In Alarmbereitschaft In Alarmbereitschaft: Eskaliert der Konflikt zwischen Israel und Iran?

Jan Kuhlmann, Sara Lemel und Farshid Motahari, dpa

13.4.2018

Eine israelische Luftabwehr-Rakete.
Eine israelische Luftabwehr-Rakete.
Keystone

Die vom Iran finanzierte Miliz Hisbollah ist eine der stärksten Mächte in Syrien. Israel sieht sich von ihr bedroht. Beide Seiten sind nicht erst seit Trumps Drohungen auf einem Kollisionskurs.

Lässt US-Präsident Donald Trump Syrien nach dem mutmasslichen Giftgasangriff der Regierung bombardieren? Wird Russland darauf militärisch antworten? Die Welt stellt sich gebannt die Frage, ob es in Syrien zu einer Konfrontation der Grossmächte kommt. Dabei könnte in der Region noch ein ganz anderer Konflikt eskalieren: der zwischen Israel und dem Iran. Mit Argusaugen beobachten sich derzeit die zwei Erzfeinde, die beide in Syrien militärisch aktiv sind.

Arabische Medien spekulieren darüber, ob ein US-Angriff auf die syrische Regierung die mit ihr verbündete und vom Iran finanzierte Schiitenmiliz Hisbollah zu einem Angriff auf Israel verleiten könnte. Sollte das passieren, ist der Weg zu einem neuen Krieg zwischen den beiden nicht weit, dem ersten seit 2006. Angesichts der dramatischen Zuspitzung im benachbarten Bürgerkriegsland Syrien hat Israel seine Armee an der Nordgrenze in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt.

Wachsende iranische Präsenz in Syrien ist Israels grösste Sorge

Als verlängerter Arm Teherans hat sich die libanesische Hisbollah in den vergangenen Jahren in Syrien zu einer der stärksten Mächte entwickelt. Ihre Truppen kontrollieren - Kritiker sagen: «besetzen» - wichtige Teile des Landes. Ohne ihre Hilfe hätte Syriens Machthaber Baschar al-Assad den Bürgerkrieg wahrscheinlich verloren. Unterstützt wird die Hisbollah von iranischen Kräften, die dort offiziell als «Militärberater» im Einsatz sind. Mit Hilfe der Miliz ist es dem Iran gelungen, einen Landkorridor zu errichten, der vom Libanon am Mittelmeer über Syrien und den Irak bis nach Teheran reicht.

Die wachsende iranische Präsenz in Syrien ist Israels grösste Sorge. Es wirft seinem Erzfeind Teheran vor, sich immer stärker auch im Grenzbereich militärisch zu etablieren. Beide Seiten befinden sich damit auf einem gefährlichen Kollisionskurs. Israel weiss dabei nicht nur Trump an seiner Seite, der den Kurs gegenüber dem Iran verschärft hat. Auch das sunnitische Saudi-Arabien sieht in seinem schiitischen Nachbarn den gefährlichsten Gegner. So ist eine inoffizielle Allianz zwischen Israel und dem islamisch-konservativen Königreich entstanden, das den jüdischen Staat offiziell gar nicht anerkennt.

Das israelische Militär stellt sich schon seit längerem auf einen möglichen neuen Konflikt mit der Hisbollah ein. Die israelische Zeitung «Haaretz» berichtete ausserdem am Donnerstag, man nehme Drohungen des Irans mit Vergeltung für einen Israel zugeschriebenen Luftangriff auf den syrischen Militärflugplatz T4 sehr ernst.

«Ich habe eine Botschaft an die iranischen Herrscher: Stellt die Entschlossenheit des Staates Israel nicht auf die Probe.»

 
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu

Seit Beginn des Bürgerkriegs in Syrien 2011 verfolgt Israel zwar offiziell eine Politik der Nichteinmischung, fliegt jedoch immer wieder Luftangriffe auf Ziele in dem nördlichen Nachbarland. Diese dürften sich vor allem gegen die Hisbollah richten. Dabei verweist Israels Führung auf «rote Linien» - man will etwa Transporte hochmoderner Waffen an die feindliche Miliz keinesfalls dulden.

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu warnte den Erzfeind: «Ich habe eine Botschaft an die iranischen Herrscher: Stellt die Entschlossenheit des Staates Israel nicht auf die Probe.» Er verglich den Iran mit dem Hitler-Regime und sagte, Israel werde entschlossen gegen all jene vorgehen, die es zerstören wollten. «Dies sind keine leeren Worte - wir untermauern sie mit Taten.» Auch Israels Verteidigungsminister Avigdor Lieberman sagte bei einem Besuch auf den Golanhöhen: «Eine Sache ist sicher: Wir werden es dem Iran nicht erlauben, in Syrien Fuss zu fassen - koste es, was es wolle.»

Für den Iran ist Syrien der Schlüssel im Kampf gegen Israel. Ohne Assad als Präsident würde Teheran den strategisch wichtigen Landkorridor verlieren. Der Iran will ihn behalten, wenn nötig mit militärischer Gewalt. Aber gegen syrische Rebellen und Milizen der Terrormilz Islamischer Staat (IS) zu kämpfen ist eine Sache - gegen die Weltmacht USA - und eventuell die Nato - eine ganz andere.

Teheran will kein Öl ins Feuer giessen

Daher wollen Irans Präsident Hassan Ruhani und seine Topdiplomaten - besonders nach den jüngsten Drohungen Trumps - jetzt kein Öl ins Feuer giessen. Auch nach dem mutmasslichen israelischen Angriff auf den syrischen Militärfluglatz T4, bei dem angeblich sieben iranische «Militärberater» ums Leben kamen, reagierte Teherans Aussenministerium zurückhaltend. Die Drohungen mit Vergeltung erfolgten nicht von Regierungsseite, sondern von einem Berater des iranischen Führers.

Irans Präsident Hassan Ruhani
Irans Präsident Hassan Ruhani
Keystone

Für Ruhani kommen die Spannungen zu einem schlechten Zeitpunkt. Der Präsident kämpft mit innen- und besonders wirtschaftspolitischen Problemen. Ausserdem, so Beobachter, hält es Ruhani für klüger, sich lieber nicht mit einem wie Trump anzulegen, der nicht einmal auf seine Berater hört. Auch weil jeder falsche Schritt Teherans den geplanten Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen rechtfertigen könnte. Ein Scheitern des Atomdeals könnte Ruhani sogar sein Amt kosten.

Der Syrien-Experte Mario Abou Zeid sieht deshalb auch Grund zu der Annahme, dass eine Eskalation zwischen Israel und der Hisbollah ausbleibt. Ein möglicher US-Militärschlag werde sich nicht gegen die Miliz richten, sondern gegen syrische Depots mit verbotenen Waffen, sagt er. Die Iraner und Hisbollah hätten nach Israels jüngstem Angriff und Trumps Drohungen ihre Truppen von den Stützpunkten zurückgezogen und hochrangige Offizielle ausser Landes gebracht.

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