In der Falle In der Falle: Geflüchteten Rohingya droht im Monsun neue Gefahr

Von Kristen Gelineau, AP

18.7.2018

In den Flüchtlingslagern in Bangladesch leben die Menschen in Furcht vor dem Monsun. Mehr als 200'000 von ihnen sind von Erdrutschen und Fluten bedroht. Doch es gibt nicht genügend Platz, um alle sicher unterzubringen.

Die Nachbarn sind schon geflüchtet. Der Hügel, auf dem die Hütte von Mustawkima steht, ist so instabil, dass die Erde unter ihren Füssen weg bröckelt. Wie mehr als 200'000 Menschen in Flüchtlingslagern in Bangladesch ist sie unmittelbar von Erdrutschen und Überschwemmungen bedroht, wenn die gefürchtete Monsunzeit beginnt. Doch Mustawkima bleibt. Die junge Rohingya-Frau, die aus Myanmar geflohen ist, hat keine andere Wahl. Es gibt keinen Ort mehr, an den sie noch ziehen könnte.

Seit Monaten arbeiten die Behörden fieberhaft daran, die am meisten gefährdeten Familien in den Lagern in sichere, eigens planierte Gebiete zu bringen. Nach Angaben der örtlichen Koordinierungsstelle für die Hilfsorganisationen wurden bereits rund 34'000 Flüchtlinge umgesiedelt.

Gefangen in der Natur, in der Armut und in der Angst

Doch es ist einfach nicht genügend Platz vorhanden. Die meisten Flüchtlinge halten es für zu gefährlich, nach Myanmar zurückzukehren, wo das Militär im vergangenen Jahr in einen brutalen Feldzug gegen die muslimische Minderheit der Rohingya gezogen ist. Und so, während der Regen schon Teile der Lager in Bangladesch überflutet, sind viele Rohingya gefangen: in der Natur, in der Armut und in der Angst.

Die Bambushütte auf dem bröckelnden Hang ist Mustawkimas dritter Versuch, sich im Lager ein Zuhause aufzubauen. Sie muss alles allein stemmen — ihr Mann wurde getötet, als das myanmarische Militär im August 2017 ihr Dorf stürmte. Mustawkima, die wie einige Rohingya nur einen Namen benutzt, musste ihre erste Hütte verlassen, als das Wasser die Erde wegspülte. Mit ihren fünf Kindern unter acht Jahren wollte sie dann in die Nähe von Verwandten ziehen, die im Lager am Fusse eines Hügels leben. Also errichtete sie eine dünne Schutzplane etwas weiter hangaufwärts. Aber als der Regen im Juni einsetzte, drang das Wasser schnell ein und verwandelte ihren Lehmboden in Schlamm.

Erschrocken verkaufte sie einen Teil ihrer Essensrationen, Reis, Linsen und Öl, damit sie Männer bezahlen konnte, die ihr am selben Ort einen stabileren Unterschlupf bauten. Hilfsorganisationen spendeten Bambus und Sandsäcke. Mustawkima fürchtet, dass sie nicht reichen, doch hat sie kein Geld, um mehr Bambus zu kaufen. Sie hofft, dass ihre Verwandten sie und ihre Kinder beschützen werden, wenn die schlimmsten Regenfälle einsetzen.

Noch stehen die schlimmsten Schauer bevor

Die stärksten Niederschläge sollen in den kommenden Monaten fallen, obgleich schon im Juni heftige Schauer auf die Lager prasselten. Laut Zahlen der Koordinierungsstelle hat es bisher bereits mehr als 160 Erdrutsche gegeben, wurden 30 Menschen verletzt und ein Kleinkind kam ums Leben. «Schon in den ersten 24 Stunden der Regenfälle haben wir kleine Erdrutsche gesehen und überall Überschwemmungen», sagt Daphnee Cook von Save the Children. «Ich bin jetzt sieben Monate hier und war entsetzt, wie schnell hier alles zusammenbricht.»

Die Lage der Camps ist das eigentliche Problem. Um Platz für Hütten und Zelte zu schaffen, waren Bäume gefällt worden. Ihre Wurzeln wurden ausgegraben und als Feuerholz verwendet. Seither ist der Boden nicht mehr fest und wird zu schwerem Schlamm, der die Hänge herabrutscht und alles unter sich begräbt.

Neben den Erdrutschen und Überflutungen birgt das Wasser auch andere Gefahren, wie etwa Cholera. Einige Latrinen sind überfüllt mit fliegendurchsetzten Exkrementen, die heraussickern, wenn der Regen fällt. Nur wenige Meter entfernt stehen meist die Wasserpumpen, manche — was noch schlimmer ist — unterhalb der Hügel. Helfer haben schon Tausende Latrinen gereinigt. Zudem bekommen Kinder Namensbänder, damit sie identifiziert werden können, falls sie während einer Überschwemmung von ihren Eltern getrennt werden. Familien erhalten zusätzliches Baumaterial, um ihre Unterkünfte zu verstärken. Neu ausgehobene Gräben sollen Flutwasser aufnehmen und umleiten.

Gefährliche Erdrutsche

Wie gefährlich die Erdrutsche sind, daran erinnert die gezackte Narbe an Mohamed Aloms Kopf. Der 27-Jährige schlief, als vergangenen Monat eine Sturzflut neben ihm durch die Plastikwand krachte. Eine Baumwurzel schlug ihm gegen den Kopf und schnitt in die Haut. Seine Schreie weckten seine zwei kleinen Kinder und seine Frau auf, die ihn eilig zu einem Arzt brachte. Jetzt lebt Alom mit seiner Familie und weiteren 13 Menschen im einzigen Klassenzimmer eines Schulhauses. Er hofft, dass die Behörden ihm helfen werden, einen neuen Unterschlupf zu bauen, aber er hat keine Ahnung, wann das sein wird.

Trotzdem: Für viele geflüchtete Rohingya, die Massenmorde, Vergewaltigungen und andere Misshandlungen erlebt haben, ist die Furcht vor dem Monsun relativ. «In Myanmar haben wir Angst, weil es keine Garantie für unser Leben gibt», sagt Alom, während der Regen auf das Dach zu tropfen beginnt. «Selbst wenn es hier einen Erdrutsch gibt, müssen wir uns wenigstens keine Sorgen wegen des Militärs machen.»

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