Trumps Supreme-Court-Kandidat Mutmassliches Richter-Missbrauchsopfer: «Wir wissen, wie schwierig das für sie ist»

sda/phi

21.9.2018

Christine Margaret Blasey Ford hat lange geschwiegen: Die Frau, die Trumps Supreme-Court-Kandidaten zu Fall bringen könnte, musste sich überwinden, den angeblichen Übergriff publik zu machen.

Ihr Studium führte Christine Margaret Blasey Ford Richtung Westen. Der Umzug nach Kalifornien erwies sich als Chance, ihre traumatischen Jugenderlebnisse in einem Vorort von Washington hinter sich zu lassen. Die Tochter einer wohlhabenden Familie aus Montgomery County in Maryland war als Jugendliche nach eigenen Angaben sexuell belästigt worden.

Blasey Ford im Jahrbuch der Univerity of North Carolina in Chapel Hill.
Blasey Ford im Jahrbuch der Univerity of North Carolina in Chapel Hill.

Der Täter soll ein Mitschüler gewesen sein – der heutige mögliche Supreme-Court-Richter Brett Kavanaugh. Lange vor ihrer Entscheidung, ihre Geschichte nun öffentlich zu machen, hatte sich die heute 51-Jährige bereits ein neues Leben aufgebaut. Sie lebte in Malibu, Honolulu und bei San Francisco, studierte, ging surfen, zu Football-Spielen und Rockkonzerten.

Erst 2012 erzählte sie es ihrem Mann

In den 1990er Jahren liess sich Ford im Silicon Valley nieder. Sie arbeitete als Psychologin und Biostatistikerin in der Forschung an der Eliteuniversität Stanford. Später wurde sie dort und an der Universität in Palo Alto Professorin, heiratete, zog mit ihrem Mann nach Palo Alto und bekam zwei Söhne.

Über ihre Erlebnisse sprach Ford erstmals im Jahr 2012 während einer Ehetherapie-Sitzung mit ihrem Mann. Erst vor einigen Monaten nahm sie dann zunächst anonym mit Kommunalpolitikern Kontakt auf, bevor sie am Sonntag an die Öffentlichkeit ging.

Kavanaugh habe sie Anfang der 1980er Jahre während einer Hausparty in Maryland auf ein Bett gedrückt und versucht, sie auszuziehen, sagte sie der «Washington Post». Er habe ihr die Hand auf den Mund gepresst, als sie schreien wollte, sie habe um ihr Leben gefürchtet. Sie sei zu dieser Zeit etwa 15 Jahre alt gewesen, Kavanaugh etwa 17, sagte Ford.

Seine Nominierung bereitet Donald Trump inzwischen wohl Kopfschmerzen: Montgomery Kavanaugh.
Seine Nominierung bereitet Donald Trump inzwischen wohl Kopfschmerzen: Montgomery Kavanaugh.
Keystone

Belibende Folgen

Nach Angaben von Freunden und Angehörigen fiel ihr die Entscheidung, an die Presse zu treten, schwer. «Sie hat offensichtlich nichts zu gewinnen und viel zu verlieren, indem sie mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit geht», sagt Jim Gensheimer, ein Freund Fords. «Sie hat mir von einigen Dingen erzählt, darunter ihrem Bedürfnis, mehr als eine Ausgangstür im Schlafzimmer zu haben, damit sie nicht eingeschlossen sein kann. Deshalb weiss ich, dass dieses Ereignis ernst genug war, um bleibende Folgen für ihr Leben zu haben.»

11 protestieren am 7. September 2018. in Washington bei einer Senatsanhörung gegen Kavanaugh.
11 protestieren am 7. September 2018. in Washington bei einer Senatsanhörung gegen Kavanaugh.
Keystone

Fords Schwiegermutter, Schwägerin und weitere Mitglieder der Familie ihres Mannes veröffentlichten am Mittwoch einen Brief, in dem sie um einen respektvollen und ernsthaften Umgang mit der 51-Jährigen baten. «Wir glauben, dass Chrissy mutig gehandelt hat, indem sie über ihre Erlebnisse der Vergangenheit gesprochen hat», hiess es in dem von elf angeheirateten Verwandten Fords unterzeichneten Schreiben. «Und wir wissen, wie schwierig das für sie ist.»

Trump nennt Vorwurf «unfair»

Kavanaugh veröffentlichte über das Weisse Haus eine Erklärung, in der er die Vorwürfe «kategorisch und zweifelsfrei» zurückwies. Präsident Donald Trump teilte am Mittwoch mit: «Ich kann nur das sagen: Er ist so ein herausragender Mann. Sehr schwer für mich vorzustellen, dass irgendetwas passiert ist. Ich denke, hier geht eine sehr unfaire Sache vor sich.»

Die Anschuldigungen haben den Kampf um Kavanaughs Bestätigung weiter verschärft. Republikaner fordern eine öffentliche Anhörung, in der sowohl Ford als auch Kavanaugh aussagen sollen. Doch Ford verlangte nach Angaben ihrer Anwälte eine Ermittlung der Bundespolizei FBI, bevor der Justizausschuss des Senats in der Sache berät.

Ford wolle mit dem Gremium kooperieren, unterstrichen ihre Anwälte. Allerdings sei die Professorin seit der Veröffentlichung ihrer Vorwürfe das Ziel «boshafter Schikanen und sogar Todesdrohungen» geworden. Ihre Familie sei umgezogen. Am Donnerstag schien Ford die Bedingung einer FBI-Ermittlung über ihre Anwälte abzuschwächen und sprach nur noch von einer Präferenz für eine solche Untersuchung.

Akademikerin mit tadellosem Ruf

Dafür nannte sie aber weitere Auflagen. Kavanaugh solle bei ihrer Anhörung nicht im Raum sein, zudem wolle sie am Donnerstag statt wie vom Justizausschuss gefordert am Montag aussagen. Seine Anhänger zogen Fords Glaubwürdigkeit und Motive in Frage. Der republikanische Senator Orrin Hatch aus Utah sagte dem Sender NBC News, Ford sei «verwirrt». Kavanaugh bezeichnete er als «ehrlich» und «geradlinig».

Mehrere ehemalige Kollegen Fords betonten, die 51-Jährige sei als Biostatistikerin und Psychologin für ihre Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt bekannt. Sie veröffentlichte mehrere Bücher und mehr als 65 Artikel in Fachzeitschriften, unter anderem über neue Behandlungsformen gegen Depressionen oder Drogenabhängigkeit.

Kavanaugh allein' zuhaus.
Kavanaugh allein' zuhaus.
Keystone

Sarah Adler, eine ehemalige Studentin von Ford und klinische Psychologin in Stanford, ist eine der Organisatorinnen eines Briefes zur Unterstützung ihrer früheren Professorin. Das Schreiben wurde bis Dienstagnachmittag von mehr als 300 Kollegen und einstigen Studenten unterzeichnet. Einen weiteren Unterstützerbrief unterschrieben mehr als 700 Absolventen von Fords ehemaliger Privatschule Holton-Arms.

Mutmassliche Opfer fühlt sich «moralisch verpflichtet»

«Ich glaube, sie hat sich moralisch verpflichtet gefühlt, an die Öffentlichkeit zu gehen», sagte Adler. «Und so kenne ich sie. Sie analysiert die Daten und lässt die Daten die Geschichte erzählen.» Ford respektiere fachliche Grenzen und sei keine Frau, die ihre persönlichen Probleme mit Kollegen teile.

Der Psychiatrie-Professor Allan Reiss (Stanford), der zahlreiche wissenschaftliche Publikationen zusammen mit Ford verfasst hat, bestätigt das. «Sie hat niemals ein Wort darüber gesagt», erklärt er. «Aber angesichts der Tatsache, dass ich sie als integren und ehrlichen Menschen kenne, überrascht es mich nicht, dass sie ihre Geschichte öffentlich gemacht hat und dass sie ein Gespür für die Wichtigkeit dessen hat, was sie zu sagen hat.» 

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