Mammutprozess in Italien Hunderte Mafiosi auf der Anklagebank

dpa/uri

13.1.2021 - 08:00

Mitglieder einer italienischen Sondereinheit der Polizei sichern einen Prozess gegen Mitglieder der Mafia. (Symbolbild) 
Mitglieder einer italienischen Sondereinheit der Polizei sichern einen Prozess gegen Mitglieder der Mafia. (Symbolbild) 
Bild: Keystone

Die 'Ndrangheta aus Kalabrien gilt als mächtige und sehr brutale Mafia-Organisation. Wer gegen sie ermittelt, lebt oft gefährlich. Nun startet ein Prozess gegen Hunderte von mutmasslichen Mitgliedern in Süditalien.

In Italien beginnt am Mittwoch einer der grössten Mafia-Prozesse der vergangenen Jahrzehnte. Angeklagt bei dem Verfahren sind rund 350 mutmassliche Mitglieder und Helfer der Organisation 'Ndrangheta. Experten sehen den Prozess in der süditalienischen Stadt Lamezia Terme als ein Signal des Staates: Die Justiz kann damit Stärke gegen die organisierte Kriminalität zeigen. Erwartet wird, dass das Verfahren ein bis zwei Jahre dauert.

Für die Verhandlungen in der Stadt in Kalabrien wurde extra ein Gebäude hergerichtet. Es wurde Ende 2020 vom italienischen Justizminister Alfonso Bonafede der Öffentlichkeit vorgestellt. Dieser betonte, dass darin rund 1000 Beteiligte auch mit nötigem Corona-Abstand Platz finden könnten.

900 Zeugen werden erwartet

Den Beschuldigten werden Mafia-Zugehörigkeit, Mord, illegaler Waffenbesitz, Drogenhandel, Erpressung, Geldwucher und vieles mehr vorgeworfen. Vielen drohen bei einer Verurteilung hohe Haftstrafen.



Erwartet werden etwa 900 Zeugen, darunter ehemalige Mafia-Leute, die bereit sind, das sogenannte Gesetz des Schweigens, die Omertà, zu brechen. Rund 90 weitere Angeklagte hatten sich nach Medienberichten für ein Schnellverfahren entschieden. Für sie soll es am 27. Januar vor Gericht losgehen.

Der Prozess ist das Ergebnis jahrelanger Arbeit der Justiz. Der prominente Mafia-Jäger und leitende Staatsanwalt von Catanzaro, Nicola Gratteri, führt die Ermittlungen. Er wurde schon wiederholt bedroht und erhielt Personenschutz. Die Fahnder konzentrierten sich für den Prozess auf den Clan der Familie Mancuso aus der Provinz Vibo Valentia in der Stiefelspitze und befreundete kriminelle Gruppen. Doch Mafia-Experten erwarten, dass das Verfahren darüber hinaus verstärkt ans Licht bringt, wie eng die Beziehungen zwischen Teilen von Politik und Wirtschaft mit der 'Ndrangheta sein können.

Ermittlungen auch in der Schweiz

Vor über einem Jahr, im Dezember 2019, hatten rund 2500 Polizisten bei einer der grössten Operationen gegen die Mafia seit den 1980er-Jahren mehr als 300 Menschen festgenommen. Darunter waren Unternehmer, Juristen und Politiker. Auch in Deutschland, der Schweiz und Bulgarien wurde ermittelt.



Die 'Ndrangheta gilt als die brutalste und mächtigste Mafia-Organisation in Italien. Sie hat ihren Ursprung in der Region Kalabrien mit der Hauptstadt Catanzaro. Aus ihrer Heimat steuert sie weltweit grosse Teile des Kokainhandels und verdient jährlich viele Milliarden Euro mit illegalen Geschäften.

In den 80er-Jahren hatte ein anderer sogenannter Maxi-Prozess gegen die sizilianische Cosa Nostra in Palermo weltweit für Schlagzeilen gesorgt. Damals waren mehr als 400 mutmassliche Mitglieder angeklagt, ein Grossteil wurde verurteilt. Auch als Rache brachte die Mafia später die Staatsanwälte Giovanni Falcone und Paolo Borsellino um.

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