Kims cleverer Schachzug Pompöse Presse-Show bei Schliessung von Nordkoreas Atomtestgelände

Eric Talmadge, AP

22.5.2018

Nordkorea schliesst in dieser Woche offiziell seine unterirdische Atomtestanlage in den Bergen. Ausländische Journalisten dürfen in Punggye Ri dabei sein. Was sie zu sehen bekommen, bleibt eine Überraschung.

Wenn Nordkorea in dieser Woche sein Atomtestgelände Punggye Ri offiziell schliesst, ist das ein Meilenstein. Schliesslich geht es um das letzte bislang noch aktiv genutzte unterirdische Testgelände für Nuklearwaffen. Was das Ende von Punggye Ri jedoch politisch bedeutet, ist weniger offensichtlich.

Vor allem eine grosse Show erwarten Experten von der Zeremonie, zu der ausländische Journalisten geladen sind. Irgendwann zwischen Mittwoch und Freitag ist es so weit, der genaue Zeitpunkt wird abhängig von der Wetterlage bestimmt. Die Medienvertreter, darunter auch ein Fernsehteam der Nachrichtenagentur Associated Press, dürfen dafür tief ins Bergland im Nordosten des abgeschirmten Landes reisen.

Das nordkoreanische Aussenministerium hat Berichterstatter aus China, Russland, den USA und Grossbritannien zu der Veranstaltung eingeladen. Am Dienstag trafen die Reporter ein. Ein vorab angemeldetes Team aus Südkorea liess Pjöngjang aber wegen jüngster Verstimmungen nicht ins Land.

Die Abbauarbeiten haben bereits begonnen

Vorgesehen ist nach Angaben aus Pjöngjang, alle Tunnels des Testgeländes mit Sprengungen dicht zu machen, die Zugänge zu verschliessen, alle Forschungseinrichtungen zu entfernen und die Vorrichtungen zur Bewachung der Anlage abzubauen. Satellitenaufnahmen legen nahe, dass die Arbeiten bereits begonnen haben.

Was die Pressevertreter dann diese Woche vor Ort zu sehen bekommen, ist offen. Sie werden in einem weit entfernten Hotel in Wonsan untergebracht. Dort steht das Pressezentrum, von wo aus eine Fahrt in einem Sonderzug zum Testgelände geplant ist. Wie lange die Journalisten dort bleiben dürfen, ist noch nicht bekannt.

Ganz offensichtlich scheint hingegen das Motiv für die Unterbringung in Wonsan, einer vorzeigbaren Stadt in malerischer Umgebung. Es ist das Zentrum eines Gebiets, das Nordkorea als Touristenattraktion aufbaut und profitabel vermarkten will, wenn die diplomatischen Gesten der Öffnung von Machthaber Kim Jong Un Früchte tragen.

Eine Geste des guten Willens?

Kim hatte die Schliessung des Testgeländes von Punggye Ri bei einem Treffen ranghoher Parteifunktionäre im vergangenen Monat angekündigt. Das war unmittelbar vor der als historisch gefeierten Begegnung mit dem südkoreanischen Präsidenten Moon Jae In.

Das Vorhaben wird als Geste des guten Willens vor Kims geplanten Treffen mit US-Präsident Donald Trump im kommenden Monat verstanden. Vor seiner Partei begründete Kim die Schliessung der Atomanlage damit, dass Nordkorea seine nukleare Entwicklung abgeschlossen habe und weitere unterirdische Tests nicht mehr nötig seien.

Das könnten nach Einschätzung von Experten mehr grosse Töne als reelle Massgaben sein. Zwar habe Nordkorea bewiesen, dass es leistungsfähige Nuklearwaffen produzieren könne, doch könnte das Land von weiteren Tests durchaus noch profitieren, erklären Fachleute. «Nordkorea bräuchte sicherlich noch weitere Tests, um bei seiner Wasserstoffbombe sicher zu sein», meint der Physiker David Wright von der amerikanischen Wissenschaftlervereinigung Union of Concerned Scientists (UCS), die sich für Abrüstung und Umweltschutz starkmacht.

Kims cleveres Spiel mit der Öffentlichkeit

Der letzte Test Nordkoreas ist für Wright ein Beispiel für anhaltenden Bedarf. Dabei sei es seiner Ansicht nach um eine Bombe, die nicht klein und leicht genug konstruiert worden sei, um mit Raketen abgeschossen zu werden. «Unter dem Strich bedeutet das, dass ein Ende von Tests darauf hinausläuft, dass die Fähigkeit, verlässliche, abschussfähige Sprengköpfe zu bauen, begrenzt bleibt – vor allem was eine Wasserstoffbombe angeht», erklärt der Forscher. In diesem Sinne mache Kim ein wesentliches Zugeständnis.

Experten gehen davon aus, dass Nordkorea seit 2006 sechs unterirdische Atomtests durchgeführt hat, allesamt in Punggye Ri. Die jüngste und heftigste Explosion war im September. Dabei soll es sich nach nordkoreanischer Darstellung um Tests für eine Wasserstoffbombe gehandelt haben. Nordkorea ist das letzte Land, das zuletzt noch unterirdisch Atomwaffen testete.

Wenn Kim künftig doch wieder testen würde, liesse sich das kaum verstecken. Bislang wolle sich Nordkorea aber offensichtlich ohnehin keinem System der Kontrolle unterziehen, betont Adam Mount von der Federation of American Scientists (FAS), die sich gegen die Verbreitung von Atomwaffen einsetzt. Das werde schon dadurch deutlich, dass Journalisten statt internationaler Beobachter zur offiziellen Schliessung eingeladen wurden. Die Medienvertreter hätten weder das technische Fachwissen noch die Ausrüstung oder die Zeit zur Analyse und Bewertung des Prozesses.

Den atomaren Kinderschuhen entwachsen

Mancher Beobachter fühlt sich an das Jahr 2008 erinnert. Inmitten der internationalen Gespräche über sein Atomprogramm rief Nordkorea damals ausländische Medien ins Land, die die Sprengung eines Kühlturms am Atomreaktor Yongbyon filmen sollten.

Washington strich Nordkorea daraufhin von seiner Terrorunterstützerliste und hob eine Reihe von Sanktionen auf. Die Gespräche gerieten in eine Sackgasse, der Reaktor von Yongbyon produziert wieder Plutonium.

Die Schliessung von Punggye Ri könnte daher nach Einschätzung von Experten durchaus als die Botschaft gedeutet werden, die Kim den Parteikadern vorgab: dass Nordkorea den atomaren Kinderschuhen entwachsen ist. «Niemand sonst macht das noch», sagt Joshua Pollack vom Middlebury-Institut für internationale Studien im kalifornischen Monterey über die nuklearen Tests. «Wenn man also behauptet, eine ausgewachsene Atommacht zu sein, untergräbt es die Botschaft, wenn man weiter testet.»

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