AfghanistanEU-Staaten setzten auf Hilfe vor Ort – wie auch die Schweiz
sda/tgab
31.8.2021 - 19:06
Bei ihrem Afghanistan-Sondertreffen haben die EU-Innenministerinnen und -minister in Brüssel über Terrorgefahr und Migration nach Europa diskutiert. Eine Situation wie 2015 soll unter allen Umständen verhindert werden, als rund eine Million Flüchtlinge und Migranten gen Europa zogen.
Keystone-SDA, sda/tgab
31.08.2021, 19:06
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«Die Stossrichtung war klar», sagte Bundesrätin Karin Keller-Sutter am Dienstag nach dem Treffen in Brüssel. Man wolle den Fokus auf die humanitäre Hilfe in Afghanistan legen – vor allem für Menschen, die am verletzlichsten sind, wie etwa Frauen und Kinder. Wichtig sei auch die humanitäre Hilfe für die umliegenden Staaten.
Daher hatte die EU-Kommission kürzlich bekannt gegeben, 200 Millionen Euro für die humanitäre Hilfe für Afghanistan und seine Nachbarstaaten bereitstellen zu wollen. Ob die Schweiz ihrerseits die humanitäre Hilfe aufstocken wird, konnte die Bundesrätin nicht sagen, da dies in der Kompetenz des Aussendepartements liegt.
Die EU-Kommission hatte ausserdem angekündigt, ein Resettlement-Programm auf die Beine stellen zu wollen. Ein EU-Beamter sprach von 30'000 Menschen bis 2022. EU-Innenkommissarin Ylva Johansson wollte vor dem Treffen jedoch keine konkreten Zahlen nennen. Resettlement bedeutet die Umsiedlung von besonders schutzbedürftigen Menschen aus einem Erstaufnahmeland in ein sicheres Drittland.
Laut Keller-Sutter haben die EU-Innenministerinnen und -minister jedoch sehr zurückhaltend auf die Initiative der EU-Kommission reagiert. Viele fürchteten einen «Pull-Effekt», sagte sie.
Der österreichische Innenminister Karl Nehammer etwa forderte eine rein freiwillige Aufnahme von afghanischen Flüchtlingen. Sein deutscher Amtskollege Horst Seehofer sprach sich gegen konkrete Resettlement-Kontingente aus.
Ob sich die Schweiz dereinst an einem Resettlement-Programm der EU beteiligen wird, falls es je zustande kommt, liess Bundesrätin Keller-Sutter offen. Es sei noch viel zu früh.
Sie verwies hingegen auf das Schweizer Resettlement-Programm. Bern habe bereits für die Jahre 2022 und 2023 ein Kontingent von 1900 Personen bewilligt. Wenn nötig, könne man das auch umpriorisieren.
Für ein koordiniertes Vorgehen
Priorität hat für die Bundesrätin im Fall Afghanistan vor allem «ein koordiniertes Vorgehen der Schweiz mit den EU-Staaten und den UNO-Organisationen».
Laut Keller-Sutter müssen sich die europäischen Staaten zudem auf gemeinsame Massnahmen einigen, um gegen Schlepper vorzugehen. «Nur so lassen sich Anreize für irreguläre Migration unterbinden und Menschen von der gefährlichen Reise nach Europa abhalten», heisst es in einer Medienmitteilung ihres Departements.
Keller-Sutter bedauerte, dass die Minister am Dienstag kaum über die Revision des EU-Asyl- und Migrationssystems gesprochen haben. Vor dem Treffen forderte sie diese bis anhin blockierte Revision voranzutreiben.
Bedenken vor neuem Terror
Auch das Thema Sicherheit kam am Treffen zur Sprache: Laut Keller-Sutter ist Afghanistan ein Schwerpunktland der Nachrichtendienste.
Die EU-Staaten fürchten zudem die Bedrohung durch einzelne Migranten. So seien Beispiele genannt worden, «von schweren Straftätern, die aus europäischen Staaten ausgeschafft wurden und über Evakuierungsflüge wieder zurück» nach Europa gekommen seien, sagte Keller-Sutter.
Daher seien sich die Ministerinnen und Minister einig gewesen, dass gute Sicherheitscheck nötig seien. Die Situation in Afghanistan dürfe nicht zu neuen Sicherheitsrisiken für die europäischen Staaten führen.