NordkoreaKim Jong Un geht mit Frauen-Power in die Charmoffensive
Eric Talmadge, AP
21.4.2018
Nicht nur im Inland setzt der Machthaber auf einen Kurswechsel, um etwa die Wirtschaft anzukurbeln. Auch im Ausland ist Nordkoreas Kim Jong Un sichtlich um ein softeres Image bemüht. Dazu holt er seine Frau und seine Schwester auf die Bühne.
Im Bemühen um ein besseres Renommee seiner autoritären Regierung verfolgt Kim Jong Un offenbar eine neue Strategie: Er rückt die Frauen in seinem Leben ins Rampenlicht. In den vergangenen Monaten teilte der nordkoreanische Machthaber immer häufiger die Bühne mit seiner jüngeren Schwester, die als Botschafterin bei den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang plötzliche Berühmtheit erlangte, und seiner jungen Frau, einer ehemaligen Sängerin.
Sie soll laut Medienberichten aus Seoul auch beim bevorstehenden Treffen mit Südkoreas Präsident Moon Jae In am 27. April anwesend sein. Pjöngjang scheint nicht nur diplomatisch softere Wege einzuschlagen - in der Nacht zu Samstag verkündete die nordkoreanische Regierung, ihr Atom- und Raketenprogramm ausgesetzt zu haben - auch das Image soll weicher werden. Indem Kim der Welt ein sanfteres Gesicht präsentiert, ändert sich auch die Optik seines Regimes.
Ohne Zweifel dürfte er zwar immer der Star der Show bleiben. Die grösseren Rollen für seine Schwester Kim Yo Jong und seine Frau Ri Sol Ju sind aber Teil einer Charmeoffensive des Diktators.
Mehrere Gipfeltreffen im eigenen Land und diplomatische Schachzüge trugen jüngst dazu bei, Kims internationales Profil zu stärken - und denn waren stets Frauen an seiner Seite. Ri etwa begleitete Kim auf seiner Überraschungsreise nach China im vergangenen Monat zu einem Treffen mit Präsident Xi Jingping, wo sie mit ihrem stilvollen Äusseren auffiel. Im Anschluss an das Treffen mit Moon will Kim im Mai oder Juni mit US-Präsident Donald Trump zusammenkommen - Ris Begegnung mit der amerikanischen First Lady Melania Trump wäre nicht ausgeschlossen.
Andererseits ist für einen so exponierten Auftritt möglicherweise noch nicht die Zeit reif. Denn zum Konzept der First Lady hat Nordkorea ein kompliziertes Verhältnis. Kims Vater und Grossvater hatten beide jeweils mehrere Lebensgefährtinnen, und persönliche Angelegenheiten der Kim-Familie werden vom nordkoreanischen Propaganda-Apparat mit grösstmöglicher Diskretion gehandhabt.
Ri persönlich wäre allerdings ein Naturtalent für die Übernahme von weiteren repräsentativen Aufgaben. Sie ist selbstsicher, an Rampenlicht gewöhnt und trägt meist teure Kleidung. Schon in jungen Jahren sang sie in einem Orchester, bis sie und Kim heirateten. Berichten zufolge fand die Hochzeit 2009 oder 2010 statt, bevor Kim sein Amt antrat. Sie soll den Mitgliedern der Frauen-Popband Moranbong nahestehen, die von Kim Jong Un ins Leben gerufen wurde.
Kims Ehefrau gehörte zu einer auserwählten Gruppe junger Frauen, die 2005 nach Südkorea entsandt wurden, um das nordkoreanische Team bei den Asian Athletics Championships anzufeuern. Das deutet darauf hin, dass sie aus einer angesehenen Familie stammt. Sie ist vermutlich 28 Jahre alt, sonst ist über sie nicht viel bekannt.
Anders als sein Vater - die Identität seiner Mutter wurde lange als Staatsgeheimnis gehütet - zeigt sich Kim relativ häufig mit seiner Frau in der Öffentlichkeit. Der erste offizielle gemeinsame Ausflug führte die beiden 2012 in einen Vergnügungspark. Auch bei einem Basketball-Schaukampf 2014, vor dem der frühere NBA-Star Dennis Rodman Kim ein Geburtstagsständchen sang, war Ri an der Seite des Machthabers.
Längere Abwesenheiten waren vermutlich auf Schwangerschaften zurückzuführen. Ri und Kim haben Berichten zufolge drei Kinder, obwohl auch das nie offiziell bestätigt wurde. Ein wahrer Ritterschlag erfolgte diese Woche, als Ri ein neuer Ehrentitel verliehen wurde - sie ist jetzt «ehrwürdige First Lady». Laut einem Bericht der südkoreanischen Tageszeitung «Chosun Ilbo» wurde dieser Titel von den nordkoreanischen Staatsmedien seit 1974 nicht mehr verwendet. Damals bezog er sich auf die zweite Frau von Staatsgründer Kim Il Sung, Kim Song Ae. Ri war vorher einfach nur «Genossin Ri».
Auch Kims jüngere Schwester feierte einen Durchbruch in grossem Stil. Im Februar reiste sie als erstes Mitglied der Kim-Dynastie nach Südkorea, wo sie an der Olympischen Eröffnungszeremonie teilnahm. Rasch stahl sie mit einem fast majestätischem Auftreten dem südkoreanischen Präsidenten Moon und anderen internationalen Würdenträgern die Show. Ein vielsagender Moment: Beim Einzug des gemeinsamen koreanischen Teams stand Moon auf, um Kim Yo Jong die Hand zu reichen, während US-Vizepräsident Mike Pence mit versteinertem Gesicht in derselben VIP-Lounge sass.
Die 30-jährige Kim Yo Jong ist möglicherweise die engste Vertraute ihres Bruders, die Beziehung erinnert an die von Kim Jong Uns Vater Kim Jong Il und seiner Tante Kim Kyong Hui. Sie und Kim Jong Il hatten als Kinder mehrere Jahre lang relativ isoliert in der Schweiz gelebt. Kim Yo Jong ist Vermutungen zufolge für die Aussendarstellung ihres Bruders und den Personenkult verantwortlich.
Vor Pyeongchang dürften die wenigsten Nordkoreaner überhaupt ihren Namen gekannt haben. Diese Zeiten sind nun sicher vorbei. Ihre Rückkehr aus dem Süden war Thema auf den Titelseiten ebenso wie der Gegenbesuch einer ranghohen südkoreanischen Delegation im März, bei dem Kim an der Seite ihres Bruders stand.
Erst am Sonntag berichtete die Zeitung der Regierungspartei wieder über sie und die gewohnt glamourös auftretende Ri. Beide Frauen hatten gemeinsam eine hochrangige chinesische Delegation begrüsst und eine Show des chinesischen Nationalballetts besucht. Ein weiterer Meilenstein: Es war vermutlich das erste Mal, dass die Staatsmedien über einen Auftritt der «ehrwürdigen First Lady» berichteten, an dem Kim Jong Un dagegen nicht teilnahm.
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