Forscher über Klimagipfel in Dubai «Chinas Bemühungen könnten einen Wendepunkt darstellen»

Von Dominik Müller

1.12.2023

In Dubai findet derzeit die 28. UNO-Klimakonferenz statt.
In Dubai findet derzeit die 28. UNO-Klimakonferenz statt.
Bild: Keystone

In Dubai ist die 28. UNO-Klimakonferenz gestartet. Die Zeit drängt, der Gastgeber hat einen zweifelhaften Ruf: Klimaforscher Thomas Frölicher von der Uni Bern schätzt im Interview die Bedeutung des Gipfels ein.

Von Dominik Müller

1.12.2023

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Am Donnerstag ist in Dubai die 28. Weltklimakonferenz gestartet.
  • Klimaforscher Thomas Frölicher von der Universität Bern bezweifelt, dass bedeutende Fortschritte erzielt werden können.
  • Aber: Die Bemühungen Chinas, seinen CO2-Ausstoss zu verringern, könnten einen bedeutsamen Wendepunkt in der globalen Klimakrise darstellen.
  • Konferenzen spielten eine wichtige Rolle, um den Dialog zwischen Ländern zu fördern und gemeinsame Ziele zu setzen. Dennoch liege die Verantwortung zur Reduzierung der Emissionen bei jedem Land, auch der Schweiz.

Herr Frölicher, an der Klimakonferenz in Dubai wird die starke Reduktion von Öl- und Gasförderung debattiert. Präsident der Konferenz ist aber der CEO des staatlichen Erdölkonzerns der Vereinigten Arabischen Emirate. Wie bewerten Sie diesen Interessenkonflikt?

Ich habe Zweifel, dass die Klimakonferenz bedeutende Fortschritte erzielen wird. Angesichts der Tatsache, dass der dringendste Schritt zur Bewältigung des Klimaproblems der Ausstieg aus den fossilen Energien ist – etwa 90 Prozent der Reduktion von CO₂ Emissionen müssen hierdurch erfolgen – wäre eine potenzielle Beeinflussung durch das grösste Öl- und Gasunternehmen äusserst kontraproduktiv.

Auch eine Art Bestandsaufnahme, also wo die einzelnen Staaten bezüglich Klimaschutz stehen, steht auf der Agenda. Kann auf diese Weise zusätzlich Druck auf die Landesregierungen erzeugt werden?

Der soeben veröffentlichte «Emission Gap Report» der UNO zeigt klar, dass unsere bisherigen Klimaschutzmassnahmen unzureichend sind. Statt das Ziel von 1,5 Grad Celsius anzusteuern, bewegen wir uns auf eine Erwärmung von etwa 2,7 Grad zu. Der Druck für umgehendes Handeln besteht schon seit geraumer Zeit. Da ändert auch die diesjährige Bestandesaufnahme nichts.

China ist der weltweit grösste Verursacher von CO₂. Doch nun häufen sich Berichte, das Land könnte seinen Ausstoss dank grossen Investitionen in erneuerbare Energieformen im kommenden Jahr senken. Vom Klimasünder zum Vorzeigeschüler – was bedeutet das für das Weltklima?

Zur Person
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zVg

Thomas Frölicher ist Professor für Klima- und Umweltphysik an der Universität Bern und fungierte auch schon als Hauptautor eines Berichts des Weltklimarats IPCC.

China ist derzeit mit beinahe 12 Gigatonnen CO2 pro Jahr der grösste Emittent fossiler CO2-Emissionen. Das entspricht einem Anstieg von 4 Prozent im Vergleich zu 2022 und macht etwa 32 Prozent der globalen fossilen CO2-Emissionen aus. Die Bemühungen Chinas, seinen CO2-Ausstoss zu verringern, könnten einen bedeutsamen Wendepunkt in der globalen Klimakrise darstellen und möglicherweise in den kommenden Jahren zu einem Rückgang der globalen Emissionen führen. Dennoch bleibt abzuwarten, ob diese Veränderungen ausreichend sind, um langfristig die Emissionen zu senken und die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. Meine Skepsis beruht darauf, dass die Emissionsreduktionen möglicherweise nicht schnell genug erfolgen.

Deutschland und die Vereinigten Arabischen Emirate haben die Einrichtung eines Katastrophen-Fonds als Ausgleich für Klimaschäden lanciert. Wird dadurch die Welt gerechter?

Die Einrichtung eines Katastrophen-Fonds, damit Entwicklungsländer bei der Anpassung an den Klimawandel und beim Aufbau einer klimafreundlichen Wirtschaft unterstützt werden, ist ein wichtiger Schritt in Richtung Verantwortlichkeit. Ob dies zur globalen Gerechtigkeit führt, hängt jedoch von der breiteren Beteiligung und dem Umfang des Fonds ab.

Für die Erreichung von globalen Klimazielen ist letztlich die nationale Klimapolitik entscheidend. Braucht es solche Klimakonferenzen überhaupt?

Ohne Zweifel spielen solche Konferenzen eine wichtige Rolle, um den Dialog zwischen Ländern zu fördern und gemeinsame Ziele zu setzen, besonders in der heutigen polarisierten Welt. Dennoch liegt die Verantwortung zur Reduzierung der CO2-Emissionen bei jedem Land, auch der Schweiz. Angesichts der Tatsache, dass sich erneut Zehntausende von Personen für die Konferenz angemeldet haben, darunter viele Lobbyisten, stellt sich die Frage, ob eine solch immense Veranstaltung in ihrer aktuellen Form noch zeitgemäss ist.

Was entgegnen Sie dem Argument, es sei sowieso egal, was wir in der Schweiz machen, weil der Einfluss unseres kleinen Landes auf das Weltklima zu gering sei?

Das Klimasystem mag komplex sein, aber eine simple Regel besteht: Jede zusätzliche Tonne CO2 trägt zur weiteren globalen Erwärmung bei. Daher ist es essenziell, dass weltweit die Emissionen auf null reduziert werden. Jedes Land, inklusive der Schweiz, muss deshalb seinen Beitrag leisten.

Hinweis zur Transparenz: Thomas Frölicher hat die Fragen aus Zeitgründen schriftlich beantwortet.

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