Biden in Gefahr? Sturm auf US-Kapitol erhöht Sorge um Sicherheit bei Vereidigung

dpa/tgab

10.1.2021 - 12:28

Am 20. Januar sollen der gewählte Präsident Joe Biden und seine künftige Stellvertreterin Kamala Harris vor dem Kapitol in Washington den Amtseid ablegen.
Am 20. Januar sollen der gewählte Präsident Joe Biden und seine künftige Stellvertreterin Kamala Harris vor dem Kapitol in Washington den Amtseid ablegen.
Bild: KEYSTONE/MICHAEL REYNOLDS

Wegen der Corona-Krise sollte die Amtseinführung von Joe Biden ohnehin in etwas kleinerem Rahmen stattfinden. Nach den Krawallen vom Mittwoch stehen die Organisatoren dennoch vor einer enormen Herausforderung.

Die öffentliche Zeremonie zur Machtübergabe hat in den USA grosse Tradition. In mehr als einer Woche ist es wieder soweit: Am 20. Januar sollen der gewählte Präsident Joe Biden und seine künftige Stellvertreterin Kamala Harris vor dem Kapitol in Washington den Amtseid ablegen.

Genau dort aber überwältigten Anhänger des scheidenden Präsidenten Donald Trump diese Woche Polizisten und sorgten für chaotische Szenen. Einige der Randalierer bestiegen und besetzten sogar die für die Feier zum Teil bereits aufgebauten Tribünen.

Trump kündigte am Freitag an, dass er als erster scheidender Präsident seit mehr als 150 Jahren nicht an der Zeremonie teilnehmen werde, Tradition ist, dass der alte und neue Präsident gemeinsam zum Kapitol fahren, um so auch einen reibungslosen Machtwechsel zu symbolisieren.

Sicherheitsmassnahmen ausreichend?

Die Ereignisse vom Mittwoch werfen auch die Frage auf, ob die Sicherheitskräfte in der Lage wären, einen vergleichbaren Ansturm während der Vereidigung zu verhindern. Die für die Koordination der Feier zuständigen Senatoren betonten am Donnerstagabend, dass die Vorbereitungen nicht unterbrochen würden. Der «abscheuliche Angriff auf das Kapitol» werde sie nicht davon abhalten, Amerikanern und der ganzen Welt zu zeigen, dass die Demokratie Bestand habe, erklärten der Republikaner Roy Blunt und die Demokratin Amy Klobuchar.



Die Sicherheitsmassnahmen sind seit den Ausschreitungen vom Mittwoch bereits erhöht worden. Etwa 6200 Mitglieder der Nationalgarde aus sechs US-Staaten werden die Kapitolspolizei und andere Einheiten in der Hauptstadt in den kommenden 30 Tagen unterstützen. Auch die bisherigen Pläne für Strassensperrungen am Tag der Vereidigung könnten noch einmal überarbeitet werden.

Andere Vorkehrungen waren ohnehin geplant – etwa das Aufstellen von schwarzen Metallzäunen, die als nicht «erklimmbar» gelten. Denn die Zeremonie zur Machtübergabe wird als ein «National Special Security Event» eingestuft, bei dem der Secret Service und etliche andere Institutionen des amerikanischen Sicherheitsapparats involviert sind – einschliesslich des Verteidigungsministeriums, das beim Terrorschutz federführend ist.

Plan von Secret Service für Massenspektakel ausgearbeitet

«Der Schutz und die Sicherheit von allen, die an der 59. Präsidenten-Vereidigung teilnehmen, ist von grösster Bedeutung», hiess es am Donnerstag in einer Stellungnahme des Secret Service. Seit mehr als einem Jahr werde unermüdlich daran gearbeitet, «alle denkbaren Eventualitäten auf allen Ebenen zu antizipieren und sich entsprechend vorzubereiten, um eine sichere Amtseinführung zu gewährleisten».

Laut einer mit den Planungen vertrauten Person stehen den Behörden die gleichen zivilen und militärischen Ressourcen zur Verfügung, die sonst für den Umgang mit einem Publikum von mehr als einer Million Menschen eingesetzt werden – obwohl diesmal mit sehr viel weniger Zuschauern gerechnet wird. An die Ausrichtung eines Massenspektakels wie in vergangenen Jahren war wegen des Coronavirus schliesslich gar nicht zu denken gewesen.

Bereits vor dem Sturm auf das Kapitol war in Washington viel darüber diskutiert worden, ob eine massiv abgespeckte Version der Feierlichkeiten dem Ereignis überhaupt gerecht werden würde. Ohne die Fotos von einem Millionenpublikum werde man nicht ein so eindrucksvolles Gesamtbild erzeugen können, sagt Bill Daley, der bei den Vorbereitungen zur Vereidigung von Barack Obama im Jahr 2009 eine wichtige Rolle spielte und später als US-Handelsminister und als Stabschef im Weissen Haus diente. Das Gefühl des Wandels werde aber dennoch spürbar sein, gibt sich Daley zuversichtlich.

Trump bleibt bei Behauptung von Wahlbetrug

Trump hat seit seiner Niederlage bei der Präsidentschaftswahl im November praktisch alles dafür getan, die Stimmung seiner politischen Gegner zu trüben. Ohne je Beweise vorgelegt zu haben, behauptet er bis heute hartnäckig, dass die Wahl manipuliert worden sei. Dem haben inzwischen nicht nur viele seiner Parteifreunde widersprochen, sondern auch konservative Richter, die von Trump selbst eingesetzt worden waren.

In der Geschichte der USA ist es erst dreimal vorgekommen, dass ein scheidender Präsident der Feier fernblieb. Der letzte, der seine Teilnahme absagte, war Andrew Johnson – vor 152 Jahren. Erst nach den Krawallen vom Mittwoch versprach Trump überhaupt zum ersten Mal, dass es eine geordnete Machtübergabe geben werde.

Ehemalige Präsidenten als Ehrengäste

Erwartet wird immerhin die Teilnahme von Vizepräsident Mike Pence. Voraussichtlich werden ausserdem die früheren Präsidenten Barack Obama, George W. Bush und Bill Clinton anwesend sein. Jimmy Carter, der seit seiner eigenen Amtseinführung im Jahr 1977 bisher keine Vereidigung verpasst hat, sagte zum ersten Mal ab – wegen der Pandemie war der 96-Jährige zuletzt überwiegend zu Hause geblieben.

Um weitere Ansteckungen mit dem Coronavirus zu vermeiden, haben die Organisatoren der Veranstaltung die Anhänger von Biden aufgefordert, möglichst nicht nach Washington zu kommen. Mit einem gigantischen Volksfest, wie etwa 2009 zur Beginn der Präsidentschaft von Obama, ist daher wohl nicht zu rechnen. Nach Einschätzung von Daley dürfte Biden allerdings wie kaum ein anderer in der Lage sein, mit einer vergleichsweise bescheidenen Feier umzugehen.

«Ich denke, für jemanden, der schon so lange dabei ist, wie er, ist das weniger wichtig», sagt Daley über den Demokraten, der sich bereits 1988 das erste Mal um das Amt des Präsidenten bemühte und unter Obama acht Jahre lang Vizepräsident war. «Ich glaube nicht, dass er besonders lange auf dem Podium stehen muss, um sich selbst zu feiern.»

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