Was übrig bleibt, verkaufen die Fischer am Markt in General Luna.
Der 30-jährige Ronald Antipasado ist ein «Head Capitan», er besitzt fünf Boote, welche er an seine Fischer-Kollegen gegen eine Provision vermietet. Vier davon wurden vom Tropensturm komplett zerstört. Auch ihm und seiner Frau fehlt derzeit das Dach über dem Kopf.
Nur ganz wenige der 200'000 Einwohner Siargaos profitieren vom Tourismus. Und selbst diejenigen, welche sich als Bootsmänner oder Service-Angestellte verdingen, haben wegen der Pandemie und dem Ausbleiben der Touristen längst die letzten verfügbaren Mittel aufgebraucht.
Erfahrungsgemäss bleibt der Tourismus nach so einer Katastrophe mindestens für ein Jahr aus.
Die Familie von Liza Antipasado (ganz rechts) hat alles verloren. Das Haus ist komplett eingestürzt, Ehemann Russel hat kein Boot mehr und kann daher weder Reis noch Einkünfte für die Reparaturen besorgen. Sie alle sind auf Hilfsgüter angewiesen.
Tochter Liza May Antipasado kocht die letzten Auberginen in der provisorischen Küche unter einer gefallenen Kokosnusspalme. Bald muss die Familie selber Gemüse anbauen, um über die Runden zu kommen.
Mani Espejo steht in ihrer Küche. Ihr kaputtes Dach liegt seit Wochen auf dem Grundstück der Nachbarn. Trotzdem haben ihre und drei weitere Familien Weihnachten zusammen in diesem offenen Raum verbracht.
Die Filipinos sind es sich gewohnt Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Fischer Alfredo Dole ist dabei die Lecks in seinem Wellblechdach zu stopfen. Danach wird er sich um die Dächer seiner Nachbarn kümmern.
Die meisten Filipinos bauen ihre einfache Behausung selber. Dazu braucht es Baumaterial wie z.B. Kokospalmen, Wellblech, Sperrholz oder Betonblöcke. Um ein typisches Haus, wie das von Albert Tabiraw Tibayan (ganz rechts) und seiner Familie, wieder aufzubauen, werden ca. 1000 bis 1500 Franken benötigt.
Supertaifun «Rai» verwüstet das Paradies
Die Verwüstung auf der philippinischen Insel Siargao ist brutal. Niemand hatte ein so dramatisches Szenario erwartet. Taifun «Rai» (oder auch «Odette») nahm vielen Filipinos das Wenige, was sie ihr Eigen nennen konnten.
Filipinos leben oft in Grossfamilien zusammen. Charlo Eliot (rechts) war der einzige, der finanziell etwas zum siebenköpfigen Haushalt beigetragen hatte. Ihr Haus ist komplett auseinander geflogen. Sein Boot leckt aus allen Löchern und Geld für eine Reparatur hat er keines.
Die 63-jährige Catalina Gana Morata posiert vor einem Gerüst, das früher ihr Haus war. Die Witwe und Mutter von sieben Kindern haust derzeit in einem drei Quadratmeter grossen Provisorium, das ihre Nachbarn aus Sperrholz gebastelt haben.
Viele Frauen haben bereits wunde Hände vom Waschen all der Kleider, die unter den Trümmern lagen. Wegen dem für Wochen anhaltenden Regen nach dem Supertaifun trocknet nichts.
Nebst der Stromversorgung ist auch die Wasserversorgung lahmgelegt. Diverse Filtrierstationen haben sich kurzerhand einen Generator besorgt, um weiterhin Grundwasser pumpen zu können. Doch aufgrund des Monsuns wurden die umliegenden Klärbehälter überflutet, somit sind viele Bakterien in das überteuerte Trinkwasser gelangt. Seit Wochen grassiert ein Durchfall-Problem in Siargao.
Die Boote der Kommunen wurden von den entwurzelten Kokospalmen arg beschädigt.
In Siargao leben viele Menschen vom Fischfang. Die Familie wird zuerst versorgt. Was übrig bleibt, verkaufen die Fischer am Markt in General Luna.
Der 30-jährige Ronald Antipasado ist ein «Head Capitan», er besitzt fünf Boote, welche er an seine Fischer-Kollegen gegen eine Provision vermietet. Vier davon wurden vom Tropensturm komplett zerstört. Auch ihm und seiner Frau fehlt derzeit das Dach über dem Kopf.
Nur ganz wenige der 200'000 Einwohner Siargaos profitieren vom Tourismus. Und selbst diejenigen, welche sich als Bootsmänner oder Service-Angestellte verdingen, haben wegen der Pandemie und dem Ausbleiben der Touristen längst die letzten verfügbaren Mittel aufgebraucht.
Erfahrungsgemäss bleibt der Tourismus nach so einer Katastrophe mindestens für ein Jahr aus.
Die Familie von Liza Antipasado (ganz rechts) hat alles verloren. Das Haus ist komplett eingestürzt, Ehemann Russel hat kein Boot mehr und kann daher weder Reis noch Einkünfte für die Reparaturen besorgen. Sie alle sind auf Hilfsgüter angewiesen.
Tochter Liza May Antipasado kocht die letzten Auberginen in der provisorischen Küche unter einer gefallenen Kokosnusspalme. Bald muss die Familie selber Gemüse anbauen, um über die Runden zu kommen.
Mani Espejo steht in ihrer Küche. Ihr kaputtes Dach liegt seit Wochen auf dem Grundstück der Nachbarn. Trotzdem haben ihre und drei weitere Familien Weihnachten zusammen in diesem offenen Raum verbracht.
Die Filipinos sind es sich gewohnt Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Fischer Alfredo Dole ist dabei die Lecks in seinem Wellblechdach zu stopfen. Danach wird er sich um die Dächer seiner Nachbarn kümmern.
Die meisten Filipinos bauen ihre einfache Behausung selber. Dazu braucht es Baumaterial wie z.B. Kokospalmen, Wellblech, Sperrholz oder Betonblöcke. Um ein typisches Haus, wie das von Albert Tabiraw Tibayan (ganz rechts) und seiner Familie, wieder aufzubauen, werden ca. 1000 bis 1500 Franken benötigt.
Kurz vor Weihnachten fegt «Rai» über die Philippinen. Der tropische Wirbelsturm hinterlässt ein verwüstetes Land und über 400 Tote. Die beliebte Ferieninsel Siargao trifft es besonders hart. Eine Fotoreportage.
Kurz nach dem Erscheinen des romantischen Films «Siargao» 2017 kürte «Condé Nast Traveler» Siargao zur «schönsten Insel Asiens», und der Tourismus-Hype war perfekt. Surfer und Reisende kamen in Scharen, etliche Investoren erschufen hier innert wenigen Jahren eine Vorzeigeinsel.
Jedoch illustrieren die traumhaften Bilder von Siargao, die man von Social Media her kennt, nur eine Seite der Tropeninsel. Die heimische Bevölkerung ist seit eh und je mittellos. Lediglich 5 Prozent der 200'000 Einwohner profitieren von der jungen Insel-Ökonomie.
So inszenierten sich Reisende vor dem Tropensturm auf der Insel Siargao:
Kaum Touristen während der Pandemie
Die Pandemie kommt der «schönsten Insel Asiens» höchst ungelegen. Touristen reisen ab, Hotelbetreiber offerieren ihre Gemächer zu Tiefstpreisen, doch mit der andauernden Misere machen auch sie sich irgendwann davon.
In der Gastronomie, wo kaum einer Reserven hat, wird es ganz eng, wenn der Tourist aus Übersee, ja sogar der Hauptstadt Manila ausbleibt. Ergo flieht jegliches Personal zwangsläufig zurück zur Familie in die Provinz, pflegt den Garten oder widmet sich wieder dem Fischfang.
Spur der Zerstörung
Dann, kurz vor Weihnachten, verdichtet sich die Wolkendecke am Tor zum Pazifik.
Die tiefgläubigen Philipiner beginnen zu beten.
Am 16. Dezember zerlegt Supertaifun «Rai» (Klasse 5) in knapp zwei Stunden die Insel in ihre Einzelteile.
Hausdächer werden verweht, geankerte Boote zerstört, Strom-Masten umgeknickt, die zahlreichen Palmen der Insel wirbeln wie Zahnstocher durch die Luft.
Zurück bleibt ein Ödland, in dem auf den ersten Blick nichts zu gedeihen scheint als das «Bayahinan» – der unvergleichbare Zusammenhalt der philippinischen Kommunen, die mit vereinter Kraft ihre einfachen Hütten wieder aufbauen und dabei den Launen der Welt entgegengrinsen. «Keine Wahl», sagt Jerry Gana seufzend, der gerade Balken zu seinem dachlosen Heim schleppt.
Staatliche Hilfe bleibt aus
Weder Staat noch Versicherung rettet die Einheimischen aus der Tristesse. Nach wenigen Tagen finden die ersten Hilfsgüter auf die Insel, vor allem Reis und Konserven. Vieles davon wurde von der Provinzregierung umgehend konfisziert und vorübergehend eingelagert.
Gemäss Informationen von Siargao Masaya – einem Hilfswerk, das von der hier wohnhaften Westschweizerin Stéphanie Roth Gana gegründet wurde, missbrauchen die mächtigen Clans die Soforthilfe für ihren angehenden Wahlkampf. «Sie nutzen die Gunst der Stunde, um die Essenspakete vor der Distribution mit Propaganda zu versehen», sagt Stéphanie.
Die Administration in Manila gab wiederum bekannt, dass für den Wiederaufbau schlicht das Budget fehlt. In der Tat verliessen die letzten Transportflugzeuge Siargao vor wenigen Tagen. «Wir fühlen uns vom Staat im Stich gelassen», sagt Jhenalyn de Leon wütend, eine Mutter von drei Kindern, die ihr Zuhause an den Taifun verloren hat.
Wiederaufbau beginnt
Die Rettungsarbeit hängt vom Goodwill Privater ab, von spendierfreudigen Immigranten sowie in- und ausländischen Hilfswerken wie Siargao-Masaya. Alle stehen sie vor einer logistischen Herausforderung: Ein Grossteil der einheimischen Bevölkerung hat alle Habseligkeiten verloren und lebt weit ab vom Schuss, für unbestimmte Zeit fehlt ihnen der Zugang zu sauberem Wasser und Reis.
In der nächsten Phase der Katastrophenhilfe geht es laut Siargao Masaya nun darum, Materialien für die zerstörten Häuser zu organisieren und die Existenzgrundlage der Fischer und Bauern zu sichern. Nur so haben die Einheimischen eine Perspektive.
Zum Autor: Claudio Sieber
Bild: zVg
Der Multimedia-Journalist Claudio Sieber aus St. Gallen reist seit mehreren Jahren durch Asien, wo er über die Traditionen fremder Völker, Popkultur und den sozialen Wandel im Orient und Ozeanien berichtet.