Impeachment-Streit Donald Trump gegen die US-Verfassung

Jonathan Lemire/AP

12.10.2019

Donald Trump, Präsident der USA, trifft zu einer Wahlkampfkundgebung im Lake Charles Civic Center ein.
Donald Trump, Präsident der USA, trifft zu einer Wahlkampfkundgebung im Lake Charles Civic Center ein.
Evan Vucci/AP/dpa

Seit seinem Einzug ins Weisse Haus versucht Donald Trump ohne Rücksicht auf das Gesetz, seine Macht auszudehnen. In der Ukraine-Affäre ist nun nicht einmal die Gewaltenteilung vor ihm sicher.

Seit seinem Amtsantritt arbeitet Donald Trump daran, die Konventionen der US-Präsidentschaft nach seinem Willen zu biegen. Nun versucht er offenbar, sich über ein Grundprinzip der Demokratie hinwegzusetzen: dass niemand über dem Gesetz steht.

Angesichts der Ermittlungen für ein mögliches Amtsenthebungsverfahren trotzt Trump offen den zentralen Konstruktionen der amerikanischen Verfassung. Er reibt sich am Prinzip der Gewaltenteilung und weist das Recht des Repräsentantenhauses zurück, gegen ihn zu ermitteln.

Er wendet dabei eine wirre Logik an: Die Gerichte dürften nicht gegen ihn ermitteln, da er als Präsident nicht eines Verbrechen angeklagt werden dürfe. Zugleich erklärt er, dass der Kongress ihn nicht seines Amtes entheben könne, weil die Untersuchungen politisch unrechtmässig seien. Es ist eine Argumentation nach dem Motto: «Bei Kopf gewinne ich, bei Zahl verlierst Du.»

Missachtung von Konventionen

Dieses Verhalten sei typisch für Trump, sagt der Historiker Jon Meacham von der Vanderbilt University in Tennessee. «Die Verfassung zielt darauf ab, Machthunger einzudämmen», erklärt der Experte für US-Präsidenten. «Und jetzt haben wir einen Präsidenten, der ausschliesslich von seinem Machthunger getrieben wird.»

In einem vernichtenden, achtseitigen Brief verweigerten die Anwälte des republikanischen Präsidenten in dieser Woche jegliche Kooperation bei den Ermittlungen für ein mögliches Impeachment. Das Weisse Haus ignorierte Dokumentenanforderungen und Vorladungen. Die Beamten berufen sich auf Exekutivprivilegien – bis hin zum Argument, dass die Privilegien auch für informelle Berater des Präsidenten gelten, die nie im Weissen Haus beschäftigt waren.

Der Impeachment-Streit folgt einem Muster, das Trump im Laufe seiner gesamten Präsidentschaft etabliert hat: durch die Entlassung erfahrener Berater und die Missachtung von Konventionen. Die Tatsache, die Russland-Sonderermittlungen ohne grösseren politischen Schaden überstanden zu haben, bestärkte ihn umso mehr.

Unmotivierte und unkoordinierte Reaktionen

Nur einen Tag, nachdem die zaudernde Aussage von Sondermittler Robert Mueller dieser Bedrohung ein Ende setzte, rief Trump eine neue hervor: Er bat den ukrainischen Präsidenten um Ermittlungen gegen seinen politischen Gegner Joe Biden. Dies löste rasch die Impeachment-Untersuchungen aus, gegen die sich Trump nun zur Wehr setzt.

Nach zwei Wochen unmotivierter und unkoordinierter Reaktionen auf die Ermittlungen war der Brief des Weissen Hauses an die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, eine Kampfansage. Trotz zweifelhafter juristischer Argumente war die Absicht klar: Trump werde kein Spiel mitspielen, das zu seinen Ungunsten gezinkt sei.

Und mit Blick auf die zahlreichen Vorladungen von Demokraten im Unterhaus erklärte ein sichtlich verärgerter Präsident am Donnerstag: «Wenn man ein Land führt, kann man nicht diese ganzen Leute aussagen lassen über jedes Gespräch, das man geführt hat.»

Den Demokraten warf Trump vor, ihrerseits ein schmutziges Spiel zu spielen, «weil sie eine kleine Mehrheit im Repräsentantenhaus haben». «Sie haben die Regeln ausgehebelt», sagte er. «Sie spielen kein faires Spiel mit uns. Es ist die unfairste Situation aller Zeiten.»

Die Verfassung indes gibt dem Repräsentantenhaus «die alleinige Befugnis zum Impeachment». Allerdings wird diese Autorität verliehen, ohne Regeln für das Vorgehen vorzugeben. Dies machte sich das Weisse Haus zunutze, indem es Pelosi zu einer Abstimmung zur Autorisierung der Untersuchung aufrief, wie es in den letzten beiden derartigen Fällen geschehen war.

«Der Präsident hat keine ultimative Macht»

Eine Abstimmung ist aber nicht Voraussetzung, und Trumps Strategie droht die Demokraten bei den Ermittlungen weiter zu provozieren. «Der Präsident hat keine ultimative Macht», sagt Nick Ackerman, Mitglied des Watergate-Ermittlerteams im Fall des damaligen Präsidenten Richard Nixon. «Wir spielen nach bestimmten Regeln, und wir erwarten, dass das Rechtsstaatsprinzip gilt. Wir haben keine Gewaltenteilung, wenn er sie ignoriert. Schon das ist eine Tat, die zu einem Impeachment führen könnte, wie es auch Nixon drohte.»

Es ist unklar, ob die Demokraten sich auf einen langen Rechtsstreit mit der Regierung über Dokumente und Zeugenaussagen einlassen oder direkt ein Amtsenthebungsverfahren anstreben würden. Trump seinerseits hat seine Argumente noch nie auf Rechtmässigkeit oder Logik gestützt.

Allein in der vergangenen Woche rief er zur Amtsenthebung des Senators Mitt Romney und des Abgeordneten Adam Schiff auf. Seine Entscheidung zum Abzug der US-Truppen aus Syrien begründete er zum Teil damit, dass die Kurden die USA im Zweiten Weltkrieg nicht in der Normandie unterstützt hätten.

Seit seinem Amtsantritt ging er immer wieder eigenmächtig vor, um seine Macht auszuweiten. Unter anderem rief er den Notstand aus, um Geld für den Bau einer Grenzmauer abzweigen zu können. Am Donnerstag reagierte er auf eine seiner Ansicht nach unfaire Medienberichterstattung auf Twitter mit vier Worten, die seine gesamte Sicht auf das US-System zusammenzufassen scheinen: «Oh well, I'm President!»

Doch die Verfassung wurde geschrieben, um solche Tests zu bestehen, wie Historiker Meacham sagt. «Es ist sowohl die Stärke als auch einer der frustrierendsten Aspekte des amerikanischen Systems, dass es unglaublich schwierig ist, etwas schnell zu tun, vor allem schlechte Dinge, von denen die Gründer glaubten, dass sie häufiger passieren als gute Dinge», sagt er. «Die Gewaltenteilung wurde eingeführt, damit nicht ein schlechter Akteur die Verfahren dominieren kann. Jetzt haben wir diesen schlechten Akteur.»


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