Doppelagent beim Geheimdienst Den Deutschen wurde wohl ihre Hochnäsigkeit zum Verhängnis

Von Andreas Fischer

29.12.2022

Russland-Spionage: BND lässt eigenen Mitarbeiter festnehmen

Russland-Spionage: BND lässt eigenen Mitarbeiter festnehmen

Der Generalbundesanwalt hat einen Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) wegen des Verdachts der Spionage für Russland festnehmen lassen.

23.12.2022

Die deutsche Regierung hat die Gefahr russischer Spionage lange unterschätzt. Doch nun wurde im eigenen Geheimdienst ein Doppelagent enttarnt. Neue Erkenntnisse zeigen das Ausmass des Skandals.

Von Andreas Fischer

Kurz vor Weihnachten wurde in Deutschland ein Mitarbeiter des Auslandsgeheimdienstes BND festgenommen. Er soll Informationen an Russland verkauft haben. Um welche Informationen es sich dabei handelt, hatte der Bundesnachrichtendienst zunächst nicht mitgeteilt. Nun aber werden mehr Details eines Vorfalls bekannt, der sich zu Deutschlands grösstem Spionage-Skandal ausweiten könnte.

BND-Präsident Bruno Kahl hatte am 22. Dezember nicht ohne Stolz berichtet, man sei «im Rahmen der nachrichtendienstlichen Arbeit» selbst auf die Schliche des mutmasslichen Doppelagenten gekommen. Das ist so allerdings nicht ganz richtig: Dass die Deutschen von dem Leck in den eigenen Reihen erfuhren, haben sie vielmehr einem befreundeten ausländischen Nachrichtendienst zu verdanken.

Zugriff auf hochsensible Dokumente

Die Kollegen hätten in Russland Dokumente entdeckt, die eindeutig auf den BND zurückzuführen gewesen seien. Erst danach setzte die Überwachung des mittlerweile enttarnten Mitarbeiters ein. Wie der «Spiegel» berichtet, handelt es sich bei dem Mann um einen Referatsleiter in der Abteilung «Technische Aufklärung» – dem Herzstück des BND. Er habe Zugriff auf eine «Fülle an hochsensiblen Dokumenten» gehabt und soll nach Informationen von WDR und NDR geheime Lageeinschätzungen zur Ukraine weitergegeben haben.

Im Zuge der Ermittlungen gegen den verhafteten Doppelagenten ist eine zweite Person ins Visier der deutschen Behörden geraten. Sie soll durch Aktivitäten an ihrem Dienstcomputer aufgefallen sein und wird gemäss «Spiegel» als Beschuldigte geführt.

Allerdings scheint sich der Verdacht, ebenfalls Geheimnisse an Russland verraten zu haben, gegen diese Person nicht zu erhärten. Wahrscheinlicher sei es laut mit der Ermittlung vertrauten Personen, dass der verhaftete Mitarbeiter versucht habe, mit der zweiten Person den Verdacht von sich selbst abzulenken.

Deutschland wusste alles besser

Die Motive des mutmasslichen Doppelagenten sind weiterhin unklar. Der Mann sei verheirateter Familienvater mit Haus bei München und Wohnung in Berlin. Schlecht verdient habe er beim BND auch nicht. Aus Sicherheitskreisen sickerte gemäss WDR und NDR durch, dass man dem Verdacht nachgeht, der Mann könnte erpresst worden sein.

Der Fall zeige, «wozu Russland willens und in der Lage ist – in Behörden, Wirtschaft und Politik», wird Sebastian Fiedler, Abgeordneter der SPD im Bundestag, vom «Spiegel» zitiert. Kommt hinzu, dass Deutschland jahrelang auf sogenannte Gegenspionage, dem Ausforschen ausländischer Geheimdienste, verzichtet hat.

Warnungen vor russischen Spionen seien beim BND auf taube Ohren gestossen, sagt ein ehemaliger hochrangiger CIA-Agent. Andere Geheimdienste, vor allem aus osteuropäischen Staaten, werfen den Deutschen gar Hochnäsigkeit vor: Sie hätten zwar nichts, aber alles besser gewusst. Das wurde ihnen nun zum Verhängnis.

Ein hochrangiger Mitarbeiter des deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND) steht in Verdacht, für Russland spioniert zu haben.
Ein hochrangiger Mitarbeiter des deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND) steht in Verdacht, für Russland spioniert zu haben.
Christophe Gateau/dpa