Ex-Spionin redet Agentinnen ohne Herz – «Honigfallen gehören zum Geschäft»

phi

28.12.2018

Erst Agentin, dann Autorin: Lindsay Moran.
Erst Agentin, dann Autorin: Lindsay Moran.
Bild: Getty

Mit Blick auf den Fall Skripal warnt Ex-Spionin Lindsay Moran, dass Russlands Agenten immer aggressiver vorgehen. Die Amerikanerin glaubt zudem, Moskau habe Donald Trump in der Hand.

Lindsay Moran weiss bereits früh, wohin ihre berufliche Reise geht. Schon als Kind ist sie fasziniert vom Kinderbuch «Harriet the Spy» und der Arbeit eines James Bond. Kein Wunder, dass die 49-Jährige nach dem Englisch-Studium auf der Harvard Universität beim US-Geheimdienst CIA anheuert.

Skripal als Warnung

1998 beginnt sie ihr Training im Camp Peary in Virginia – genannt «The Farm». Die Ausbildung dauert bis Dezember 1999, im Anschluss wird die Absolventin nach Skopje in Mazedonien versetzt. Drei Jahre sammelt sie im ehemaligen Jugoslawien Informationen, bevor sie in der Abteilung arbeitet, die auch für den Irak zuständig ist. Nach fünf Jahren kündigt die Agentin – nicht zuletzt weil ihr die Politik ihres Landes nicht mehr zusagt.

2005 bringt Moran ein Buch über ihre CIA-Zeit raus, die aus ihr «ein Chamäleon gemacht» habe: Mit «Blowing My Cover: My Life as a Spy» wird sie auch in den Medien zur Geheimdienst-Expertin, die notabene ihre Veröffentlichungen vom Pentagon absegnen lässt. Mit dem «Bund» (Link kostenpflichtig) spricht die Autorin über den Fall Skripal.



Die Vergiftung des russischen Ex-Spiones in London mache nachrichtendienstlich keinen Sinn. Der frühere Oberst habe schon lange keinen Zugang mehr zu brisanten Informationen gehabt. «Als Quelle war er verbrannt.» Der Anschlag sei «vor allem eine Warnung an alle aktiven Spione: ‹Wenn ihr überlauft, werden wir euch erwischen.›» Moskau habe ein Exempel statuieren wollen, ist sich die Amerikanerin sicher.

Aggressive Agenten

Warum die Attentäter derart viele Spuren hinterlassen haben, kann auch Moran nicht erklären. «In Wahrheit ist es wohl einfach schwieriger geworden, solche Aktionen unentdeckt auszuführen. Wir hinterlassen viel mehr Spuren als früher», räumt sie ein. Eine US-Aktion in Italien sei beispielsweise aufgeflogen, weil einer der Beteiligten «im Hotel die Treuepunkte auf sein echtes Konto gutschreiben lassen wollte».

Nach dem Skripal-Attentat wurden Moskaus Schlapphüte erwischt, als sie die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) in Den Haag und deren Labor in Spiez BE sowie den Kongress der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) in Lausanne ausspionierten. «Die Russen haben die Tendenz, die kontinentaleuropäischen Geheimdienste zu unterschätzen», erklärt Moran die Fehlschläge.

Oder aber sie zeigten, wie unverfroren Russland agiere. Für Geheimagenten sei die Welt seit Ende des Kalten Krieges nicht sicherer, sondern gefährlicher geworden. Der Kreml habe «viel in die Geheimdienste investiert» und unterhalte «bis heute ein sehr aktives Spionage-Netzwerk», so Moran: «Unter Putin nimmt die Aggressivität, mit der Russland spioniert, seit Jahren zu.»

Trump womöglich erpressbar?

Die Expertin gibt zu Bedenken, dass hinter jeder aufgedeckten Operation 10 bis 15 Einsätze stehen, die auch geheim bleiben. Ihr Fazit: «Die russische Spionage erlebt gerade eine Blütezeit, wie es sie nicht einmal während des Kalten Krieges gab.» Das würden nicht zuletzt die erfolgreichen Aktionen Moskaus in den USA zeigen, die «Angst und Misstrauen gesät» sowie zum Wahlsieg des amtierenden Präsidenten beigetragen hätten.

Tatsächlich sagt Moran sogar: «Bei Donald Trump ist man sich in Geheimdienstkreisen ja mittlerweile sicher, dass Putin etwas gegen ihn in der Hand haben muss – sei es nun auf finanzieller oder persönlicher Ebene.»  Maria Butina, die in den USA der Spionage überführt worden ist, sei zum Beispiel eine Agentin, die zum gezielten Verführen angeworben worden sei.

Wer ist Maria Butina?

«Sogenannte Honigfallen gehören zum Geschäft. Vor allem, weil das so unglaublich gut funktioniert. Eine hübsche junge Frau ist der einfachste und effizienteste Weg, einen Mann zu manipulieren – besonders einen über 50.» Die CIA sei natürlich auch kein Kind von Traurigkeit: Selbst Freunden dreht das Pentagon nie den Rücken zu. «Wir wollen wissen, worüber Angela Merkel wirklich spricht, wenn sie am Handy telefoniert. Das ist die Welt der Spione.»

Und hier noch das Original – und alle, die es spielten:

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